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Sozialrechtliche Ansprüche für Hochwassergeschädigte nach dem SGB II/SGB III / SGB XII

Die Flut in Deutschlands Südosten hat Schäden in vielfacher Milliardenhöhe verursacht, bzw. richtet sie noch an. Ganze Städte und Landkreise sind unbewohnbar, viele Menschen stehen vor dem Nichts, Kleingewerbetreibende vor den Trümmern ihrer Existenz. Private Spenden werden bei Weitem nicht ausreichen, um die Schäden zu beheben und den Opfern eine Lebensgrundlage zu beschaffen. Insofern bestehen eine Reihe sozialrechtliche Hilfemöglichkeiten die wir hier kurz aufzeigen und die eine oder andere Erläuterung dazu bringen wollen.



Am 7.6. gab es unsererseits eine Anfrage an die Bundesagentur für Arbeit (BA) Zentrale, ob beabsichtigt ist, zum Thema Umgang Hochwasserhilfe und Sozialleistungen Dienstanweisungen rauszugeben, dieses wurde von dort definitiv verneint. Da offensichtlich kein ausreichendes Problembewußtsein bei der BA Spitze vorhanden ist, muß dies halt aus Beratungsstellensicht durchgeführt werden.

Diese Veröffentlichung richtet sich zunächst an zwei Zielgruppen:

  • Zunächst die Nichtleistungsbezieher, also Menschen die keinen laufenden Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) oder SGB XII (Sozialhilfe/Grundsicherung) erhalten, also die Arbeitnehmer, Niedriglöhner und sonst wie prekär beschäftigten Gewerbetreibenden, Rentner oder sonstigen Personen die Hochwasserschäden erlitten haben und wirtschaftlich nicht bestens gestellt sind.
  • An SGB II/SGB XII – Leistungsbezieher (Hartz IV) oder SGB XII (Sozialhilfe/Grundsicherung) also Personen, die von den entsprechenden Behörden existenzsicherende Leistungen erhalten.


A. Sozialleistungsansprüche für Nichtleistungsbezieher



1. Existenzsicherung bei fehlenden Löhnen



a. Kurzarbeitergeld für Betriebe mit Hochwasserschäden


Betriebe mit Angestellten, u.a. Hoteliers und Gastronomen, mit mind. einem Arbeitnehmer (§ 97 SGB BIII), deren Betriebe vom Hochwasser geflutet wurden, können für ihre Mitarbeiter Kurzarbeitergeld (KUG) beantragen. Damit kann der Verdienstausfall für die Angestellten ausgeglichen werden, wenn der Betrieb wegen Aufräumarbeiten nicht so schnell wieder öffnen kann.

Kurzarbeitergeld könne in Fällen des “erheblichen Arbeitsausfalls aus wirtschaftlichen Gründen” beantragt werden (§§ 95 bis 109 SGB III). Dazu zählten “unabwendbare Ereignisse” wie Hochwasser oder Überschwemmungsschäden oder dadurch bedingte Stornierungen von Buchungen (§ 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III), aber auch durch Behörden erzwungene Betriebsschließungen wie Umbauten für Brandschutz oder Grundreinigungen infolge von Hygienebeanstandungen. Auch Produktionsbetriebe, die von ihrem Zulieferer wegen des Hochwassers kein Material erhalten, können Kurzarbeitergeld beantragen. Dies gilt genauso im umgekehrten Fall, nämlich wenn ein Zulieferer seine Waren nicht an seinen Abnehmer übergeben kann, weil dieser vom Hochwasser betroffen ist. Kurzarbeitergeld muß vom Betrieb beantragen werden, die mindestens einen Angestellten beschäftigen, mindestens ein Drittel der Angestellten vom Arbeitsausfall betroffen sind, und die Betroffenen mindestens einen Verdienstausfall in Höhe von minus 10 Prozent zu verkraften haben. Außerdem müßten Überstunden zuvor teilweise abgebaut und Resturlaub genommen werden.

Hier ist eine baldige Beantragung ratsam.

Nähere Infos dazu:



2. Hartz IV-Leistungen zur Existenzsicherung bei ausbleibenden Löhnen, spät gezahltem KUG



Grundsätzlich hat jeder dessen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem in dem jeweiligen Monat zufließenden Einkommen oder mit dem zu berücksichtigenden Vermögen nicht sicherstellen kann einen Rechtsanspruch auf SGB II / Hartz IV- Leistungen. Maßgeblich ist dabei nicht, ob irgendwann mal Lohn oder KUG gezahlt wird, sondern ob diese in diesem Monat zufließen.

Vorraussetzung für Hartz IV- Leistungen sind,

  • gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland
  • medizinische Arbeitsfähigkeit
  • kein Ausschlusstatbestand
  • Vermögen nur innerhalb der Schonvermögensgrenzen (mind. 3.100 € für Erwachsenen und Partner, bzw. Lebensalter x 150 € für Alleinstehenden und Partner zzgl. für jede Person 750 €), jedes mind. Kind max. 3.850 € )
  • Kfz ist im Wert von bis 7.500 € pro Person ab 15 j. im Haushalt geschont


Das bedeutet, ist zu erwarten, daß der Arbeitgeber diesen Monat keinen Lohn zahlt oder die statt dessen KUG-Bewilligung durch die BA noch dauert oder das bei Kleingewerbetreibenden kein Einkommen voraussichtlich erzielt werden wird, können oder sollten Hartz-Leistungen beantragt werden. Dies möglich rechtzeitig, ein solcher Antrag kann im Zweifel auch wieder zurückgezogen werden (§ 46 Abs. 1 SGB I). Ein Hartz IV-Antrag muss bis spätestens bis Monatsende gestellt sein, dann wirkt er auf den ersten des jeweiligen Monats zurück (§ 37 Abs. 2 S. 2 SGB I). Hartz IV- ist Existenzsicherung auf untersten Niveau, aber es ist eine Existenzsicherung und beinhaltet neben Leistungen zum Leben (Regelleistungen), Miete/Kosten für Eigentum, Mehrbedarfe in besonderen Fällen (Alleinerziehung, Schwangerschaft, Krankenkost und bei besonderen Bedarfen ...) auch die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse bzw. Kosten für die private Krankenkasse.

Hartz IV-Leistungen sind je nach Bedarfslage unverzüglich zu erbringen, im Zweifelsfall bei akuter Mittellosigkeit ist ein Vorschussantrag zu stellen, diesem ist spätestens nach einem Monat stattzugeben, im Akutfall auch deutlich vorher (§ 42 Abs. 1 S. 2 SGB I).

Der Antrag auf Hartz IV soll beim zuständigen Leistungsträger (Jobcenter) gestellt werden, hat dies aber beispielsweise wegen Überflutung geschlossen, kann er auch bei jedem anderen Sozialleistungsträger Sozialamt, Rentenversicherung, Krankenkasse) oder bei kommunalen Verwaltungen (Gemeindebüro) gestellt werden und gilt somit als gestellt und ist von diesen unverzüglich an die zuständige Stelle/Jobcenter (JC) weiterzuleiten (§ 16 Abs. 2 SGB I).

Wenn ein Anspruch gegen Dritte besteht und akute Hilfsbedürftigkeit vorliegt, hat das Jobcenter vorzuleisten und soll sich dann im Rahmen eines Erstattungsanspruchs die Leistungen von dem dann zuständigen Leistungsträger – z.B. BA für KUG – wiederholen (§ 104 SGB X).

Zuständig ist immer das Jobcenter am Wohnort des Antragstellers, ist dieser vorrübergehend bei Dritten untergebracht, ist trotzdem das JC des eigentlichen Wohnorts zuständig, (§ 36 SGB II).

Nähere Infos:




3. Besteht wegen Vermögen kein Anspruch auf Hartz IV, dann kann auch Wohngeld beantragt werden



Besteht wegen Vermögen kein Anspruch auf SGB II/Hartz IV- Leistungen (“also nicht arm genug im Sinne von Hartz IV”) und reduzieren sich die Einkünfte weil beispielsweise KUG bezogen wird besteht vermutlich ein Anspruch auf Wohngeld , bei Wohngeld wird keine Bedürftigkeitsprüfung in Bezug auf Vermögen durchgeführt. Also wer noch was Geld auf der Kante hat, könnte Wohngeld beantragen. Hier wirkt der Antrag auch wieder auf den Monatsersten zurück. Ein abgelehnter Hartz-Antrag kann über § 28 SGB X nachträglich als Wohngeldantrag umgedeutet werden.

Nähere Infos:




4. Hausratsausstattungsbedarfe nach dem SGB II / Hartz IV



Hochwassergeschädigte Haushalte die zwar eine Hausratversicherung haben, aber keine spezielle Elementarversicherung für Hausrat werden in einer Reihe von Fällen keinen Anspruch gegenüber der Versicherung haben, siehe dazu http://www.rbb-online.de/nachrichten/wirtschaft/2013_06/Hochwasserschaeden_Versicherungen.html

In diesen Fällen, sofern die Vermögenshöchstgrenzen des SGB II nicht überschritten sind (§ 12 Abs. 2 SGB II ( siehe Nr. 2)., können Hausratserstausstattungen beim zuständigen Jobcenter beantragt werden http://www.hartz-iv.info/was-zaehlt-als-vermoegen.html#grundfreibetrag

Das SGB II sieht vor, daß diese “Erstausstattungsbedarfe” auch für Personen gezahlt werden können, die nicht im laufenden Leistungsbezug sind (§ 24 Abs. 3 S. 3 SGB II). In diesen Fällen kann das Einkommen berücksichtigt werden, welches in den nächsten sechs Monaten erzielt wird (§ 24 Abs. 3 S. 4 SGB II). Kann heißt nicht muß, hier ist von den Jobcentern zu fordern, daß sie kulant mit dieser Regelungslage umgehen und sagen, vor dem Hintergrund der Katastrophe wird die “Kann – Entscheidung” so angewendet, das generell von der Berücksichtigung von Einkommen in den nächsten sechs Monaten verzichtet wird.

Die Hausratshilfen im SGB II sind nicht grade üppig, für eine Person bewegen sie sich zwischen 800 EUR bis 2.000 EUR als Komplettausstattung, die dann entsprechend für weitere Personen aufgestockt werde.

Nähere Infos:




5. Hausratsausstattungsbedarfe nach dem SGB X II // Altersrentner mit geringer Rente



Das SGB XII sieht für Personen, die keine laufenden Leistungen nach dem SGB XII erhalten eine analoge Regelung vor, auch hier können für Personen die nicht im Leistungsbezug sind Hausratsgegenstände bewilligt werden, wenn diese nicht aus eigenen Mitteln beschafft werden können (§ 31 Abs. 2 S. 1 SGB XII). Auch in diesen Fällen kann überschüssiges Einkommen berücksichtigt werden (§ 31 Abs. 2 S. 1 SGB XII). Kann heißt nicht muß, vor dem Hintergrund der Katastrophe wird Kann regelmäßig, “kann doch nicht” auszulegen seien. Allerdings sind hier andere Vermögensbeträge als bei Hartz IV zu berücksichtigen. So 2.600 € für über 60-Jährige (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b)-V zu § 90 SGB XII), zzgl. 614 € für Ehegatten, zzgl. 256 € jede weitere Person (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 b) - V zu § 90 SGB XII. Allerdings ist beim Vermögenseinsatz eine “besondere Notlage” zu berücksichtigen. Hier wäre der Standpunkt zu vertreten, daß Hochwasseropfer wegen des Umfangs des Schadens sich immer in einer besonderen Notlage befinden, weswegen vom Vermögenseinsatz im SGB XII bei Niedrigvermögenden generell Abstand zu nehmen ist.

6. Instandsetzungskosten der Wohnung SGB II



Das SGB II sieht vor, daß Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Zu den Unterkunftskosten gehören alle laufenden und einmaligen Bedarfe für eine Unterkunft, welche anläßlich der Nutzung einer Unterkunft anfallen oder vertraglich geschuldet werden (LPK SGB II, 2. Aufl., § 22 Rz 14). Das beinhaltet logischerweise auch Instandsetzungskosten.

Die Instandsetzungskosten der Wohnung sind, sofern sie nicht vom Vermieter oder einer Versicherung getragen werden, vom Jobcenter als Unterkunftskosten zu zahlen (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Dazu gehören z. B. Austrocknungskosten, sofern sie nicht vom Vermieter zu tragen sind, Mietkosten für technisches Gerät, Transportkosten für technisches Gerät, Stromkosten (Zählerstand notieren und Stromverbrauch dokumentieren!), neuer Fußbodenbelag, Material zum Neuverputz der Wände, gegen Aufblühen, Tapeten, Aufarbeiten von aufgequollenen Türen, Türzargen, Tapezieren und Streichen, sowie Helferkosten.

Diese Kosten sind als den sozialrechtlichen Bedarf erhöhende Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe im Monat der Fälligkeit bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Durch die Berücksichtigung dieser Kosten könnten eine Reihe von Menschen, die sonst keinen Hartz- IV-Anspruch haben, aufstockende Leistungen vom Jobcenter erhalten.

Das gleiche gilt entsprechend im SGB XII, dort § 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII.

Klar ist in beiden Rechtsgebieten, daß nur Leistungen unter den Voraussetzungen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit übernommen werden, das bedeutet, Kosten für Firmen im Regelfall nicht.

7. Umzugskosten im SGB II



Ist ein Umzug wegen Unbewohnbarkeit der Wohnung erforderlich, können vom Jobcenter dahingehende Kosten übernommen werden. Übernahmefähige Kosten sind:

Wohnungsbeschaffungskosten (Genossenschaftsanteile, ggf. Maklerkosten), Umzugskosten und Kaution (§ 22 Abs. 6 SGB II). Die Kaution soll auf Darlehensbasis gewährt werden (§ 22 Abs. 6 S. 3 SGB II), soll meint im Regelfall, im Ausnahmefall, beispielsweise bei Hochwasseropfern könnte von der Regel auch abgewichen werden.

Voraussetzung für die Übernahme ist normalerweise das Vorliegen eines Umzugsgrundes, die sozialrechtliche Angemessenheit der neuen Wohnung und die vorherige JC-Zustimmung zur Anmietung der Wohnung. Vor dem Hintergrund der Katastrophe könnten hier für Flutopfer die Jobcenter von den Regeln abweichen.

Für das SGB XII gelten ähnliche Regeln, hier ist § 35 Abs. 2 S. 5 SGB XII maßgeblich.

Nähere Infos:




8. SGB II – Leistungen für Auszubildende



Vom Grundsatz her sind Auszubildende vom SGB II ausgeschlossen, insofern sie eine im Grunde nach BAföG oder BAB förderungsfähige Ausbildung durchführen. Dieser Ausschluss bezieht sich zunächst auch auf den Bereich der Wohnungs- und Hausratskosten (§ 7 Abs. 5 SGB II). In besonderen Härtefällen können diese Lebensunterhaltsleistungen doch gewährt werden. In diesem Fall ist aber nur eine Darlehnsgewährung vorgesehen (§ 27 Abs. 4 S. 1 SGB II). Hochwasser bedingte Bedarfe dürften als ein solcher besonderer Härtefall anzusehen sein. Da hier die Auszubildenden keinerlei Verschulden trifft und das Gesetz ausschließlich die Darlehensgewährung vorsieht, kann das Jobcenter das zu gewährende Darlehen wegen “besonderer Härte” gleich wieder nach § 44 SGB II erlassen. Das wäre dann ein “Nulldarlehen”. Die Nulldarlehen - Variante dürfte die einzig sinnvolle Umgehensform mit hochwasserbetroffenen Auszubildenden sein.

IB. Sozialleistungsansprüche für SGB II / SGB XII Leistungsbezieher



9. Anrechnung von Hochwasserhilfe im SGB II / SGB XII



Hochwasserhilfen nach Landesrecht sind privilegiertes, zweckbestimmtes Einkommen und dürfen im SGB II/SGB XII - Bezug nicht angerechnet werden. Dies erklärte die BA mit einer Pressemitteilung vom 6. Juni 2013 und dies ergibt sich aus der Zweckbindung der jeweiligen Erlasse und daraus, dass es auf die Gelder jeweils keinen Rechtsanspruch gibt.

Einzelne Erlasse der Länder:


  1. Erlass Sachsen
    Im Erlass des Staatsministeriums Sachsen vom 5. Juni 2013 ist wird die Anrechnungsfreiheit im SGB II/SGB XII bestimmt (Ziff. 3.3)
  2. Erlass Bayern
    Dem bayrischen Erlass (Härtefonds Finanzhilfen – HF) ist zu entnehmen, dass dessen Zweckbindung die “finanzielle Hilfe bei Notständen durch Elementarereignisse zur Milderung außergewöhnlicher Notstände infolge von Hochwasser, Unwetter oder sonstigen Elementarereignissen,” (1.1) sei und es besteht darauf kein Rechtsanspruch. Das Verhältnis zu anderen Sozialleistungen ist darin nicht geregelt. Die Anrechnungsfreiheit ergibt sich aus der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung § 11a Abs. 3 SGB II und daraus, das es darauf keinen Rechtsanspruch gibt und es daher eine Zuwendung Dritter ohne rechtliche, sittliche Pflicht handelt die wiederum anrechnungsfrei ist (§ 11a Abs. 5 SGB II).
  3. Erlass Thüringen
    Im thüringischen Erlass (ThürRL Soforthilfe Thüringen) erfolgt die Zweckbestimmung “finanzielle Unterstützung zur Beseitigung der Schäden, die durch die dauerregenbedingten Hochwasser und Erdrutsche” (I. Nr. 1). Auf die Leistungen besteht kein Rechtsanspruch (1. Nr. 3). Es gelten daher die gleichen Regeln zur Anrechnungsfreiheit wie beim Erlass aus Bayern.


Andere Erlasse liegen derzeit nicht vor.

Dringend beachten: in manchen Erlassen sind sehr kurze Fristen bis Mitte/Ende Juni genannt, bis zu denen die Leistungen nur beantragt werden können, daher bitte bald beantragen!

Es ist aber in jedem Fall davon auszugehen, dass Hochwasserhilfen privilegiertes Einkommen ist, welches im SGB II / SGB XII anrechnungsfrei zu bleiben hat. Eine Anrechnung wäre erst vorstellbar, wenn Hartz IV-Leistungen daneben ungerechtfertigt wären. Dies träfe nach der Gesetzesbegründung erst zu, wenn die Vermögenshöchstgrenzen überschritten seien (§ 11a Abs. 3 und Abs. 5 SGB II).

In der Gesetzesbegründung zu § 11a Abs. 5 SGB II wurde dezidiert gesagt, das “Soforthilfen bei Katastrophen” anrechnungsfrei zu sein haben (Artikel 2 Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 201, BGBl. I S. 453 zu § 11a SGB II).

Im SGB XII ergibt sich die Anrechnungsfreiheit aus § 83 Abs. 1 SGB XII.

Hochwasserhilfen von Dritten, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Internetaufrufen sind ebenfalls privilegiertes Einkommen, welches nicht als Einkommen angerechnet werden darf, hier ist im SGB II die Rechtsgrundlage der § 11a Abs. 4 SGB II, im SGB XII der § 84 Abs. 1 SGB XII. Privat organisierte Hilfe ist in sofern auch als wohlfahrtsähnliche Hilfe anzusehen, welches ebenfalls anrechnungsfrei zu bleiben hat.

10. Erstausstattung im SGB II/ SGB XII



Hochwassergeschädigte SGB II-Leistungsberechtigte die keine Leistungen durch die Hausratversicherung erhalten haben einen Anspruch auf erneute (Erst-)Ausstattung der Wohnung. Diese ist in jedem Fall auf Zuschussbasis zu übernehmen, für eine Darlehensgewährung gibt es keine Rechtsgrundlage. Liegen außergewöhnliche Umstände vor und ist deswegen Hausrat nicht oder nicht mehr vorhanden, muss das Jobcenter eine erneute (Erst-)Ausstattung der Wohnung auf Zuschussbasis übernehmen (BT-Dr. 15/1514, 60, BSG v. 19.08.2010 - B 14 AS 36/09, PM BA vom 6.6.2013).

Da Hochwasserhilfen im SGB II anrechnungsfrei sind, darf nicht zunächst auf diese verwiesen werden. Wurden allerdings Hausratsgegenstände durch Zuschüsse durch die Hochwasserhilfen schon gekauft, schließen sie den Leistungsanspruch beim Jobcenter wegen erfolgter Bedarfsdeckung aus.

Auch ist ein etwaiges Verlangen des Jobcenters, zunächst eine Bescheinigung vorzulegen, ob Hochwasserhilfen schon beantragt wurden und ggf. von dort gewährte Leistungen dem Hartz IV-Anspruch gegenüber zu stellen ist rechtswidrig.

Ebenso besteht keine Mitwirkungspflicht Bescheinigungen oder Kontoauszüge vorlegen zu müssen, aus denen Hochwasserhilfsgelder ersichtlich werden. Mitwirkungspflichten zur Vorlage von Beweisdokumenten im Sinne des § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I besteht nur, wenn dies für die Leistungsgewährung erheblich ist, da solche Gelder anrechnungsfrei sind, ist es nicht erheblich (§ 67a Abs. 1 S. 1 SGB X) und darf nicht vom Amt verlangt werden.

Die BA vertritt in ihrer Pressemitteilung vom 6.6.2013 folgende Position: “Wurde durch die Flut Hausrat zerstört, können die Jobcenter die Kosten für die erneute (Erst-)Ausstattung der Wohnung übernehmen. Voraussetzung dafür ist, dass diese Kosten weder durch eine Versicherung noch durch ein anderweitiges Nothilfeprogramm erstattet werden”. ().

Dieser BA Position ist deutlich zu widersprechen, den hier will sie eine Anrechnung durch die Hintertür durchsetzen.

SGB II – Leistungen sind daneben auch nicht ungerechtfertigt, da in den Hochwasserhilfen nur relativ geringe Beträge von 1.500 – 2.000 € gewährt werden.

Die Jobcenter gewähren Wohnungserstausstattungen zwischen 800 €bis 2.000 € für eine Person. Im Gegenzug sieht der bayrische Erlass, für den “Fall von vernichtetem Hausrat sind z. B. die für eine Grundausstattung erforderlichen Möbel, Bekleidungs- und Wäschestücke und hauswirtschaftlichen Geräte” Beträge von 13.000 € für eine Person, 8.500 € für den Partner und 3.500 € für jede weitere Person, als finanzhilfefähig an (3.3.3.1 , Seite 6).

Vor diesem Hintergrund sei über die Höhe der Erstausstattung durch die Jobcenter nachzudenken über die Maßgabe der Anrechnung der Fluthilfegelder. Mit den gewährten Geldern lässt sich nur ein Bruchteil der tatsächlichen Schäden ersetzen.

Die gleichen Regeln zur Erstausstattung gelten im SGB XII, hier sind die Rechtsgrundlagen § 31 Abs. 1 SGB XII.

11. Gelder Dritter



Gelder die Dritte in Not geratenen Hartz IV-Empfängern zuwendet sind aus Hartz IV- Sicht als Einkommen durch die Jobcenter anzurechnen. Private Zweckbestimmung, die private Bezeichnung der Gelder als Hochwassernothilfe, schützen nicht vor der Anrechnung (§ 11a Abs. 3 SGB II). Würden allerdings solche Gelder von Dritten auf darlehensbasis Hartz IV-Beziehern zugewendet werden und steht die Darlehensforderung zum Zeitpunkt des Geldzuflusses unzweifelhaft fest, bleiben solche Darlehenszuwendungen anrechnungsfrei (BSG v. 17.06.2010 – B 14 AS 46/09 R). Wie die Rückzahlungsmodalitäten geregelt werden unterliegt der Vertragsfreiheit, also auch eine Zahlung von 5 EUR im Monat oder Regelung “Rückzuzahlen in besserten Zeiten” steht der Darlehensgewährung nicht entgegen.

12. Instandsetzungskosten der Wohnung SGB II



Hier gelten die gleichen Regeln wie oben unter Nr. 4 + 6 + 7 dargestellt.

13. Postalische Erreichbarkeit im SGB II/orts- und zeitnaher Bereich



Um Hartz IV-Leistungen zu beziehen bedarf es eigentlich der persönlichen, werktäglichen postalischen Erreichbarkeit (§ 7 Abs. 4a SGB II iVm § 77 Abs. 1 SGB II iVm der SGB III-EAO). Im Katastrophenfall ist von dieser Erreichbarkeit abzusetzen, es gibt für den Katastrophenfall zwar keine Rechtsgrundlage, die BA hat dies aber tendenziell in der Pressemitteilung vom 6.6.2013 aufgriffen und klargestellt “Für die Dauer einer Helfertätigkeit im Rahmen des Hochwassers besteht keine Meldepflicht”. Diese Regelungslage ist natürlich auch für eine gewisse Zeit nach dem Hochwasser auszudehnen. Durch Wegfall der Meldepflicht, fällt natürlich auch die Pflicht sich im orts-und zeitnahen Bereich aufzuhalten (“Residenzpflicht”) weg.

14. Meldeaufforderungen im SGB II



Erfreulicherweise hat die BA in ihrer Pressemitteilung vom 6.6.2013 klargestellt. “Für die Dauer einer Helfertätigkeit im Rahmen des Hochwassers besteht keine Meldepflicht und keine zwingende Notwendigkeit, eine angebotene Maßnahme oder Beschäftigung anzunehmen” ebenso “ist die Wahrnehmung eines Meldetermins aufgrund des Hochwassers nicht möglich, treten keine Sanktionen ein. Vorab wäre eine telefonische Absage hilfreich, damit die Gesprächszeit neu vergeben werden kann”. Beide klaren Regelungen sind zu begrüßen, insbesondere das die BA die persönliche Fluthilfe ohne das der SGB II-Leistungsberechtigte hier vorher einen Antrag auf “Beurlaubung” stellen muss, wird autorenseitig absolut begrüßt.

Mit der Klarstellung Nichterscheinen beim Jobcenter stellt “kein Meldeversäumniss” dar, wird nur die Rechtslage wiedergegeben, erfreulich ist, dass die BA hier keinen individuellen Nachweis fordert, was eigentlich das Gesetz vorgibt (§ 32 Abs. 1 S. 2 SGB II).

15. Fristversäumnisse / Wiedereinsetzungsantrag



Wurde hochwasserbedingt versäumt eine Rechtsmittelfrist einzulegen, also Widerspruch gegen einen Bescheid oder wurde versäumt Klage einzulegen, dann kann innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses dieses Fristversäumnis nachgeholt werden, dabei ist der Grund des Fristversäumnisses zu nennen und die Fristwahrung vorzunehmen (§ 27 Abs. 1 SGB X).

Wir wünschen allen Hochwassergeschädigten viel Kraft die schwere Zeit durchzustehen und erwarten von den Sozialleistungsträgern, dass sie dafür Sorge tragen, dass “die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden” (§ 2 Abs. 2 SGB I).

Wuppertal, den 10. Juni 2013
Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V.

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