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Prozess wegen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz geht in die zweite Runde

Daraufhin wurden Dr. Hammel und die Caritas von der Anwaltskammer wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz anlässlich unerlaubter Rechtsberatung verklagt. Im März 2001 fand das erstinstanzliche Verfahren vor der Wirtschaftskammer des Landgerichts Stuttgart statt, welches mit einem für Dr. Hammel sehr positiven Urteil endete. Nach Auffassung des LG ist es durchaus mit dem Gesetz vereinbar, wenn die Caritas im Vorverfahren beratend tätig wird. Außerdem dürfe sie auch in gerichtlichen Eilverfahren tätig werden, wenn die Gefahr besteht, dass sonst eine Frist versäumt wird. Die Anwaltskammer will sich mit dem Urteil des Landgerichtes Stuttgart nicht zufrieden geben und strebt nun die gerichtliche Durchsetzung ihrer Vorstellungen vor dem OLG an. Dabei besteht hauptsächlich mit der Auffassung des LG, dass die freie Wohlfahrtspflege in einem bestimmten Rahmen rechtsberatend tätig werden darf keine Übereinstimmung. Sie will die Caritas und deren Mitarbeiter Dr. Hammel weiterhin mit Hilfe eines Gesetzes aus der Nazizeit, das damals der „Entjudung" der Anwaltschaft dienen sollte, kriminalisieren und beansprucht für sich das alleinige Recht, gerichtlich tätig zu werden. Dadurch gefährdet sie weiterhin nicht nur die Arbeit der Caritas Stuttgart, sondern die aller Einrichtungen, die sich um die Beratung sozial schwächer gestellter Menschen kümmern. Hierbei stellt sich die Frage nach dem Motiv der Anwaltskammer. In der Verhandlung vor dem LG kam der Vorschlag, die Caritas solle doch den Anwälten diejenigen Klienten schicken, welche Hilfe bei der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen brauchen. Für das Problem, dass fast alle Anwälte nicht für PKH arbeiten wollen, fand man von Seiten der Kammer auch gleich eine Lösung: Die Caritas solle doch zusätzlich zur PKH noch einen Stundensatz von 70 DM bezahlen, dann würde man sich schon einig werden können. Dies legt den Schluss nahe, dass die Anwaltskammer auf der Suche nach Klienten ist und deshalb diese ganze Inszenierung stattfindet. Da es bei diesem Verfahren um eine Grundsatzentscheidung geht ruft sowohl Tacheles e.V. als auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen dazu auf, Dr. Manfred Hammel durch zahlreiches Erscheinen bei der Verhandlung zu unterstützen. Die mündliche Berufungsverhandlung ist am 9. November um 14.00 Uhr, Im Justizgebäude Ulrichstraße 10, Saal 12 - U1 (Bitte Ausweise mitbringen, Gericht hat Ausweiskontrolle angekündigt!) Nach der Gerichtsverhandlung wird es noch ein Nachtreffen bei Café und Kuchen für die Prozessbesucher im Bischof-Moser-Haus, Wagnerstrasse 45, 70182 Stuttgart (Nähe U Bahnhof Rathaus), vom OLG ca. 10 Min. zu laufen, geben. Dazu ist ebenfalls die interessierte Öffentlichkeit eingeladen.



Hintergrundmaterialien:

Ergebnisprotokoll der Besprechung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtspflege und dem Bundesjustizministerium vom 24.02.1969

Rechtsgutachten des Deutschen Vereins zum Rechtsberatungsgesetz vom 17.09.1997

Rechtsgutachten von Prof.Dr.jur. Albrecht Brühl "Zur Frage der Rechtsbesorgung in Sozialhilfesachen durch Vereine" am Beispiel Tacheles in Wuppertal

Rechtsgutachten zu Dreieich / Verbot der Rechtsberatung - eine Geißel für Selbsthilfe? / (Eine sehr gute Abhandlung zum Rechtsberatungsgesetz, die trotz Erstellung im Juni 1988 immer noch aktuell ist)

Zur Person: Dr Manfred Hammel / Anwalt der Armen / Stuttgarter Zeitung v. 13.7.1998

Klageerwiederung zum laufenden Prozess

Gutachten zu den §§ 8 und 10 BSHG des Deutschen Vereins (27.03.2001)

Obdachlose, Sozialhilfeempfänger und Asylbewerber künftig Vogelfrei von Georg Classen Flütlingsrat Berlin (27.03.2001)

Erster Erfolg im Rechtsberatungsstreit Anwälte ziehen Klage teilweise zurück (02.04.2001)

Protokoll der Verhandlung am 29. März 2001

Stellungnahme der Lobby für Menschrechte zum Stuttgarter Verfahren





Weitere Hintergrund Informationen zum Rechtsberatungsgesetz:

DFG-VK, 4/3 - Fachzeitschrift zu Kriegsdienstverweigerung, Wehrdienst
und Zivildienst, Heft 2/2000, 'Rechtsberatungsgesetz von 1935 -
Instrument der Disziplinierung - Verfassungsbeschwerde gegen die
Personalisierung bürgergesellschaftlichen Engagements'. Zur
Verfassungsbeschwerde des Richters a.D. am OLG Braunschweig Helmut
Kramer, mit zahlreichen Links und Dokumenten zum Rechtsberatungsgesetz.
Im Volltext: http://www.dfg-vk.de/4_3/2000_2_a.htm

Heinhold, H., Asylrechtskundige Beratung durch Sozialarbeiter und
Ehrenamtliche - Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz? Broschüre,
Hrsg. PRO ASYL 1997. Überarbeitete Fassung in Zeitschrift für
Ausländerrecht (ZAR) 1997, 110ff. Im Volltext:
http://www.proasyl.de/lit/berat.htm

Kramer, H., Richter am OLG Braunschweig a.D., Verfassungsbeschwerde
gegen Verurteilung wg. Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz, online
unter http://www.proasyl.de/texte/mappe/2000/39.htm

Kramer, H., Die Entstehung des Rechtsberatungsgesetzes im NS-System und
sein Fortwirken, im Volltext: http://www.dfg-vk.de/4_3/2000_2_p.htm

Rasehorn, T., Vorsitzender Richter am OLG a.D., Bonn, Zur Personalisierung
der informellen Rechtsberatung durch das Rechtsberatungsgesetz, im
Volltext http://www.dfg-vk.de/4_3/2000_2_q.htm

Republikanischer Anwaltsverein, Das "Rechtsberatungsmonopol" der
deutschen RechtsanwältInnen, online unter http://www.rav.de/monopol.htm

Stenke, W. "Mißbrauch" auf dem Gebiet der Rechtsberatung, in Betrifft
JUSTIZ (Fachzeitschrift) 55/1998, 296, im Volltext: http://www.dfg-vk.de/4_3/2000_2_d.htm

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