Aktuelles Archiv
Rechtsvereinfachungsgesetz bzw. SGB II-Entrechtungsgesetz
wie bereits von Harald Thomé informiert, liegt nun der Referentenentwurf zur „Rechtsvereinfachung“ sprich Rechtsverschärfung SGB II unter http://www.harald-thome.de/media/files/151012_Referentenentwurf.pdf vor. Nach einem schnellen Querlesen hier vorab ein paar wichtige Aspekte:
1. Avisiert worden war eine Entschärfung der Sanktionen, insbesondere die Aufhebung der Diskriminierung von U 25 durch Sonderstrafen. Dieses Vorhaben wurde aufgegeben wegen des bayrischen Vetos von Horst Seehofer. Zum Glück sind schon zahlreiche Verfassungsbeschwerden anhängig.
2. Die tückische Angemessenheitsgrenze mit der „Bruttowarmmiete“ soll kommen. Entgegen des deutlichen Hinweises des BSG, dass es nicht möglich ist, die Energiepreise von morgen oder die Härte des nächsten Winters vorauszusehen, soll all dies nun prognostisch festgeschrieben werden. Dies ist eine mehr als zynische Antwort auf einen Wohnungsmarkt, der die Schwächeren zunehmend ausschließt.
3. Die Sonderstrafe einer Absenkung der Wohnkosten auf die alte Miete bei „nicht erforderlichem Umzug“, die im Spagat zwischen Mieterhöhungen und nicht dynamisierter und dauerhafter Absenkung in den Wohnungsverlust führt (siehe http://www.heimstatt-esslingen.de/data/files/143/_2), bleibt nicht nur erhalten, sondern das brutale System wird noch wasserdichter gemacht. Das bisher bestehende Schlupfloch, nachdem die Absenkung nur bei Anmietung einer angemessenen Wohnung griff, nicht aber, wenn z.B. wenige Euro über der Angemessenheitsgrenze angemietet wurde, wird auch geschlossen. Letztlich wird die Killerregelung nur noch schärfer gefasst.
4. Getrennt lebende Eltern, die die Kinder abwechselnd bei sich haben wollen (temporäre Bedarfsgemeinschaft), müssen in Zukunft nachweisen, dass diese Aufteilung „halbe halbe“ erfolgt. In der Praxis wird sich dies aber wegen der vorgegebenen Bindung an Kindergarten oder Schule kaum ausgewogen machen lassen. Der Elternteil, der weniger als 50% der Aufenthaltszeit bestreitet, bleibt in Zukunft unberücksichtigt. Eine private Aufteilung zwischen beiden Elternteilen wird in der Praxis wohl eher nicht gelingen, sei es wegen Trennungskonflikten, sei es wegen der Dürftigkeit und Unzulänglichkeit der Sätze. Letztlich verschärft man die Probleme von Trennungsfamilien, nicht zuletzt auf dem Rücken der Kinder.
Die Befürchtung, dass die „Rechtsvereinfachung“ ein weiterer Schritt in der systematischen Entrechtung von Hartz-IV-Empfänger wird, scheint sich zu bestätigen.
Eine tiefergehende Analyse des Referentenentwurfs folgt.
Ende der Bewertung von Frieder.
Material dazu:
- Referentenentwurf vom 12.10.2015
- Lesefassung mit ALG I-V
- Fachstellungnahme von Frieder Claus und Harald Thomé
- Bewertung von Bernd Eckhard in Sozialrecht Justament 6-2015
- Stellungnahme der BAGFW
- von Hartz.info
Hinweis: Von verschiedenen Seiten wird an einer Umfassenden Bewertung gearbeitet, diese wird sobald wie möglich kommen.
Hintergrundmaterialien zum Entstehen des "Rechtsvereinfachungsgesetzes"
- BMAS- Referentenentwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung / Stand: 12.10.2015
- Antwort der Bundesregierung auf Sachstandsanfrage zum "Rechtsvereinfachungsgesetz" 12.12.2014
- Deutscher Juristinnenbund warnt vor Kürzungen zu Lasten von Alleinerziehenden bei anstehender Reform des SGB II, PM v. 18.11.2014
- Vorschlag für ein Positionspapier aus der CDU/CSU-‐Bundestagsfraktion, AG Arbeit und Soziales "Arbeitsmarktpolitik 2020 – Schritt in die Zukunft"
- Unionspapier: "Chancen zur Integration von Langzeitarbeitslosen verbessern - Passiv-Aktiv-Transfer erproben" v. 31.10.2014
- Rechtsgutachten „Verfassungsfragen des Passiv-Aktiv-Transfers“ von Univ.-Prof. Dr. iur. Bernd J. Hartmann, LL.M v. 15. Sept. 2014
- BAGFW-Positionspapier zu den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des passiven Leistungsrechts - einschließlich des Verfahrensrechts - im SGB II (Rechtsvereinfachung im SGB II) v. 14. Okt. 2014
- Abschlussbericht der ASMK Arbeitsgruppe zu den „Rechtsvereinfachungen“ v. 12.09.2014
- BMAS-„Konzept zur Weiterentwicklung des Sanktionenrechts in der Grundsicherung für Arbeitssuchende" v. 10.09.2014
- Bewertung der gravierendsten Verschärfungen von Frieder Claus, Unabhängige Hartz-IV-Beratung im Landkreis Esslingen
- Bewertung des Grünen Sozialexperten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn zu den Rechtsvereinfachungen
- Geheimunterrichtung des BMAS an die Mitglieder der großen Koalition zu den Rechtsvereinfachungen am 10.09.2014
- Zeitablauf Plan der Bundesregierung zu den Rechtsvereinfachungen / "Neuntes SGB II-Änderungsgesetz"
- VAMV zu Position Nr. 23 "Temporäre Bedarfsgemeinschaft" v. 08.08.2014
- Fachpapier Rechtsvereinfachung SGB II, Bewertung der in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Rechtsvereinfachung im SGB II diskutierten Änderungsvorschläge, 20. Juli 2014
- Vorläufiger Endbericht der AG Rechtvereinfachung der ASMK Tagung v. 02.07.2014
- Stellungnahme vom DW und AWO zu den Rechtsvereinfachungen v. 30.06.2014
- Unterrichtung Des Bundestags zu den Rechtsvereinfachungen im SGB II vom 16. Juni 2014, Drs: 8(11)132
- Antwort auf Kleine Anfrage Drs: 18/1628 vom 04.06.2014
- Caritasverband positioniert sich zu den geplanten SGB II – Änderungen v. 20.03.2014
- Bewertung der Konsense aus der ASMK-Bund-Länder Arbeitsgruppe zu den "Rechtsvereinfachungen im SGB II" v. Harald Thomé 19.02.2014
- Prof. Anne Lenze zu den geplanten SGB II-Verschärfungen unter dem Begriff „Rechtsvereinfachung“, v. 19.02.2014
- Erweiterte Vorschläge der BA im Rahmen der „Rechtsvereinfachungen des SGB II“ v. 03.02.2014
- Papier des Bundesnetzwerk Jobcenter: Entwicklungsnotwendigkeiten der Jobcenter aus Sicht der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer - 2014
- "Rechtsvereinfachungen im SGB II" - Änderungswünsche der BA, 8. April 2013
- ASMK- Materialen zu SGB II - Rechtsvereinfachung v. 27.09.2013
- Antwort KA Freistaat Thüringen zu Rechtsvereinfachung v. 1.12.2013
- Thüringischer Landesdatenschutzbeauftragter zu Rechtsvereinfachung und JC Telefonlisten v. 16.01.2014
- Antwort Abgeordnetenhaus Berlin zu Rechtsvereinfachung v. 30.01.2014