Aktuelles Archiv

SB Berlin v. 22.03.05: stimmt Hygienepauschale in Höhe von 20, 45 EUR für HIV Erkrankten zu

Sozialgericht Berlin

Az.: S 49 SO 204/05 ER

Beschluss
In dem Verfahren

Prozessbevollmächtigter -Antragsteller-
Rechtsanwalt Andreas Staak,
Großbeerenstr. 24, 10963 Berlin,
Gz.: S7001 S05

gegen

das Land Berlin, - Antragsgegner-
vertreten durch d.
Bezirksamt Charlottenburg- Wilmersdorf
von Berlin

hat die 49. Kammer des Sozialgerichts Berlin am 22. März 2005 durch den Richter am Sozialgericht Rakebrand beschlossen:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 1. Januar 2005 bis zum 20. Juni 2005, längstens jedoch bis zur Bestandkraft einer ablehnenden Entscheidung, Sozialhilfe unter Annerkennung einer monatlichen Hygienepauschale in Höhe von 20, 45 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.

Die Kosten des Antragstellers werden vom Antragsgegner erstattet.

Gründe:

Der unter einer HIV- Infektion mit fortgeschrittenem Immundefekt leidende Antragsteller, der schon seit einigen Jahren Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht, hat mit dem am 10. Januar 2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten ursprünglich begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller- wie bis zum 31. Dezember 2004- monatlich einen Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung von 53, 69 EUR eine zusätzliche Energiepauschale von 52,50 EUR eine Beihilfe zur vorbeugenden Gesundheitshilfe von 70,20 EUR sowie eine Hygienepauschale von 20,45 EUR zu gewähren. Nachdem der Antragsgegner dem Begehren ganz überwiegend nachgekommen ist, beantragt der Antragsteller jetzt nur noch sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab dem 1. Januar 2005 Sozialhilfe unter Anerkennung einer monatlichen Hygienepauschale in Höhe von 20,45 EUR zu gewähren.

Dieser Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht ( §§ 86b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 2 ZPO). Insbesondere hat er auch hinsichtlich der Leistung für die Zeit vor dem Antragseingang bei Gericht einen konkreten Nachholbedarf glaubhaft gemacht.

Der Anordnungsanspruch folgt aus § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Zwar wird nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach § 30 SGB XII nach Regelsätzen erbracht. Auch § 30 SGB XII bietet keine Anspruchsgrundlage für die begehrte Hygienepauschale. Die Bedarfe werden aber nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII unter anderem dann abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Das ist vorliegend der Fall. Aus einem vorgelegten Attest der Fachärzte für Innere Medizin vom 4. Januar 2005 ergibt sich, dass der Antragsteller aufgrund seiner fortschreitenden Erkrankung, die mit Nachtschweiß, Hautausschlägen, Pilzbefall und Durchfällen einhergehe, einen besonderen Bedarf an Körperpflege- sowie Reinigungs- und Desinfektionsmitteln habe, wobei sich zugleich ein hoher Wasserverbrauch und ein hoher Wäscheverschleiß durch häufiges Waschen und Wechseln der Wäsche ergebe. Gleiches ergibt sich auch schon aus einer Stellungnahme des Gesundheitsamts vom 30. März 1999. Aus den Sozialhilfeakten, von denen nur die Bände II bis VI vorgelegen haben, ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner diesen Bedarf jedenfalls seit November 1998 dadurch Rechnu8ng getragen hat, dass er dem Antragsteller monatlich eine Hygienepauschale gewährt hat, zuletzt bis 31. Dezember 2004 in Höhe von 20,45 EUR. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich seither an dem Bedarf etwas geändert hat. Der Antragsgegner kann nicht einwenden, der Antragsteller müsse seinen Mehrbedarf seit der Neufassung des Sozialhilferechts zum 1. Januar 2005 aus dem nach der Verordnung zur Festsetzung der Regelsätze auf 345,- EUR erhöhten Regelsatz tragen.
Dagegen spricht nicht nur die Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, sondern auch die Erwägung, dass aus dem erhöhten Regelsatz jetzt die meisten einmaligen Aufwendungen zu tragen sind, die nach dem alten Recht als einmalige Leistungen zusätzlich zum Regelbetrag gewährt wurden.

Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass dem Antragsteller ausweislich der genannten ärztlichen Atteste bei fehlender Deckung des Hygienebedarfs eine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands droht.

Die zeitliche Begrenzung der Stattgabe beruht darauf, dass der einstweilige Rechtschutz nur der Behebung gegenwärtiger Notlagen dient, nicht aber der Regelung in der Zukunft liegender
Sachverhalte. Sofern allerdings der Antragsgegner bei unveränderter Sach- und Rechtslage die hier streitige Leistung erneut verweigert, hat der Antragsteller die Möglichkeit, nochmals die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu beantragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG, wobei zu berücksichtigen war, dass der Antragsteller mit seinem Begehren insgesamt im Wesentlichen Erfolg hatte.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 1 SGG die Beschwerde an das Landessozialgericht Berlin zulässig. Die Beschwerde ist nach § 173 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim

Sozialgericht Berlin
Invalidenstraße 52

10557 Berlin

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewährt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem

Landessozialgericht Berlin
Invalidenstraße 52

10557 Berlin

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Rakebrand
Richter am Sozialgericht

Zurück