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Kurzbewertung zum sog. „3. Entlastungspaket“ der Bundesregierung
Am 4. September 2022 hat die Bundesregierung ihr drittes von ihr genanntes „wuchtiges“ Entlastungspaket bekannt gegeben. Das Ganze wurde mit „You’ll never walk alone, wir werden niemanden alleine lassen“ verkauft. Mit diesem Entlastungspaket werden in erster Linie Fehler und Ungerechtigkeiten aus dem letzten Paket korrigiert, aber keine zusätzliche zielgerichteten Hilfen auf den Weg gebracht, die auch den Ärmsten in der Grundsicherung in diesem Herbst substantiell Unterstützung und Entlastung bringen würden.
Die angekündigten „zielgenauen“ Hilfen für Arme sind in dem Paket deutlich zu vermissen, das Paket ist in weiten Teilen so zu bewerten: Wer arm ist, wird und soll alleine gelassen werden.
Hier die Vereinbarung aus dem Koalitionsausschuss: https://t1p.de/pxg2u
und eine kompakte Zusammenfassung der Regelungen: https://t1p.de/bzn4r
Bewertung: Das 3. Entlastungspaket ist enttäuschend und entlastet die, die es am Nötigsten haben, nicht. So wird zum Beispiel die Kindergelderhöhung um 18 EUR bei den Sozialleistungsbeziehenden gar nicht ankommen, da Kindergeld dort voll als Einkommen angerechnet wird. Ein Ticket zum Preis von 49 – 69 EUR im Monat trifft auch in keiner Weise die Lebenssituation von einkommensschwachen Menschen. Im Regelsatz wurden lediglich 40,27 EUR für Aufwendungen im Bereich Verkehr veranschlagt. Eine Entlastung wäre es, wenn das Ticket 10 € kostet. Ein weiterer Schlag ins Gesicht ist, dass die Regelleistungen im SGB II/SGB XII auf „etwa“ 500 € angehoben werden sollen. Bei diesem Betrag handelt es sich grade mal um die Inflationsrate und somit die Umsetzung dessen, was laut Bundesverfassungsgericht zeitnah umgesetzt werden müsste:
„Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf reagieren […] der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten“ (Beschluss des BVerfG vom 23.07.2014 - 1 BvL10/12, Rn. 144).
Diese fällige Erhöhung in Höhe der Inflation hätte schon seit Langem erfolgen müssen! Es handelt sich hierbei definitiv nicht um die Überwindung von Harzt IV. Denn dass der Regelsatz schon seit Jahren nicht bedarfsdeckend war, ist allgemein bekannt. Auch der Punkt, dass die Umsatzsteuer für Bewirtungskosten in der Gastronomie wird weiterhin auf 7 % gesenkt bleibt, hat so gut, wie keine positiven Auswirkungen auf Sozialleistungsbeziehende, da es sich diese sowieso nicht erlauben können, in die Kneipe zu gehen. So ließe sich jeder einzelne Punkt des Pakets bearbeiten. Alle zentralen Forderungen, wie eine sachgerechte Regelleistungserhöhung, Stromkosten aus den Regelleistungen zu nehmen, oder ein Sofortzuschlag von mindestens 100 EUR im Monat sind nicht enthalten. Das bedeutet für Betroffene die Zementierung von Armut und ein „lebenslang“ in Armut. Mit der geplanten Beibehaltung von Sanktionen wird eben Hartz IV nicht überwunden.
Das Entlastungspaket verfestigt weiter soziale Ungerechtigkeit. Es ist wuchtig im, teilweisen sinnlosen, Geldverprassen, anstatt konkret notwendige Hilfen zu leisten. Genaugenommen ist es zum Teil ganz schön erbärmlich, denn ein Rentner mit 2500 EUR Rente braucht keinen Heizkostenzuschlag.
Ich kann dazu nur sagen: es ist die Zeit auf die Straße zu gehen, ganz klar NEIN zu sagen zu der Umverteilung von unten nach oben und für Menschenrecht und -würde einzutreten. Zum Menschenrecht gehört das Recht auf soziokulturelle Teilhabe. Wenn dies die Politik nicht interessiert, müssen wir dafür sorgen, dass es das tut. Aber nicht zusammen mit Rechten, Rassist*innen oder Antisemit*innen und Putinfans. Klare Abgrenzung ist hier gefordert!
Harald Thomé / Tacheles e.V.