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Offener Brief an den Wuppertaler Oberbürgermeister Schneidewind

Zum Hintergrund: Anfang Nov. hatte der Verein Tacheles eine Notruf an den neuen Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal geschickt, da die Kosten für Corona bedingte Umbauten in Höhe von 6.000 € für Tacheles nicht tragbar sind. Da sich Herr Schneidewind vor und nach seinem Amtsantritt dezidiert für ein soziales und anderes Wuppertal ausgesprochen hatte, hofften wir auf Hilfe von Seiten der Stadt. Leider wurde unser Notruf lapidar, mit dem Argument, dafür sei kein Geld da, abgelehnt.

Unser Notruf wurde von unserem neuen Oberbürgermeister an Herrn Kühn (Beigeordneter) und dann an Herrn Lehnen, den Sozialamtschef und zuständig für Sozialkoordination, weitergeleitet. Die Antwortmail ging in gleicher Reihenfolge im CC retour, bis zu Herrn Schneidewind. Im CC stand ebenfalls Jobcenterleiter Herr Lenz.

Daraus ergibt sich folgender Sachverhalt: unser Notruf wurde aus dem Dreieck Jobcenterleiter, Sozialamtsleiter und Sozialdezernent negativ entschieden, die Entscheidung lautet: für Tacheles gibt es kein Geld.  
Dieses Dreieck ist naturgemäß die denkbar falscheste Truppe, um über unseren Notruf zu entscheiden. Sind das doch diejenigen, die die Verantwortung tragen für das, was in den Wuppertaler Sozialbehörden schiefläuft und Tacheles immer wieder kritisiert und offen macht.
Das wollen wir so nicht hinnehmen, weshalb wir einen offenen Brief an Herrn Schneidewind mit unserer Wertung des Vorgangs geschrieben haben.
Herr Schneidewind formuliert auf seiner Dankesseite zur OB-Wahl folgendes: Vorstellung meines 100-Tage-Programmes „Aufbruch für Wuppertal“ statt ein „Weiter so“, er schreibt darin:

„Ich werde mich mit aller Kraft einsetzen, dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Lassen Sie uns nicht nur eine andere Form von Politik für Wuppertal auf den Weg bringen, sondern auch ein neues Zusammenwirken von Politik, Verwaltung und Bürgergesellschaft!“
Bereits vor Jahren wurde die finanzielle Unterstützung an den Verein Tacheles von Seiten der Stadt komplett gestrichen. Vor diesem Hintergrund ist die Ablehnung unseres Notrufes ein "Weiter so" also "das Alte", benutzt man die Worte von Herrn Schneidewind aus dem o.g. Zitat.
Wir nehmen Sie beim Wort Herr Schneidewind! Sie haben nun die Möglichkeit, dieses „Weiter so“ aufzubrechen.
Deswegen: sozial geht anders, ganz anders Herr Schneidewind.


Offener Brief an den Wuppertaler Oberbürgermeister Schneidewind


Herr Oberbürgermeister, sozial geht anders!
Unser Unterstützungsnotruf und das Abwimmeln der Sozialverwaltung  

Sehr geehrter Herr Schneidewind,
mit meiner E-Mail vom 5. November 2020 hatte ich Sie darum gebeten, den Verein Tacheles bei notwendigen Umbaumaßnahmen, zur Anschaffung von Raumlüftern und zur Einrichtung von Büroarbeitsplätzen mit 6.000 EUR zu unterstützen.
Zusätzliche durch die Corona-Pandemie bedingte Investitionen in dieser Größenordnung kann der Verein Tacheles, der sein soziales Angebot weitgehend ehrenamtlich sicherstellt, nicht schultern. Sie hatten darauf geantwortet, dass Sie um die Bedeutung der Arbeit von Tacheles wüssten und unsere Anfrage an den zuständigen Referenten Herrn Kühn weitergegeben haben.

An 27.11.2020 erhielt der Verein von Sozialamtsleiter Herrn Lehnen mit ein Antwortschreiben, woraus ich zitieren möchte: „Die Stadt Wuppertal und hier insbesondere das Jobcenter und das Sozialamt wissen, dass Sie Erhebliches leisten, damit Bürgerinnen und Bürgern die Ihnen zustehenden Leistungen erhalten und eine unabhängige Beratung erfolgt.
Es ist leider dennoch vor dem Hintergrund der angespannten städtischen Finanzen und auch der Gleichbehandlung der Institutionen, die Beratungstätigkeiten anbieten nicht möglich, Ihnen eine Unterstützung für das Vorhaben zu zahlen
“.

Einmal abgesehen davon, dass das Sozialamt und das Jobcenter Wuppertal den engagierten Menschen im Verein Tacheles die durch die Pandemie erschwerte Arbeit, sehr viel leichter hätte machen können, wenn beide Behörden entsprechende Anstrengungen unternommen hätten, den Behördenbetrieb vor Ort und den Zugang für Leistungsberechtigte unter Pandemiebedingungen gleichermaßen aufrechtzuerhalten, wie der Verein Tacheles sein Beratungsangebot. Im März und April dieses Jahres haben wir trotz Lockdowns weiterhin die gleiche Anzahl von Ratsuchenden telefonisch, per E-Mail oder postalisch beraten. Zudem waren wir für Notfälle vor Ort erreichbar, um unter Einhaltung von Hygienestandards Dokumente entgegenzunehmen und im Auftrag von Ratsuchenden Schreiben beweissicher an ebendiese Behörden zu faxen. Dagegen existierte auch im November 2020 in den genannten Behörden noch immer kein mit Hygienekonzept ausgestatteter regelmäßig geöffneter Eingangsbereich, in dem Leistungsberechtigte rechtssicher Dokumente einreichen oder in Notfällen Problemlagen im persönlichen Gespräch mit den Mitarbeiter*innen der Leistungsabteilung klären konnten.  
Ich habe Ihnen mit der Unterstützungsanfrage von Tacheles e.V. einen Hilferuf gesendet, weil wir einerseits als kleiner Verein die Corona-bedingten Mehrausgaben nicht stemmen können und andererseits die Sozialverwaltung der Stadt nach § 17 Abs. 3 SGB I verpflichtet ist, mit den Einrichtungen der Wohlfahrtspflege zusammenzuarbeiten und diese zu finanzieren. Der Verein Tacheles, der seit über 25 Jahren zur sozialen Infrastruktur der Stadt gehört, erhält jedoch seit vielen Jahren keinen einzigen Cent Zuschuss mehr von der Stadt Wuppertal. Von Ungleichbehandlung zugunsten von Tacheles kann hier also keine Rede sein. Vielmehr kommt die Stadt gegenüber dem Verein schon seit Jahren ihrem gesetzlichen Auftrag nicht mehr nach.
Die Antwort aus der Sozialverwaltung, es sei kein Geld da, ist uns zu billig. Die beschriebenen Investitionen sind notwendig für die soziale Infrastruktur und den sozialen Ausgleich in Wuppertal – gerade in Zeiten von Corona. Geld ist bei der Stadt Wuppertal durchaus vorhanden. Noch Anfang der Woche kam die Meldung in der WZ, dass die Stadt trotz Corona einen Überschuss in Höhe von 47,4 Millionen Euro habe. Offensichtlich war Herr Lehnen über diesen Sachverhalt nicht informiert.
Außerdem: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. So könnte die Stadt die benötigte Trennwand mit Hilfe des städtischen Gebäudemanagements selbst einziehen, einen Raumlüfter und funktionierende PC gibt es in der Stadtverwaltung gewiss. Gelder aus den städtischen Sozialfonds von verstorbenen Wuppertaler*innen ohne Erb*innen oder Mittel, die der Stadt von der Bethe-Stiftung zur Verfügung gestellt wurden, könnten ebenfalls zur Unterstützung des Vereins eingesetzt werden.

Herr Oberbürgermeister, Sie hatten sich auf die Fahnen geschrieben, für ein soziales Wuppertal einzutreten zu wollen. Wir nehmen Sie beim Wort! Setzen Sie sich bitte dafür ein, dass wir in dieser besonders schwierigen Zeit die erforderliche finanzielle Unterstützung bekommen. Wir haben unsere Arbeit sofort an die veränderte Situation angepasst und stellen ein unvermindertes Beratungsangebot sicher. Um unsere Ratsuchenden und unsere Mitarbeiter*innen zu schützen, benötigen wir das Geld.
Mit freundlichen Grüßen

Harald Thomé / Tacheles e.V.
Wuppertal, dem 5.12.2020

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