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Der Beschwerde-Bericht des Jobcenters Wuppertal ist wenig aussagekräftig
Das Jobcenter Wuppertal veröffentlicht seinen „Bericht zum Beschwerdemanagement 2024“ und signalisiert darin erneut wenig Bereitschaft, sich mit den konkreten Problemen und Erfahrungen der Menschen auseinanderzusetzen, die von ihrem Petitionsrecht Gebrauch machen.
Bereits im letzten Jahr hat Tacheles e.V. ausführlich dargestellt, wie durch statistische Methoden die Situation im Jobcenter Wuppertal durch den Beschwerde-Bericht falsch dargestellt und geschönt wird. Unsere Stellungnahme ist hier abrufbar.
„Ziel ist offensichtlich nicht die Probleme, Ängste und Nöte der Leistungsbeziehenden ernst zu nehmen und an Lösungen zu arbeiten, sondern ihre Probleme kleinzureden und nach außen einen reibungslosen und kundenfreundlichen Betrieb darzustellen, bei dem es nur in Ausnahmen zu Beschwerden kommt“, so Harald Thomé, Vorstand von Tacheles e.V.
Auch beim aktuellen Beschwerde-Bericht 2024 werden dieselben Techniken angewandt, um Probleme kleinzureden:
Nur Beschwerden, die schriftlich beim zentralen Beschwerdemanagement eingehen, werden erfasst. Gleichzeitig wird auf der Seite des Jobcenters dazu aufgefordert, Beschwerden nicht an diese Stelle, sondern an die jeweils zuständige Geschäftsstelle des Jobcenters zu richten. Die allermeisten Beschwerden werden auf diese Weise statistisch überhaupt nicht erfasst.
Um die Bedeutung der verbliebenen Beschwerden zu schmälern, werden diese durch das Jobcenter größtenteils als „unberechtigt“ abgewiesen. Im aktuellen Bericht sind das 80,2 % (!). Welche Kriterien bei der Bewertung als „berechtigt“ oder „unberechtigt“ angelegt werden und wie genau die Kategorisierung letztlich zustande kommt, wird nicht offengelegt.
„Leistungsbeziehende wenden sich regelmäßig in akuten Notlagen an die Beschwerdestelle des Jobcenters, zum Beispiel, weil sie durch lange Bearbeitungszeiten eines Antrags mittellos sind und kein Geld für Lebensmittel, Miete und Energiekosten haben oder in Fällen, in denen sie sich durch Angestellte des Jobcenters diskriminiert fühlen. Dass durch das Jobcenter letztendlich die Schuld an der Situation bei den Betroffenen gesucht und ihre Beschwerde als ‚unberechtigt‘ dargestellt wird, ist unseriös“, so Thomé.
Tacheles e.V. fordert weiterhin eine Reform der Beschwerdestrukturen, die Probleme der Beschwerdeführenden ernst nimmt, statt diese kleinzureden und die zum Ziel hat, Probleme und Missstände im Jobcenter zu erkennen und an diesen zu arbeiten.
„Wir halten es grundsätzlich für sinnvoll, externe Beschwerdestrukturen zu schaffen, die unabhängig prüfen und bewerten. Dies könnte z.B. durch eine städtische Ombudsstelle geschehen, wie sie auch vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. empfohlen wird[1]. Wir hoffen, dass hier durch die neue Geschäftsführung endlich ein Umdenken angestoßen wird und die bisherige Praxis ein Ende findet“, erklärt Harald Thomé.
Auch interessant ist: uns liegt der Bericht zum Beschwerdemanagement vom Jobcenter Ennepe-Ruhr-Kreis aus dem Jahr 2023 vor, diese haben bei rd. 1/3 so viel Leistungsbeziehenden 542 Beschwerden, das Jobcenter Wuppertal hatte bei fast dreimal so vielen Menschen "nur" 175 Beschwerden.
Hintergrund:
- Bericht des Jobcenters zum Beschwerdemanagement 2024
- Stellungnahme von Tacheles zum Beschwerdemanagementsbericht vom 25.02.2024
- Beschwerdemanagement Bericht Jobcenter Ennepe-Ruhr-Kreis 2023
[1] Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zum Beschwerdemanagement und Schlichtungsverfahren im SGB II; S. 11ff, abrufbar unter: https://www.deutscher-verein.de/de/uploads/empfehlungen-stellungnahmen/2023/dv-1-23_beschwerdemanagement_sgb_ii.pdf