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Brief vom 08.09.2019 an die BA wegen Schulbedarfen mit Aufforderung endlich Rechtssicherheit durch Weisung zu schaffen

Hier nun unser Brief vom 08.09.2019:

Anspruch auf Übernahme der Kosten für Schulbücher


BSG Urteile vom Mai 2019


 


Sehr geehrter Herr Scheele,
sehr geehrte Damen und Herren,


mit Urteil vom 08.05.2019 hat das Bundessozialgericht in zwei Urteilen festgestellt (BSG v. 08.05.2019 - B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R), dass für Schulbücher ein zuschussweiser Übernahmeanspruch im Rahmen der Härtefallreglung nach § 21 Abs. 6 SGB II besteht. Dies wurde vom BSG mit den zu gering bemessenen Bildungsbedarfen in den SGB II – Regelbedarfen zutreffend begründet.


Verschiedene Sozialgerichte haben jetzt in Bezug auf Eigenanteile zu den Zuzahlungen ebenfalls ein Übernahmeanspruch besteht (SG Köln, Urteil v. 29.05.2019 – S 40 AS 352/19; SG Düsseldorf mit Beschluss v. 5.08.2019 – S 35 AS 3046/19 ER. Auch hat jüngst das SG Dessau-Roßlau mit Urt. v. 20.06.2019 - S 3 AS 1283/18 entschieden und gesagt das Kosten für die nicht ausleihbaren Schulbücher sind - entgegen der Auffassung des Jobcenters - nicht aus dem Regelbedarf finanzierbar, hier 76 €, sondern sind nach § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen“.

Das SG Dessau-Roßlau hat in seinem Urteil zutreffend ausgeführt: Konflikte zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung der Schulbildung auch für Schüler, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, dürfen nicht auf dem Rücken der im SGB II-Leistungsbezug stehenden Schüler ausgetragen werden.

Das Arbeits- und Sozialministerium NRW hat einen Erlass herausgegeben, in dem die 18 kommunalen Jobcenter über die Rechtsauffassung des MAGS, dass die Schulbuchkosten, die im Rahmen des Eigenanteils der Lernmittelfreiheit in NRW anfallen, auf der Grundlage der Härtefallklausel nach § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen sind, informiert wurden.

Die Verwaltungspraxis ist bundesweit sehr unterschiedlich, einen Jobcenter werden angewiesen Schulkosten zu übernehmen, die anderen weigern sich offen die BSG Rechtsprechung umzusetzen. So zB das Jobcenter Oldenburg, das in seinen Bescheiden schreibt, die BSG Rechtsprechung „ist zu negieren“. Denn die Urteile des BSG „thematisieren den Beginn eines Schuljahres ab der 11. Klasse, insofern trifft die analoge Anwendung der Rechtsprechung vorliegend bei Ihren Kindern nicht zu, da Ihre Kinder noch nicht die Klasse 11 besuchen“, so der Bescheid des JC OL vom 29.08.2019.

(Bescheid in Kopie anbei)


Bundesweit hat jetzt die Schule begonnen und das neue Schuljahr beginnt. Das heißt das Thema Schulbücher und Schulmaterialen steht für fast 2 Millionen SGB II beziehenden Kinder auf der Tagesordnung. Wir fordern die Bundesagentur für Arbeit auf kurzfristig rechtliche Klarheit zu schaffen und die Jobcenter mit einer eindeutigen Weisung anzuweisen das Schulmaterialien neben dem Bildungs- und Teilhabepaket auf Zuschussbasis nach § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen sind.

Auch bitten wir um Klarstellung welche Schulmaterialien zu übernehmen sind. Hier ist nach unserer Auffassung die Gesetzesbegründung zum Schulbedarfspaket maßgeblich, in der klargestellt wird, welche Materialien im Schulbedarfspaket konkret sind: „Gegenstände zur persönlichen Ausstattung für die Schule (z.B. Schulranzen, Schulrucksack, Turnzeug, Turnbeutel, Blockflöte) und für Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (z.B. Füller einschließlich Tintenpatronen, Kugelschreiber, Bleistifte, Malstifte, Malkasten, Hefte, Blöcke, Papier, Lineale, Buchhüllen, Zirkel, Taschenrechner, Geodreieck) (BT-Drs. 17/3404, S. 105; zur Vorgängerregelung in § 24a SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung: BT-Drs. 16/10809, S. 16).

Dementsprechend bedarf es einer klaren Anweisung, welche Schulbedarfe zusätzlich nach § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen sind.

Wir bitten diese Anweisung alsbald zu geben und ebenfalls klarzustellen, dass diese Kosten auch rückwirkend zu übernehmen sind. Für den Rückwirkenden Zeitraum haben die Jobcenter ihren Aufklärungs- und Beratungspflicht nach §§ 13, 14 SGB I und § 14 Abs. 2 SGB II nicht wahrgenommen, obwohl sie spätestens nach den BSG Urteilen dazu verpflichtet gewesen wären, daher erwarten wir, dass die Nachweisanforderungen für Zeiten vor Ihrer Weisung nicht zu hoch gesteckt werden. Da es für SGB II-Beziehende nicht unbedingt üblich ist, Quittungen für gekaufte Materialen aufzuheben.

Wir hoffen, dass die Bundesagentur für Arbeit wenigstens jetzt, zeitnah und sachgerecht ihrer Aufgabe zur Aufklärung und Beratung und Integration von Millionen von armen Kindern nachkommt.

Vor dem Hintergrund der Dringlichkeit bitten wir um baldige Rückmeldung.   


Mit freundlichen Grüßen 


Harald Thomé / Tacheles e.V.

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