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Bürgerhartz: Zusammenfassung wesentlicher Änderungen des SGB II und SGB XII gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
ZU: Deutscher Bundestag: Ausschussdrucksache 20(11)243
Ausschuss für Arbeit und Soziales vom 4. November 2022
Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zu dem Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) 20/3873
Eine Zusammenfassung wesentlicher Änderungen des SGB II und SGB XII gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3873, vom 14.10.2022; ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
SGB II-E
- Streichung der verpflichtenden Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit (§ 3 Abs. 1 S. 2 SGB II-E)
- Einnahmen aus Erbschaften stellen kein Einkommen dar (§ 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II E).
- Grundfreibetrag soll künftig dynamisch orientiert an der Geringfügigkeitsgrenze angehoben werden (11b Abs. 2b SGB II-E).
- Einbeziehung der U25jährigen im Bundesfreiwilligendienst in den Anspruch auf den erhöhten Grundfreibetrag i.H.v. 520 €. Hierbei wird das Taschengeld in voller Höhe (statt aktuell Freibetrag max. 250 €) miteinbezogen und zusammen mit Erwerbseinkommen bis 520 € anrechnungsfrei gestellt. (ebenda)
- Verlängerung des Anspruchs auf den erhöhten Freibetrag für U25jährige nach dem Ende einer Schulausbildung für drei Monate, um Übergangszeiten zu überbrücken. (ebenda)
- Bei Bürgergeldanträgen aufgrund eines in einem Monat erhöhten Bedarfs wegen Aufwendungen für Heizung - nur für einen Monat (unter Berücksichtigung ggf. vorhandenen Einkommens), ist wird der in der Karenzzeit oder danach bestehender umfassender Vermögensschutz nicht anerkannt. Vermutungsregelung, dass kein verwertbares Vermögen vorliegt, wenn dies im Antrag angegeben wird. (§ 12 Abs. 6 SGB II-E)
- Eine Reihe von Konkretisierungen und Anpassungen in den §§ 14, 15, 15a, 15b und 16k SGB II-E (Grundsatz des Förderns, Vertrauenszeit und Kooperationszeit, Vertrauenszeit, Schlichtungsverfahren und ganzheitliche Betreuung/Coaching)
- Die Förderfähigkeit der Einstiegsqualifizierungen mit dem Bürgergeldbonus wird gestrichen, weil der Grundfreibetrag von 520 € auch für Teilnehmende an Einstiegsqualifizierungen gilt (§ 16j SGB II-E).
- Verlängerung der Frist für den Beginn einer neuen Karenzzeit, von zwei auf drei Jahre ohne Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII (§ 12 Abs. 3, § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II-E).
- In der Karenzzeit gilt für die Heizkosten, dass bei Übernahme der Kosten für eine unangemessen große Wohnung die Quadratmeterzahl dieser Wohnung für die Prüfung der angemessenen Kosten der Heizung heranzuziehen ist. Dabei sind die Größe der bewohnten Wohnung, der maximal anzuerkennende Energiebedarf (Menge) nach dem jeweils zugrunde zu legenden Heizkostenspiegel und die aktuellen Energiekosten heranzuziehen. (§ 22 Abs. 1 S. 2 u. 3 SGB II-E; wobei im Gesetzestext nur das Wort „Heizung“ gestrichen und das o.g. Verfahren in der Gesetzesbegründung erläutert wird).
- Innerhalb der Karenzzeit werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn das Jobcenter die Anerkennung vorab zugesichert hat. (§ 22 Abs. 4 S. 2 SGB II-E).
- Klarstellung, dass in den Phasen der Kooperationszeit sanktioniert werden kann (§ 31 Abs. 3 SGB II-E).
- Wird ein SGB-II-Antrag für einen einzelnen Monat für die Übernahme von Nachzahlung von Heizkosten (nicht Betriebskosten) oder Aufwendungen der „angemessenen“ Beschaffung von Heizmitteln gestellt, „wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück“. Das gilt nur für Anträge, die im Jahr 2023 gestellt werden (§ 37 Abs. 2 S. 3 u. 4 SGB II-E).
- Minderjährigenhaftung wird nur bei Überschreitung des Schonvermögens i.H.v. 15.000 € vorgenommen. Damit dürfte das Thema in der praktischen Anwendung erledigt sein. (§ 40 Abs. 9 SGB II-E)
- Erstattungsansprüche nach § 50 SGB X werden bei Beendigung der Hilfebedürftigkeit mit 10 % des Regelbedarfs getilgt, wenn dadurch nicht erneut Hilfebedürftigkeit eintritt (§ 40 Abs. 10 SGB II-E).
- Darlehen nach § 42a werden statt mit 10 % nur noch mit 5 % des maßgebenden Regelbedarfs aufgerechnet. Mithin ist 5 % auch die Obergrenze bei mehreren Darlehen. (42a Abs. 2 S. 1 SGB II-E)
- Die 5% Aufrechnung gilt nicht, wenn bereits nach § 43 in Höhe von mehr als 20 %
Prozent des für die Darlehensnehmer maßgebenden Regelbedarfs aufgerechnet wird. D.h., die Obergrenze bei Darlehen und Aufrechnung vom Überzahlung liegt bei 25 %. (42a Abs. 4 S. 1 SGB II-E) - Übergangsregelung: Vorzug des Karenzeitanspruchs. Von der Karenzeitregelung profitieren auch Personen, die in der Zeit nach dem 31.12.2021 erstmals unter den Regelungen nach § 67 SGB II Leistungen nach dem SGB II unter „erleichterten“ Bedingungen bezogen haben. Sie können 2023 noch mindestens ein Jahr nach den neuen Karenzzeitregelung Leistungen beziehen. (§ 65 Abs. 3 SGB II-E)
- Übergangsregelung: Bis zum Ende Juni 2023 kann von den Jobcentern für den Begriff Bürgergeld auch der Begriff Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld verwendet werden. (§ 65 Abs. 9 SGB II-E; Bescheide, die den neuen Namen noch nicht enthalten, wären demnach nicht rechtswidrig).
SGB XII-E
- Einfügung eines „Härtefall“-Mehrbedarfs, soweit im Einzelfall ein einmaliger, unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht, wenn ein Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII ausnahmsweise nicht zumutbar oder möglich ist. Damit ist diese Lücke zum SGB II geschlossen, da ein laufender besonderer Bedarf systematisch noch immer über die abweichende Festlegung des Regelsatzes gedeckt werden kann. (§ 30 Abs. 9 SGB XII-E)
- Analog zum SGB II sind bei der Prüfung angemessener Heizkosten in der Karenzzeit bei der Übernahme der Kosten für eine unangemessen große Wohnung die Quadratmeterzahl dieser Wohnung für die Bemessung der angemessenen Kosten der Heizung heranzuziehen. Auch hier wurde nur das Wort „Heizung“ aus der Karenzzeitregelung gestrichen. (§ 35 Abs. 1 S. 2 u. 3 SGB XII-E)
- [Die Frist für den Beginn einer neuen Karenzzeit, war im SGB XII bereits im Regierungsentwurf vom 14.10.2022 auf drei Jahre ohne Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII festgelegt (§ 35 Abs. 1 S. 5 SGB XII-E).]
- 35a Abs. 2 SGB XII-E wird analog zum SGB II dahingehend ergänzt, dass nach einem Umzug innerhalb der Karenzzeit höhere, als die angemessenen KdU nur anerkannt werden, wenn der Sozialhilfeträger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Zudem ist die Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens mit monatlich 5 % des maßgeblichen Regelbedarfs als Soll-Regelung in neu den Abs. aufgenommen worden. (§ 35a Abs. 2 S. 4 u. 6 SGB XII-E; dies stellt deutliche eine Verschlechterung gegenüber der bestehenden Regelung dar, weil ein solches Darlehen nicht aufgerechnet werden kann und weil zudem im SGB XII keine der SGB-II-Regelung entsprechende Obergrenze für die Darlehensaufrechnung geschaffen wurde.)
- Einnahmen aus Erbschaften stellen kein Einkommen dar (§ 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 SGB XII-E)
- Übergangsregelung: Analog zum SGB II wird der Vorzug des Karenzeitanspruchs geregelt. So resultiert aus dem erstmaligen Leistungsbezug nach dem 31.12.2021 nach den Regelungen des § 141 Abs. 3 SGB XII ein Anspruch auf die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten ins Jahr 2023 hinein für mindestens ein Jahr. (§140 Abs. 3 SGB XII-E)
- Übergangsregelung: Mit dem darauffolgenden § 140 Abs. 4 SGB XII-E wird die Anwendung der Karenzzeitregelung auf erstmalige Leistungsbezugszeiten im Jahr 2022 jedoch ausgeschlossen, wenn „in einem der vorangegangenen Bewilligungszeiträume für die aktuell bewohnte Unterkunft die angemessenen und nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkannt wurden.“ (Hier will die Bundesregierung offensichtlich dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sozialämter die Corona-Sonderregelung des § 141 Abs. 3 SGB XII flächendeckend ignoriert und die KdU rechtswidrig auf die Angemessenheitsgrenzen gekürzt haben. In solchen Fällen sollte – vorbehaltlich des Inkrafttretens der Regelung – die Anwendung von § 44 SGB X in Betracht gezogen werden.)
Frank Jäger, Stand 12.11.2022