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Eckpunkte-Papier zur Agenda 2010 - neue Leistungen Arbeitslosengeld I und II / Sozialhilfereform

BAG-SHI
Bundesarbeitsgemeinschaft
der Sozialhilfeinitiativen e.V.
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60329 Frankfurt am Main
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Frankfurt/Main, 23. Juli 2003




Eckpunkte-Papier zur Agenda 2010



neue Leistungen Arbeitslosengeld I und II / Sozialhilfereform



Dieser Eckpunktekatalog soll den Anstoß für eine breite Diskussion über die Ausgestaltung des neuen Leistungsrechts geben. Wir hoffen, dass dieses Angebot bereitwillig von der Politik, den zuständigen Ministerien sowie anderen Organisationen und Verbänden angenommen wird. Besonders von Betroffenenorganisationen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden erwarten wir, dass sie sich unserer Position anschließen, denn es geht uns vor allem darum, verbindliche materielle Mindeststandards in unserem System sozialer Leistungen zu verankern.

Vorbemerkung der Arbeitsgruppe 1:



Die Sozialreformen im Rahmen von Hartz 3+4 sowie der Agenda 2010 sehen harte Einschnitte im Bereich der Existenzsicherung und Massenarbeitslosigkeit vor insbesondere bedingt durch die ersatzlose Streichung der bisherigen Arbeitslosenhilfe (Alhi) ist zur Verhinderung der Verarmung von dauerhaft aus dem Erwerbsprozess ausgegliederten Personen ein problembewusstes Handeln erforderlich. Hierzu werden mit diesen Eckpunkten Vorschläge und Anregungen vorgelegt, die unseres Erachtens im Interesse einer sachgerechten Sozialstaatlichkeit unbedingt zu beachten sind.

Mit den Rahmenvorgaben entwickelt sich in der Existenzsicherung ein viergliedriges Hilfesystem. Hierbei wird die große Zahl der erwerbsfähigen Arbeitslosen mit ihren Haushaltsangehörigen in die Zuständigkeit der Arbeitsämter (Jobcenter) mit den Leistungen einer neuen Arbeitslosenunterstützung mit ALG I und II gefasst. Erwerbsunfähige Personen erhalten Leistungen nach dem erhält Grundsicherungsgesetz. Das Bundessozialhilfegesetz mit seiner Hilfe zum Lebensunterhalt damit die Chance, die ihm ursprünglich zugedachte Aufgabe wieder zu übernehmen: die menschenwürdige und bedarfsgerechte Existenzsicherung von Einzelfällen, die durch die Maschen der vorgeschalteten Sicherungssysteme fallen.

Dies wird möglich, weil das Massengeschäft in den vorgeschalteten Systemen ALG I + II sowie GSiG abgewickelt wird. Ein letztes Netz unter diesen Systemen ist aber im Sinne der Sozialstaatlichkeit unverzichtbar, da sonst große Teile der Bevölkerung in der Armutsfalle landen.

Die Leistungen von ALG II und GSiG basieren auf den Regelsätzen der Sozialhilfe. Nach über 10-jähriger Deckelung muss diese Grundlage eines Existenzminimums deshalb vor Inkrafttreten der neuen Leistungen neu bemessen werden. Unzureichende Regelsätze führen sonst zu einer Schieflage der gesamten Sozialreform und zur Ausgrenzung von Millionen Menschen. Eine hohe Verantwortung wird insbesondere den nunmehr über 1,5 Mio. Kindern und Jugendlichen in diesen Hilfebereichen geschuldet.

Die neue Leistung des ALG II betont nach den regierungsamtlichen Vorgaben einen Vorrang der Eingliederungsleistungen mit einer daraus folgenden Vereinfachung des Leistungsrechts inklusive einer weitgehenden Pauschalierung. Gleichermaßen soll eine menschenwürdige Lebensführung bedarfsgerecht mit dem soziokulturellen Existenzminimum gesichert werden. Weiterhin sollen die Hilfen weitgehend aus einer Hand erfolgen und große „Verschiebebahnhöfe" vermieden werden. Diese verschiedenen Ziele können nur gewährleistet werden, wenn die Leistungen nicht zu eng bemessen werden und für übersteigende Bedarfe, insbesondere solche, die nicht regelmäßig und typisch auftauchen, eine Öffnungsklausel auf weitergehende Leistungen im BSHG aufgenommen wird. Bei letzterem ist insbesondere zu denken an die Sicherung der Unterkunft (Mietrückstände...), Bestattungskosten u.a.m..

Bei der Bemessung der Leistung ist in besonderer Weise das Ziel einer raschen Vermittlung in den Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Dies setzt erhöhte Aufwände für Bewerbungen und eine Bewerbungsfähigkeit voraus (Zeitungen, Telefonate, Fahrtkosten, Kleidung, Friseur...). Weiterhin sollte die angestrebte Aktivierung einen Anreiz haben.

Zur weitgehenden Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums und Vermeidung regelmäßiger, ungedeckter Einzelbedarfe im Rahmen des BSHG ("Verschiebebahnhöfe") sind die jeweiligen Regelsätze mit einem Aufschlag von 10% abzupuffern. Arbeitssuchenden soll zur Arbeitssuche und als Anreiz zur Aktivität ein Mehrbedarf von weiteren 10% gewährt werden.

Zur Sicherung von Familien und ihrer Kinder insbesondere bei Billiglöhnen und Nebeneinkommen sind erhöhte Einkommensfreibeträge festzusetzen. Dem Armutsrisiko Kinder und dem demografischen Faktor ist gegen zu steuern. Der generelle Freibetrag eines Alleinstehenden von 165 € monatlich ist für jedes weitere Familienmitglied um 20% zu erhöhen. Kindergeld bleibt (wie in der bisherigen Alhi) grundsätzlich anrechnungsfrei.

Verbesserten Anreizen zur Erwerbstätigkeit stehen nach den regierungsamtlichen Vorgaben verschärfte Zumutbarkeitsregelungen und Sanktionen gegenüber. Kürzungen am soziokulturellen Existenzminimum verlangen dabei besondere soziale Verantwortung. In keinem Fall dürfen Menschen wegen Verstößen gegen die Mitwirkungspflicht zum Hungern oder unter die Brücken gezwungen werden. Sanktionen dürfen auch nicht gegen unbeteiligte Familienmitglieder gerichtet sein. In jedem Fall sind deshalb die Kosten der Unterkunft sicher zu stellen, zum Leben muss das absolut Unerlässliche bleiben. Kürzungen dürfen nicht den Lebensunterhalt von Haushaltsangehörigen gefährden. Wie bei allen sonstigen staatlichen Sanktionen und besonders in diesem sensiblen Bereich müssen Rechtsmittel aufschiebende Wirkung entfalten (in dubio pro reo).

Vorbemerkung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG-SHI e.V.)



Die BAG-SHI e.V. lehnt prinzipiell die Richtung ab, in die die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 weisen. Die „Reformen” führen zu einer weiteren Demontage der sozialen Sicherungssysteme und zur Privatisierung sozialer Risiken auf dem Rücken von Erwerbslosen und ihrer Familien. Die Herabsenkung von Lohnersatzleistungen und der Leitsatz der „Aktivierung”, der in der Praxis eine Erhöhung des materiellen Drucks auf Erwerbslose bedeutet, mit dem Ziel, jede Arbeit unter jeder Bedingung anzunehmen, lösen nicht das zugrundeliegende Problem. Mit solchen Mitteln kann das eklatante Missverhältnis von fehlenden Arbeitsplätzen und offenen Stellen keinesfalls beseitigt werden. Die Opfer der Misere werden nach dieser Logik lediglich zu Tätern umdefiniert. In Folge dieser „Reformpolitik” werden viele Menschen in die Armut gedrängt, und die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich wird weiter vorangetrieben.

Die BAG-SHI e.V. hat sich dennoch zu dem Schritt entschlossen, mit diesem Papier einen konkreten Diskussionsbeitrag in der Debatte um das laufende Gesetzgebungsverfahren zu leisten. Neben dem falschen Kurs den diese „Reformen” eingeschlagen haben, sehen wir die Gefahr, dass es bei der übereilten Umsetzung des 3. und 4. Hartzgesetzes ohne die Beteiligung von Betroffenenorganisationen, Wohlfahrtsverbänden etc. zu erheblichen „handwerklichen” Mängeln im Laufe des Gesetzgebungsverfahren kommen wird, was für die betroffenen Menschen fatale Folgen haben kann. Dabei böte die Novellierung eine Chance, Fehlentwicklungen und bestehende Mängel im Sinne der Betroffenen zu korrigieren. Die BAG-SHI e.V. möchte ihre Kompetenz als Betroffenenorganisation und ihre Nähe zu den Problemlagen der LeistungsbezieherInnen dafür einsetzen, um unverzichtbare Mindeststandards für soziale Sicherung im neuen Leistungssystem zu verankern.

Frankfurt/Main, 23.07.2003

I. Abschaffung der Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU)



1. Grundsätze
 
  1. Eine Abschaffung der HLU darf unter keinen Umständen erfolgen, da die Zielsetzung des BSHG in seiner heutigen Form sozialstaatliche Prinzipien für das unterste Netz der sozialen Sicherung definiert und damit zentrale Standards für die verschiedenen, der Sozialhilfe vorgelagerten Leistungssysteme setzt.
  2. Betonung der Sicherung der menschenwürdigen Existenz.
  3. Neufestsetzung der Regelsätze nach dem Statistikmodell und der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) vor der Umsetzung der neuen Leistung ALG II




II. ALG I - Bezugsdauer



1. Grundsätzlich: Beibehaltung der derzeitigen Regelungen
 
  1. Dauer des Anspruchs auf ALG I:
    ab dem 45. Lebensjahr steigt der Leistungsanspruch auf 18 Monate,
    ab dem 50. Lebensjahr steigt der Leistungsanspruch auf 21 Monate,
    ab dem 55. Lebensjahr steigt der Leistungsanspruch auf 24 Monate.

    Begründung:
    • Abfederung sozialer Härten
    • Wegen relativer Ferne vom Arbeitsmarkt bedarf es in der Regel einer längeren Zeit  zur Beschäftigungssuche

    Die Bereitschaft von Arbeitgebern zur Einstellung von ArbeitnehmerInnen geht gerade bei BewerberInnen über dem 45. Lebensjahr deutlich zurück. Gleichzeitig haben diese Personen überwiegend über lange Jahre hinweg auch Leistungen zur Sozialversicherung entrichtet und müssen deshalb wirksam vor einer Verarmung geschützt werden.

  2. Die Rahmenfrist, innerhalb derer die Anwartschaftszeit von 6 - 12 Monaten erbracht sein muss, hat unverändert 4 Jahre zu betragen. Daher ist die in dem Gesetzesentwurf „Entwurf eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt” vorgeschlagene Änderung von § 127 I Nr. 1 SGB III abzulehnen.

    Begründung:
    Der Verlauf der Erwerbstätigkeit wird in der Phase zunehmender Massenarbeitslosigkeit zunehmend lückenhaft, die Rahmenfrist darf deshalb in keinem Fall verkürzt werden




IlI. Die neue Sozialleistung ALG II



<><colgroup><col width="50" align="center" vAlign="baseline"><col></colgroup></>
1. Grundsätze
1.1Sicherung der menschenwürdigen Existenz (vgl. § 1 II 1 BSHG sowie §§ 1, 2 und 9 SGB I)
1.2Bedarfsdeckungsprinzip im Regelfall, mit Öffnungsklausel zu weitergehenden BSHG-Leistungen, insbesondere f. Leistungen nach § 15a BSHG, nicht pauschalierten einmaligen Leistungen, Besonderheiten des Einzelfallsu.a.(vgl. §§ 3 I 1, 22 I und 101 a Satz 3 BSHG)
1.3Wunsch- und Wahlrecht und Einzelfallgrundsatz (§§ 3 I 1/II und 22 I 2 BSHG)
1.4Rechtsanspruch auf ALG II - Leistung (in Anlehnung an § 4 I 1 BSHG)
1.5Einzelanspruchfür „jede erwerbsfähige Person zwischen 15 und 65 Jahren mit ihren Angehörigen, die kein ausreichendes Einkommen hat und sich nicht aus eigenen Mitteln und Kräften helfen kann. Erwerbsfähig sind alle Zielpersonen, die nicht dauernd oder nicht nur vorübergehend voll erwerbsgemindert im Sinne des Rentenrechts sind. " (Zitat in Anlehnung an die BMWA-Eckpunkte)
1.6 Die ALG II - Leistung ist antragsabhängig und über Bewilligungsabschnitte von jeweils einem halben Jahr zu leisten.
1.7Grundsatz der familiengerechten Hilfe (vgl. § 7 BSHG)
1.8Formen der Leistung: vorrangig Geldleistung, Sachleistung und persönliche Hilfe (vgl.  § 8 BSHG)
1.9Pflicht der Leistungsträger zur Zusammenarbeit (und kooperativen Partnerschaft) mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege und Vereinigungen von Sozialleistungsbeziehern mit dem Ziel der wirksamen Ergänzung untereinander, der Förderung der Belange von mittellosen Personen (analog § 114 BSHG), sowie der finanziellen Unterstützung freier Vereinigungen von Sozialleistungsempfängern (in Anlehnung an die § 10 BSHG und § 17 SGB I)
1.10Einbettung von ALG II in den Sozialleistungskatalog im zweiten Teil des SGB I, Anwendung von SGB I + SGB X bei der neuen Sozialleistung, sowie Einbettung von ALG II in den besonderen Teil des SGB I (§ 68 SGB I)
1.11Einordnung von ALG II in die Sozialgerichtsbarkeitszuständigkeit




<><colgroup><col width="50" align="center" vAlign="baseline"><col></colgroup></>
2. Leistungshöhe und -umfang / Übergangsregelungen
2.1
  1. Grundleistungen sollten in Form von Regelsätzen gezahlt werden nach Neufestsetzung durch ein umfassendes Statistikmodell u. einer EVS
  2. Zweijähriger Übergangszuschlag von ALG I nach ALG II in Höhe von 2/3 und 1/3 aus der Differenz der beiden Leistungsbeträge für die bisherigen LeistungsbezieherInen
2.2

Mehrbedarfe

  1. Allgem. Mehrbedarf in Höhe von 10% d. jew. Regelsatzes (RS) für alle Leistungsempfänger (Puffer zur Vermeidung von regelmäßig entstehenden BSHG-Bedarfen)
  2. Arbeitssuchenden-Mehrbedarf in Höhe v. 10% d. Regelsatzes  eines Haushaltsvorstandes (RS HV) (HV (f. notwendige Aufwendungen zur  Arbeitsplatzsuche, Zeitungen, Telefonate, Fahrkosten, Kleidung, Friseur u. Anreiz f. Aktivierung etc.)
  3. Alleinerziehenden-Mehrbedarf in Höhe von 40 % des RS HV für Alleinerziehende mit einem Kind unter 13 J., bzw. 2 Kindern unter 16 J. und 60 % für Alleinerziehende mit vier und mehr Kindern unter 16 J.
  4. Schwangeren-Mehrbedarf in Höhe von 20 % des RS HV für Schwangere mit Beginn der 13. Woche der Schwangerschaft und Ende des Monats der Entbindung
  5. Behinderten-Mehrbedarf in Höhe von 40 % des RS HV für behinderte Menschen, die Eingliederungshilfe erhalten (s.  § 23,  III BSHG)
  6. Mehrbedarf für über 18jährige, die voll erwerbsgemindert und behindert sind in Höhe von grundsätzlich 20 % des maßgebenden Regelsatzes
  7. Ehrenamts-Mehrbedarf in Höhe von 20 % des RS HV für Personen, die mehr als 10 Wochenstunden ehrenamtliche Tätigkeit in einem gemeinnützig anerkannten Verein oder Einrichtung leisten
  8. Kranken-Mehrbedarf für besonders schwer Erkrankte, Genesende, Behinderte oder von einer Krankheit oder einer Behinderung bedrohte Menschen (§ 23 IV BSHG) in angemessener Höhe
  9. Kulminierung der Mehrbedarfe — ist möglich, lediglich Mehrbedarfe, die auch die Gewährung einer Krankenkostzulage rechtfertigen,  dürfen insgesamt nicht höher als der RS eines HV sein.

Anmerkung zu 2.2. d, e, f und h: Diese Mehrbedarfe und insbesondere die Krankenmehrbedarfe sollten weiterhin über das BSHG geregelt werden, da diese auch die GSiG-LeistungsbezieherInnen betreffen. Sie müssen allerdings über ALGII geregelt werden, wenn das BSHG wegfällt.

2.3

Kosten der Unterkunft und Heizung

  1. Kosten der Unterkunft  und Heizkosten sind zunächst in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.
  2. Sollten diese unangemessen hoch sein und ist es der/dem Leistungsberechtigten (LB) zumutbar, diese zu senken, so hat der Sozial-leistungsträger die/den Leistungsberechtigte/n zur Senkung der entsprechenden Kosten schriftlich aufzufordern und dabei mindestens eine Frist von sechs Monaten  einzuräumen, sowie weitere Hilfen (die Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten) anzubieten und zu übernehmen.
    Ist dem Umzug und der Anmietung einer Wohnung durch den Leistungsträger zuvor zugestimmt worden, hat dieser in jedem Fall die mit der Wohnungsbeschaffung verbundenen Kosten zu tragen.
    (vgl. § 3 der RSVO)
  3. Bei vorrübergehenden Leistungsbezug bei Einelternfamilien oder in den ersten drei Jahren der Kindererziehung sind die tatsächlichen Unterkunftskosten ungeachtet der Maßgaben nach  2.3 b.  grundsätzlich jeweils für ein Dauer  von bis zu drei  Jahren zu übernehmen.
  4. Die angemessenen Unterkunftskosten sind immer zu übernehmen.
  5. Der Begriff „angemessene Unterkunftskosten” ist bei jedem Sozialleistungsträger mit Beteiligung der Mietervereine, der Vereinigungen von Betroffenen und sozial erfahrenen Personen (im Sinne von § 114 I BSHG) einmal jährlich festzusetzen. Dabei sind wissenschaftliche Festsetzungs­methoden anzuwenden und es ist die tatsächlich sich auf dem Wohnungs­markt darstellende Situation umfassend zu berücksichtigen.
2.4

Leistungen und weitergehende Pauschalierung

  1. Eine weitergehende Pauschalierung darf stets nur auf Basis der freien Entscheidung der/des einzelnen Leistungsberechtigten erfolgen.
  2. Miete,Betriebskosten, Heizkosten und sonstige notwendige Betriebskosten sind in jedem Fall aus der Pauschalierung herauszuhalten.
  3. Bei bestimmten Personengruppen, besonders solche mit besonderen sozialen Schwierigkeiten (wie nach § 72 BSHG) darf eine weitergehende  Pauschalierung grundsätzlich nicht praktiziert werden.
  4. Die Höhe der Pauschalen hat stets auf der Grundlage einer nach wissenschaftlichen Prinzipien durchgeführten und auch für die Leistungs-berechtigten nachvollziehbaren Bemessung festgelegt zu werden. Pauschalierte Bedarfe sind in einer abschließenden Positivliste mit den zugeordneten Teilbeträgen aufzuführen.
  5. Aus der Pauschalierung sind herauszunehmen: langlebige Bedarfsgüter mit einer Ansparzeit von mehr als fünf Jahren, Wohnungsbeschaffungskosten, die Grundausstattung an Mobiliar, Renovierungen mit einem größerem Kostenvolumen (zurzeit mindestens 300,- EUR), Elektrogroßgeräte, Klassenfahrten, besonderer Schulbedarf, Familienfeierlichkeiten und Bestattungskosten.
  6. Die Weihnachtsbeihilfe ist als Pauschalbetrag Ende November auszuzahlen.
  7. Individuelle Bedarfe, wie medizinische Fußpflege, Übergrößen  bei Bekleidung, Transportkosten zu Ärzten, entstehen dürfen nicht in die Pauschalierung aufgenommen werden.
  8. Aus der Pauschalierung auszunehmen sind Bedarfe im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft. In Fällen von nur vorrübergehendem Sozialleistungsbezug von voraussichtlich nicht mehr als sechs Monaten, ist eine Pauschalierung nicht zulässig.
  9. Trotz weitergehender Pauschalierung hat das Bedarfsdeckungsprinzip weiterhin volle Gültigkeit, die gewährten Pauschalen übersteigende  Bedarfe sind über das BSHG zu decken.
  10. Der Grundsatz der Gewährung von  Geld- vor Sachleistungen hat stets oberste Priorität.
2.5

Persönliche Hilfe, Beratung und Unterstützung

  1. Persönliche Hilfe, der Anspruch auf unabhängige Beratung und Unterstützung ist, unabhängig von Transferleistungen, eigenständiger und unabdingbarer Bestandteil der Leistung ALG II. Sie hat im Sinne der §§ 8, 10 BSHG und § 17 SGB I ausgestaltet zu werden.
  2. Jeder Leistungsberechtigte hat einen Rechtsanspruch auf eine unabhängige Beratung in sozialen Angelegenheiten, auf persönliche Hilfe und  Unterstützung.
  3. Personen, die nicht dem zuvor beschriebenen Personenkreis zuzuordnen sind oder aus sonstigen Gründen keinen Anspruch auf die Geldleistungen des ALG II haben, aber einen Bedarf an Beratung, persönlicher Hilfe und Unterstützung haben,  haben kostenfrei einen Rechtsanspruch auf persönliche Hilfe und Beratung/Unterstützung.
  4. Sollten behördliche und freie Beratungs- und Hilfeeinrichtungen unabhängig von einander bestehen, können die Betroffenen ein Wunsch- und Wahlrecht geltend machen. Eine Bevorzugung der unabhängigen Beratung, darf ihnen nicht zum Nachteil ausgelegt werden.
  5. Der Sozialleistungsträger hat hierbei vorrangig auf die Angebote der Träger der freien Wohlfahrtspflege und von Vereinigungen von Sozialleistungsbeziehern zu verweisen und mit diesen zusammenzuarbeiten. Hierbei hat der Sozialleistungsträger deren Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben umfassend zu berücksichtigen (vgl. §§ 8 II und 10 BSHG, sowie § 17 SGB I).
  6. Der Sozialleistungsträger hat bedarfsgerechte und geeignete Strukturen zur Verfügung zu stellen, sofern diese nicht von den in 2.5 e. genannten Gruppierungen und Organisationen bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden können.
  7. Die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und freier Träger soll darauf gerichtet sein, dass sich die Leistungen des ALG II und die Tätigkeit der freien Wohlfahrtspflege, sowie die Angebote von Vereinigungen von Sozialleistungsbeziehern stets zum Wohle des Hilfesuchenden wirksam ergänzen. Die für das ALG II zuständigen Leistungsträger haben die Träger und Verbände der freien Wohlfahrtspflege sowie Vereinigungen von Sozialleistungsbeziehern in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der sozialen Sicherung angemessen finanziell zu unterstützen.
  8. Die Sozialleistungsträger haben eine Grundfinanzierung der persönliche Hilfe leistenden Träger und der sonstigen Beratungs- und Unterstützung leistenden Träger sicherstellen. Auf jeden Fall sind daraus resultierende Kosten für die Betroffenen zu übernehmen, z.B. per Direktübernahme durch Bewilligungsschein oder über Einkommensbereinigung nach 3.5 b.
  9. Ist eine Rechtsvertretung und Beratung im Vorverfahren und in den Rechtsbereichen, in denen kein Anwaltszwang besteht, notwendig, haben entsprechende Einrichtungen Anspruch auf Kostenersatz für die Unterstützung bei der Rechtsverfolgung im Sinne von § 63 SGB X. Der Kostenersatzanspruch gilt auch für Fälle des Verbandklagerechts im Sinne von 8.2.
2.6

Wohnraumsicherung / Mietschuldenübernahme - Öffnungsklausel z. BSHG

  1. Übernahme von Mietschulden zur Sicherung der Unterkunft oder in vergleichbaren Notlagen (im Sinne von § 15 a BSHG) wird als absolut dringlich angesehen. Dies insbesondere auch deshalb, da es durch die im Zuge der Umsetzung der Agenda 2010 zu erwartenden Leistungseinschnitte mit massiven Problemen hinsichtlich der weiteren Erhaltung des Wohnraums von bedürftigen Menschen zu rechnen ist. Entscheidend ist hierbei, dass die Mitteilungspflichten der Gerichte hinsichtlich des Eingangs von Räumungsklagen wegen Mietrückständen weiterhin ungeschmälert bestehen bleibt (vgl. § 15a II BSHG).
  2. Deshalb sollte diese Sonderleistung zweckmäßigerweise (auch f. Fälle d. GSiG) im BSHG belassen und mit einer Öffnungsklausel darauf verwiesen werden.
2.7

Rückständige Energiekosten / Vergleichbare Notlagen im Zusammenhang mit der Sicherung des Wohnraumwechsel / Einbezug in die Öffnungs­klausel 2.6

  1. Unter „vergleichbaren Leistungen” werden in der Praxis überwiegend die Übernahme von Rückständen bei den Versorgungsunternehmern bezüglich der Kosten für Strom, Heizung, Wasser, Abwasser, Gas etc. verstanden. Es muss ein deutlicherer Anspruch auf Übernahme in das Gesetz aufgenommen werden.
  2. Es sollte in  diesem Zusammenhang  (ähnlich wie bei der Regelung hinsichtlich der Übernahme von Mietrückständen) eine verbindliche Mitteilungspflicht des jeweiligen Energieversorgers, mindestens zwei Wochen vor der Einstellung der Versorgung mit Strom/Wasser/Gas, dem zuständigen Sozialhilfeträger gegenüber in das Gesetz mit aufgenommen werden.
  3. Dieser solchermaßen deutlicher ausgestaltete Anspruch auf Übernahme entstandene Verbindlichkeiten muss aber noch weiter ausgelegt werden als bisher, insbesondere bei Haushalten mit Kindern und bei Personen die sich in Arbeit befinden oder bei denen eine Arbeitsaufnahme unmittelbar bevorsteht.
2.8

Hilfe in besonderen Lebenslagen (HbL)

Die Neugestaltung der HbL sollte im Zuge der gesonderten Aufnahme des BSHG in ein SGB XIII erfolgen.

2.9

Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten

Der § 72 BSHG muss in der Substanz erhalten bleiben. Es hat daher auch hier — wie in 2.8 skizziert — eine Neugestaltung in einem SGB XII zu erfolgen.

2.10

Kranken- und Pflegeversicherung

  1. Die von mittellosen zu entrichtenden Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung sind für Versicherte weiterhin zu übernehmen (wie bereits in § 13 BSHG vorgesehen).
  2. Personen, die kein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (mehr) sind und auch nicht die Voraussetzungen für eine (Wieder-) Aufnahme erfüllen, sollen als freiwilliges Mitglied bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden können.
  3. Personen, die nicht die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung erfüllen oder von dieser ausgeschlossen wurden und dies auch weiterhin bleiben, verfügen über einen Anspruch auf Leistungen der Krankenhilfe gemäß § 37 I BSHG.
2.11

Gesetzliche Rentenversicherung

Entsprechend der bisherigen Regelungen für Arbeitslose, die Leistungen der Arbeitslosenhilfe erhalten, sind auch für zum Bezug des ALG II Berechtigte vom zuständigen Sozialleistungsträger Pflichtbeiträge für die gesetzliche Rentenversicherung zu entrichten.





<><colgroup><col width="50" align="center" vAlign="baseline"><col></colgroup></>
3. Einkommen und Anrechnung
3.1

Grundsätze

  1. Nur zweckidentisches Einkommen darf angerechnet werden (ähnliche Abgrenzung wie in § 77 BSHG).
  2. Nur zeitraumidentische Leistungen dürfen als Einkommen angerechnet werden (keine Zuflusstheorie).
  3. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege oder sonstiger sozialer Einrichtungen (z.B. Kleiderkammern und Tafeln) haben in jedem Fall anrechnungsfrei zu bleiben(vgl. zu § 78 BSHG).
3.2

Erwerbseinkommen

Definition des Einkommens und der „Werbungskosten” im Sinne von § 76 BSHG und DVO. Diese Definition sollte unbedingt beibehalten werden.

3.3

Erwerbstätigenfreibetrag

  1. anrechnungsfreien Grundbetrag in Höhe von 56% d. RS HV (derzeit 165 EUR) eingeräumt.
  2. Für jeden weiteren Familienangehörigen und eheähnlichen Partner ist ein anrechnungsfreier Zuschlag von 20 % (Familienkomponente) zu berücksichtigen.
3.4

Absetzung der notwendigen Kosten der Erwerbstätigkeit

  1. Grunddefinition wie in § 76 I BSHG und der DVO zu § 76 BSHG
  2. Höhe der Fahrkosten. Ist die Nutzung eines Kfz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit notwendig (wie § 3 VI Ziff. 2 der VO zu § 76 BSHG), so sind hier Kosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendung (zurzeit mindestens 10,40 EUR) für jeden vollen zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte und sonstigen notwendigen Stellen (z.B. Fahrtkosten anlässlich notwendiger Kinderbetreuung) zurückgelegten Kilometer vom Einkommen abzusetzen.
  3. Keine KM-Begrenzung bei Fahrkosten, da die Zumutbarkeit im SGB III erheblich verschärft wurde.
  4. Kinderbetreuungskosten in Form der Aufwendungen für einen  Hort, eine Kindertagesstätte, Elternbeiträgen, Eigenanteilen, Vereinsbeiträgen oder sonstigen Kosten für Halb- und Ganztagsbetreuung sowie private Betreuungskosten sind einkommensbereinigend abzusetzen.
3.5

Sonstige Einkommensbereinigungen

  1. Vom Einkommen absetzbar sind notwendige Versicherungen, die allgemeine Risiken des Lebens absichern. Dazu zählen insbesondere die Hausrat-,  Haftpflicht und Glasversicherung, sowie  Unfall-, Lebens-  und Erwerbsunfähigkeitsversicherungen, ebenso private Zusatzkrankenversicherungen.
  2. Ebenfalls vom Einkommen absetzbar sind die für die Mitgliedschaft in Organisationen wie Gewerkschaften, Mietervereinen, Sozialverbänden und -einrichtungen sowie sonstigen Verbraucherschutzorganisationen fällig werdenden Beiträge.
  3. Ebenfalls vom Einkommen absetzbar sind Schuldentilgungen von bis zu 50,- EUR im Monat.
3.6

Voraussetzung und Höhe der Partnereinkommensanrechnung

  1. Eine auf Dauer angelegte eheähnliche Gemeinschaft mit einem gegenseitigen Einstehen in Notsituationen darf — wenn Einwände dagegen vorgebracht werden — erst nach über einem Jahr des Zusammenlebens angenommen werden. Vorher dürfen Partnereinkünfte keinesfalls angerechnet werden.
  2. Eine Anrechnung nach der vorab vertretenen Jahresfrist ist erst dann möglich, wenn eine Einstandsgemeinschaft besteht und tatsächlich Geldleistungen von dem einen Partner zum anderen fließen. Eine Einstandsgemeinschaft bei Zweckgemeinschaften (z.B. Wohnge­meinschaften) darf vom zuständigen Sozialleistungsträger grundsätzlich nicht von vornherein angenommen werden.
  3. Bei ehelichen oder eheähnlichen PartnernInnen ist ein Selbstbehalt in Höhe dessen eigenen ALG II- Bedarfes und bei Erwerbstätigkeit der entsprechende Erwerbstätigenfreibetrag n. 3.3 einzuräumen.
  4. Hierbei sind Schuld- und Unterhaltsverpflichtungen des eheähnlichen Partners umfassend zu berücksichtigen.
3.7

Einkommen minderjähriger Kinder

Einkommen minderjähriger Kinder im Haushalt des Leistungsberechtigten haben immer anrechnungsfrei zu bleiben.

3.8

Einkommen volljähriger Kinder

Einkommen volljähriger, im Haushalt der Eltern lebender Kinder darf erst ab einer Einkommenshöhe von zurzeit etwa monatlich EUR 1000,- (Bezug und Fortschreibung nach der „Düsseldorfer Tabelle”) angerechnet werden.

3.9

Anrechnung anderer Sozialleistungen

  1. Andere Sozialleistungen dürfen nur angerechnet werden, sofern sie zweckidentisch sind und auch für den gleichen Zeitraum gezahlt werden (siehe 3.1 a. und b.).
  2. Kindergeld hat grundsätzlich anrechnungsfrei zu bleiben.




<><colgroup><col width="50" align="center" vAlign="baseline"><col></colgroup></>
4. Vermögen
4.1

Schonvermögen

  1. Anwendung der jetzigen Vermögensregelung aus dem SGB III: Leistungsberechtigte haben ein Schonvermögen von mindestens 4100 EUR, ansonsten haben sie und deren Partner bis zum 49. Lebensjahr ein Schonvermögen von 200,- EUR pro Lebensjahr.
  2. Bei Leistungsempfänger und deren Partnern ab dem 50. Lebensjahr erhöht sich die Schongrenze auf 520,- EUR pro Lebensjahr
  3. Die Regelungen aus 4.1 a + b gilt auch für ehemalige BSHG-Leistungsempfänger.
  4. Für eheliche und eheähnliche Partner gilt die gleiche Regelung, bei eheähnlichen Partnerschaften müssen die Voraussetzungen von 3.6 a. und b. erfüllt sein.
4.2

Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen

Zusätzlich zum Katalog des § 1 Abs. 3 der AlhiVo 2003.

  1. Zur privaten Altervorsorge gebildetes Vermögen, das unabhängig von der Maßgaben des  § 1 Abs. 3 Nr. 3 der AlhiVo angelegt wurde, beispielsweise Lebensversicherungen, Bausparverträge, welches zur Altersvorsorge angeschafft wurde.
  2. Auf den Einsatz von Vermögen, dessen Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich, ist zu verzichten.
  3. Die aus § 88 II Nr. 4, 5, 6 BSHG hervorgehenden Definitionen zum geschützten Vermögen sind weiterhin zu berücksichtigen.

Es muss überdies eine Härteklausel im Sinne des § 88 III Sätze 1 und 2 BSHG eingebaut werden.

4.3

Vermögen von Kindern, Verwandten und Verschwägerten im Haushalt

  1. Vermögen von minderjährigen wie auch von volljährigen, im Haushalt lebenden Kindern, hat grundsätzlich anrechnungsfrei und besonders geschützt zu sein.
  2. Vorstehendes gilt auch für Vermögen von im Haushalt lebenden Verwandten und Verschwägerten.
4.4

Darlehensgewährung

Ist die Verwertung eines Vermögens nicht zumutbar oder aus sonstigen Gründen nicht möglich, sind Leistungen des  ALG II auf Darlehensbasis zu gewähren (vgl. § 89 BSHG).





<><colgroup><col width="50" align="center" vAlign="baseline"><col></colgroup></>
5. Unterhaltsrückgriff
5.1

Grundsätze

Es sollte grundsätzlich, wie bei den derzeitigen Arbeitslosenleistungen, kein Unterhaltsrückgriff auf Angehörige erfolgen. Bei Leistungen für minderjährige Kinder ist ein Unterhaltsrückgriff auf den Elternteil, in dessen Haushalt sich das Kind nicht befindet, zulässig.

5.2

Ausschluss von Unterhaltsrückgriff

Im Übrigen gilt nach wie vor nach den Regeln des Unterhaltsrechts, dass kein Unterhaltsrückgriff bei Personen und Familien zulässig ist:

  1. die ein Kind unter 12 Jahren im Haushalt haben,
  2. wenn bei einem unter 65 jährigen dauerhaft eine volle Erwerbsminderung vorliegt oder wenn das 65. Lebensjahr bereits vollendet ist und deshalb Leistungen nach dem GSiG oder ergänzende Hilfen nach dem ALG II bezogen werden,
  3. die kein ausreichendes Erwerbseinkommen haben und deswegen ergänzende Leistungen des ALG II erhalten,
  4. die eine gemeinnützige Arbeit im Sinne der §§ 18 ff. BSHG ausführen und
  5. die mehr als 10 Wochenstunden in ehrenamtlicher, gemeinnütziger Arbeit tätig sind und dementsprechend (s. 2.2 h) einen Mehrbedarfszuschlag bewilligt erhalten,
  6. die gemeinnützige Arbeit verrichten,
  7. bei denen die Leistung auf Darlehensbasis gewährt wird
  8. oder die überbrückende Hilfe erhalten.




<><colgroup><col width="50" align="center" vAlign="baseline"><col></colgroup></>
6. Schule, Ausbildung und Studium
6.1

Auszubildende, Studenten und Schüler, Alleinerziehende und Behinderte

  1. Auszubildende, Studenten und Schüler haben Anspruch auf Leistungen des ALG II, wenn sie mehr als 15 Wochenstunden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen können und wennihre sonstigen Einkünfte nicht ausreichen, ihren notwendigen Bedarf zu decken.
  2. In besonderen Härtefällen kann von den vorab unter a. beschriebenen Grundsätzen abgewichen werden.
  3. Jede Person, die kein ausreichendes Einkommen hat, verfügt aber auf jeden Fall, sofern die anspruchsbegründenden Voraussetzungen bestehen, einen Anspruch auf die oben unter 2.2 beschriebenen Mehrbe­darfszuschläge.
  4. Schwangeren oder Alleinerziehenden mit einem oder mehren Kindern unter zwölf Jahren, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, sind Leistungen des ALG II zu gewähren. Bei dieser Gruppe Bedürftiger ist von den unter a. beschriebenen Grundsätzen abzuweichen.
  5. Menschen, die sich in Ausbildung befinden, sind abweichend von den oben unter a. beschriebenen Grundsätzen im Bedarfsfall Leistungen des ALG II zu gewähren.
  6. Personen, die keine Möglichkeit hatten, finanzielle Ansparungen vorzunehmen und bei denen Leistungen nach dem BAföG / der BAB noch nicht bewilligt wurden, sind Leistungen des ALG II bis zur (Weiter-) Zahlung  von finanziellen Hilfen nach dem BAföG bzw. der BAB zu bewilligen.




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7. Erwerbsobliegenheit, Zumutbarkeit, Sanktionen und Hilfeplan
7.1

Erwerbsobliegenheit

Jede Person, die Leistungen des ALG II erhält, ist im Rahmen ihrer individuellen Fähigkeiten verpflichtet, eine ihr zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen, nachdem ihr die Leistung bewilligt worden ist.

7.2

Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit auf dem regulären Arbeitsmarkt

Zumutbar ist eine Erwerbstätigkeit nicht, wenn:

  1. der Leistungsberechtigte dazu körperlich und geistig nicht in der Lage ist,
  2. wenn ein Kind unter drei Jahren betreut werden muss,
  3. wenn ein oder mehrere Kinder im Alter zwischen drei und 10 Jahren betreut werden müssen und/oder die geordnete Betreuung oder Erziehung der Kinder nicht sichergestellt oder gefährdet ist,
  4. wenn dadurch die Ausübung der bisherigen überwiegenden Tätigkeit oder einer Tätigkeit, die der erworbenen Qualifikation entspricht, wesentlich erschwert würde. Für die bestehende Qualifikation besteht ein Schutz, so lange nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese noch eine berufliche Perspektive bietet,
  5. wenn ein Angehöriger oder eine Person im Rahmen von Nachbarschaftshilfe gepflegt werden muss,
  6. Eingliederungsmaßnahmen müssen Betroffenen berufliche Perspektiven eröffnen. So weit sie keine versicherungspflichtigen und entlohnten Beschäftigungsverhältnisse begründen bzw. in naher Zukunft darauf einen Rechtsanspruch eröffnen, erfordern sie die Freiwilligkeit,
  7. für Personen, die sich in Schulausbildung oder in Aus- und Weiterbildung befinden, besteht keine Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme. Eine Ausbildung und Weiterbildung ist vorrangig und daher immer als wichtiger Grund anzusehen. Dies gilt auch für Personen, die die Ausbildung vorübergehend wegen Krankheit oder sonstigen Problemen unterbrechen müssen. Im übrigen besteht keine Arbeitsverpflichtung für Auszubildende und Schüler in den Ferienzeiten,
  8. in jedem Fall sind eine Arbeit oder Arbeitsgelegenheiten unzumutbar, wenn diese gegen das Gesetz, Tarifvertrag, ortsübliche Arbeitsbedingungen, gute Sitten und Mindestarbeitsbedingungen verstößt, insbesondere, wenn kein existenzsichernder Lohn gezahlt wird,
  9. bestehen gewichtige Gründe, wie psychische Probleme und individuelle Einschränkungen, Probleme mit der geordneten Erziehung eines Kindes, Schulden-, Drogen- und Alkoholproblematiken sowie drohender Wohnraum- und Energieversorgungsverlust, die einer  Arbeitsaufnahme entgegenstehen können, so hat der Leistungsträger darauf hinzuwirken, dass zunächst diese Hinderungsgründe beseitigt werden. Dabei ist insbesondere auf das Beratungs- und Unterstützungsangebot unabhängiger Stellen in Sinne von 2.5 hinzuweisen und etwaige Kosten sind zu übernehmen.
  10. oder ein sonstiger gewichtiger Grund der Erwerbstätigkeit entgegensteht.

Im Falle von 7.2 c gilt folgendes zu berücksichtigen:

Der Träger hat die Berechtigten in diesem Fall zu unterstützen, geeignete Plätze zur Betreuung ihrer Kinder in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne des SGB VIII zu finden. Arbeit ist in diesem Zusammenhang nur soweit zumutbar, als die Lage der Arbeitszeit durch die Betreuungszeiten verlässlich abgedeckt ist und die Pflichten zur Haushaltsführung berücksichtigt werden.

7.3

Verfahren bei Sanktionen 2

  1. Bei einer nachhaltigen Weigerung eine zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen, kann die ALG II Leistung stufenweise in 25 %-Schritten in Bezug auf den Regelsatz und bis auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche zu reduziert werden. Hierüber ist die/der LB in jedem Fall vorher schriftlich zu belehren und anzuhören und es ist ihm vor Verhängung der Sanktion jeweils eine einwöchige Bedenkzeit einzuräumen. In jedem Fall sind die Unterkunfts- und Heizkosten, der Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeitrag, sowie Mehrbedarfszuschläge nach 2.2 und der Anspruch auf persönliche Hilfe Beratung und Unterstützung nach 2.5 weiter zu gewähren.
  2. Bei einer Einschränkung der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt ist eine Gefährdung des Lebensunterhalts von Familienangehörigen so weit wie möglich zu verhüten. (bei einer nachhaltigen Weigerung maximal 50 % des RS der/des LB),
  3. Rechtsmittel gegen Leistungseinschränkungen von mehr als 25 % des Regelsatzes haben aufschiebende Wirkung.
7.4

Hilfen zur Arbeit

  1. Eingliederungsmaßnahmen, Trainingsmaßnahmen, gemeinnützige Arbeit einschließlich der Arbeit in Personalserviceagenturen, müssen den Leistungsbeziehern eine berufliche Perspektive eröffnen. Die Bewilligung und Auszahlung von Leistungen nach ALG II darf nicht von einer Teilnahme daran abhängig gemacht werden. LB in den genannten Maßnahmen sind betriebliche Mitbestimmungsrechte zu gewähren.
  2. Die berufliche Perspektive muss sich in geeigneten Fällen aus einem Hilfeplan ergeben, der mit dem Hilfesuchenden zur Festlegung und Durchführung der einzelnen Maßnahmen zu erstellen ist. Dieser ist insbesondere dann notwendig, wenn ersönliche Vermittlungshemmnisse vorliegen. Bei der Erstellung sind außerdem Hilfesuchenden Beratungseinrichtungen seines Vertrauens zu beteiligen, wenn das von der/dem LB verlangt wird.
  3. Bei der Auswahl von Maßnahmen ist ein Wunsch- und Wahlrecht der/des LB zu beachten, soweit es nicht zu unvertretbaren Mehrkosten führt. Maßnahmen, die keine Anstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwarten lassen, etwa weil in diesem Bereich keine freien Stellen gemeldet sind, dürfen nur im Interesse und mit ausdrücklicher Zustimmung des Hilfeberechtigten angeboten werden.
  4. Maßnahmen die auf konkrete Ausbildung oder die Zertifizierung von verwertbaren Fähigkeiten abzielen, haben Vorrang vor allgemeinem Training der Arbeitsfähigkeit.
  5. Zeugnisse und Beurteilungen sind der/dem LB immer von amtswegen auszuhändigen. Darüber hinausgehende Hintergrundinformationen und -berichte über allgemeines Verhalten an den Träger sind unzulässig. Die/ der LB hat ein umfassendes Informations(-freiheits-)recht bezüglich der über ihn gespeicherten Daten.
  6. Arbeitsverträge mit klar umschriebenen Leistungsanforderungen haben Vorrang anderen Formen von Beschäftigung.
  7. Bei der Einrichtung von gemeinnütziger Arbeit (GZ-Arbeit) ist zu beachten, dass diese immer zusätzlich ist und in keinem Fall Arbeitsstellen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu gefährden. 
  8. Bei der GZ-Arbeit hat der Leistungsträger sicher zustellen, das geeignetes Betreuungs- und  Fachpersonal bei dem Maßnahmeträger vorhanden ist.
  9. Bei GZ-Arbeit ist eine Mehraufwandsentschädigung von mind. 2,50 EUR pro Stunde zu zahlen.
  10. Bei der GZ-Arbeit sind Fahrtkosten und Arbeitsmittel sind vom Leistungsträger vor Zuweisung zur Arbeitsstelle zu übernehmen.
  11. Die GZ-Arbeit darf nicht mehr als 20 Wochenstunden betragen.
  12. Bei der GZ-Arbeit haben die Maßnahmeträger die Erfordernisse von § 2 II SGB III zu beachten und zu erfüllen.
  13. Der Leistungsträger hat Arbeitsmaßnahmen für den zweiten Arbeitsmarkt zu schaffen, diese sollen Mindestlaufzeiten von 2 Jahren haben. Die Maßnahmen müssen einen hohen Qualifizierungsanteil enthalten und sollen der Förderung der sozialen Infrastruktur in den Städten und Kommunen dienen.
  14. Der Leistungsträger soll Lohnkostenzuschüsse und Eingliederungszuschüsse für Personen mit Vermittlungshemmnissen zahlen. Das dahingehende Instrumentarium im SGB III und BSHG gehört bedarfsgerecht ausgeweitet.




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8. Sonstiges
8.1

Beteiligung von sozialerfahrenen Personen

Vor dem Erlass von Verwaltungsvorschriften oder Durchführungsbestimmungen des jeweiligen Leistungsträgers sind sozialerfahrene Personen, besonders aus Vereinigungen, die Betroffene betreuen, oder aus Vereinigungen von SozialleistungsbezieherInnen darüber zu informieren und mit Stimmrecht zu beteiligen. (Bezug § 114 Abs. 1 BSHG) 

8.2

Verbandsklagerecht

Einführung eines eigenständigen Verbandklagerechtes, wie in § 63 SGB IX





Dieses Eckpunktepapier der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG-SHI e.V.) wurde von BAG-SHI MitarbeiterInnen in Zusammenarbeit mit Harald Thomé (Tacheles e.V., Wuppertal), Frieder Claus (Heimstatt Esslingen), Prof. Dr. Helga Spindler (GHS Essen) und Dr. Manfred Hammel (Caritasverband Stuttgart) formuliert.

Der Eckpunktekatalog soll den Anstoß für eine breite Diskussion über die Ausgestaltung des neuen Leistungsrechts geben. Wir hoffen, dass dieses Angebot bereitwillig von der Politik, den zuständigen Ministerien sowie anderen Organisationen und Verbänden angenommen wird. Besonders von Betroffenenorganisationen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden erwarten wir, dass sie sich unserer Position anschließen, denn es geht uns vor allem darum, verbindliche materielle Mindeststandards in unserem System sozialer Leistungen zu verankern.

Für Rückfragen und als ReferentInnen zu diesem Eckpunktepapier stehen zur Verfügung:



Erika Biehn
BAG-SHI
Moselstraße25
60329 Franfurt/Main
fon: 02941 - 7 89 30
bagshi.erika@web.de

Harald Thomé
Tacheles e.V.
Luisenstraße 100
42103 Wuppertal
fon: 0202 - 31 84 41
info@tacheles-sozialhilfe.de



Weitere Informationen


Wenn den Beitrag lieber offline lesen möchte kann ihn sich im PDF Format runterladen.
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2003/agendga2010_eckpunkte.pdf (160 kB PDF)

Die Entwürfe der Bundesregierung für die neue Leistung:
Hartz IV Gesetzesentwurf und Begründung / Stand 25. Juli 2003.
Hartz III Gesetzesentwurf und Begründung / Stand 24. Juli 2003

Aktuelle Gesetzesvorlagen zur Änderungen im BSHG und Umwandlung ins SGB XII.
Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch (440 kB PDF) / Stand 28. Juli 2003
Vor-Entwurf der Regelsatzverordnung u. Budgetverordnung (21 kB PDF) / Stand 21. Juli 2003

Kommentare zur Agenda 2010 von Johannes Steffen von der Arbeitnehmerkammer Bremen. Dieses Arbeitspapier der Arbeitnehmerkammer Bremen gibt einen sehr guten Überblick über die geplanten Reformen:
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2003/agendga_2010.pdf (51 kB PDF)

Fussnoten


[1] Dieses Eckpunktepapier der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG-SHI e.V.) wurde von BAG-SHI MitarbeiterInnen in Zusammenarbeit mit Harald Thomé (Tacheles e.V., Wuppertal), Frieder Claus (Heimstatt Esslingen), Prof. Dr. Helga Spindler (GHS Essen) und Dr. Manfred Hammel (Caritasverband Stuttgart) formuliert.

[2] Die BAG-SHI e.V. hat sich in einer Reihe von Stellungnahmen eindeutig für die generelle Freiwilligkeit der LB bei einer ihnen angebotenen Beschäftigung und gegen Sanktionen positioniert.

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