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Jobcenter Wuppertal hebelt Anspruch auf Schulcomputer aus - Leak legt rechtswidrige Verwaltungspraxis offen

Jobcenter Wuppertal trickst zum Nachteil Leistungsbeziehender

Offiziell begrüßt das Jobcenter Wuppertal die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit digitalen Endgeräten. Eine geleakte Dienstanweisung des Jobcenters, die Tacheles zugespielt wurde, belegt nun, dass die Behörde selbst die Hürden zum Erhalt eines Schulcomputers absichtlich hochgelegt hat. Nach Einschätzung des Jobcenters so hoch, dass Leistungsberechtigte den Anspruch wohl kaum werden durchsetzen können. Tacheles fordert das Jobcenter auf, diese Vorgaben zu lockern und betroffenen Kindern und Jugendlichen unverzüglich den Zugang zu digitalen Endgeräten zu ermöglichen.

Erst kürzlich erhielt der Verein Tacheles eine E-Mail der Jobcenter-Geschäftsführung, in der die offizielle Position bezüglich der Ausstattung von Schüler*innen mit digitalen Endgeräten mitgeteilt wurde. Sehr emphatisch wurde darin erklärt, dass die vergangenen Monate gezeigt hätten, dass eine Ausstattung mit Schulcomputern zur Teilnahme am Unterricht notwendig sei und alles dafür getan werden müsse, um diese Ansprüche zu realisieren. Man wolle daher einen rechtskräftigen Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) NRW vom 22. Mai 2020 umsetzen, nach dem die Anschaffungskosten für ein Tablet in Höhe von 150 € als „pandemiebedingter Mehrbedarf“ von Jobcentern zu übernehmen sind. Zudem werde die Ausstattung der Schüler*innen mit digitalen Endgeräten befürwortet, damit die Teilnahme am Unterricht sichergestellt werden könne. – Knapp ein Drittel der Wuppertaler Schülerinnen und Schüler leben in Haushalten, die Sozialleistungen beziehen.

Nun wurde bekannt, dass diese Haltung lediglich Fassade ist. Eine dem Verein Tacheles vorliegende geleakte interne Dienstanweisung des Wuppertaler Jobcenters dokumentiert, dass die erforderliche Schulbescheinigung über die Notwendigkeit der Anschaffung eines Computers vom Jobcenter so konzeptioniert wurde, dass „kaum eine Schule bescheinigen wird, dass nun noch zwingend ein digitales Endgerät benötigt wird“. Die Schule muss nämlich „zwingend“ bescheinigen, „dass zur Teilnahme am Unterricht zwingend ein internetfähiges digitales Endgerät zur Verfügung stehen muss.“ Weil eine Schule einen gesetzlichen Bildungsauftrag hat, wird sie eine solche Bescheinigung jedoch kaum ausstellen können.

„Mit diesem Trick offenbart das Jobcenter Wuppertal, dass es kein Interesse daran hat, bedürftigen Kindern und Jugendlichen eine Teilhabe am digitalen Unterricht zu ermöglichen, sondern bewusst Hürden schafft, die eine schulische und gesellschaftliche Teilhabe von Schüler*innen aus armen Familien erschweren“, so Harald Thomé vom Verein Tacheles. „Obwohl die Schulen über Monate geschlossen waren und der Unterricht oft auf E-Learning umgestellt wurde, wird die Notwendigkeit einer digitalen Ausstattung offensichtlich nicht ernst genommen. Schüler*innen, die zuhause nicht über einen Computer verfügen, haben meist sehr viel nachzuholen, um nicht komplett abgehängt zu werden. Hier geht es um Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendliche! Wie die Abrieglung verschiedener  Wuppertaler Schulen  gezeigt hat, kann es erneut zu pandemiebedingten Schulschließungen kommen. Daher benötigen Schülerinnen und Schüler die digitalen Endgeräte sofort und auch auf Dauer!“, so Thomé weiter.

Zudem geht aus der internen Weisung hervor, dass die Umsetzung des „Tablet-Urteils“ auch in anderer Beziehung nicht im Sinne der Betroffenen stattfinden soll. Bei bereits bewilligten Darlehen für Schulcomputer sollen diese nur auf Antrag in einen Zuschuss umgewandelt werden. Wenn das Jobcenter über die Möglichkeit der Umwandlung des Darlehns in einen Zuschuss jedoch nicht informiert, können Berechtigte keine entsprechenden Anträge stellen. Dabei müssen Änderungen zugunsten Leistungsberechtigter, wie die Entscheidung des Jobcenters für einen Schulcomputer 150 € zu zahlen, von Amts wegen umgesetzt werden. „Diese Umwandlung eines Darlehens in einen Zuschuss jetzt unter den Vorbehalt eines Antrages zu stellen, ist schlichtweg rechtswidrig“, bewertet Thomé vorliegende Weisung. „Selbstverständlich ist auch das Jobcenter Wuppertal verpflichtet, das Recht für alle Leistungsberechtigten gleichermaßen anzuwenden und Leistungsansprüche nicht mit juristischen Winkelzügen auszuschließen.“

Der Verein Tacheles fordert das Jobcenter auf, Zuschüsse für Schulcomputer niedrigschwellig umzusetzen. Wenn diese als notwendig erachtet werden, sind sie sofort zu bewilligen. Das LSG NRW hat in der rechtskräftigen Entscheidung vom 22. Mai 2020 deutlich diesen Weg gewiesen. Daran hat sich das Jobcenter Wuppertal zu halten, anstatt den Rechtsanspruch mit Verfahrenstricks auszuhebeln.

Hintergrund:

- Auszug aus Dienstanweisung JC Wuppertal
- E-Mail Schriftverkehr mit offizieller Position des JC Wuppertal
- Schulbescheinigung des JC Wuppertal


Harald Thomé, Frank Jäger
Tacheles - Online - Redaktion

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