Aktuelles Archiv
Übersicht der wesentlichen Änderungen in der Kindergrundsicherung vom Referentenentwurf zur Kabinettsfassung des BKG
Nach umfassenden Streit und massiver Intervention der FDP wurde nun die Kabinettsfassung des Kindergrundsicherungsgesetzes vorgelegt. Der Kollege Sozi.Simon, Mitautor an der Tachelesstellungnahme hat dazu die wesentlichen und aufgefallenen Änderungen im Vergleich zwischen Referentenentwurf und der Kabinettsfassung zusammengefasst.
Artikel 1 – Bundeskindergrundsicherungsgesetz (BKG)
§ 2 Abs 1 BKG-E geändert
Im Referentenentwurf wurde noch auf §39 SGB XII Bezug genommen, danach hätte (fast) jede Person, die in der Wohnung lebt, potenziell zum Teil der Familiengemeinschaft definiert werden könne. In der Kabinettsfassung wird dies auf § 27 Abs 2 S.2 +3 SGB XII geändert – nur noch Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder, die ihren Bedarf nicht selbst decken, werden zum Teil der Familiengemeinschaft.
§ 6 Abs 1 Nr 1 BKG-E geändert
Die Leistungen nach § 217 Abs 3 SGB VII wurden aus der Liste der vergleichbaren ausländischen Leistungen herausgenommen
§ 8 BKG-E geändert
Auszahlungsanspruch ab 18 besteht nun nicht mehr für behinderte Kinder ab 18, die Kindergeld aufgrund ihrer Behinderung bekommen. Dadurch ist die Nichtanrechnung im SGB XII und damit freie Verwendung durch die Eltern dieser Kinder weiter gesichert.
§ 9 Abs 1 Nr 2 BKG-E geändert
Der unklare Begriff „verpartnert“ wurde rausgenommen, ansonsten hätte bereits ein „Freund“ oder eine „Freundin“ zum Ausschluss aus dem Kinderzusatzbetrag führen können.
§ 9 Abs 1 Nr 4 BKG-E ist neu
Den Kinderzusatzbetrag soll es nur noch für Kinder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geben. Damit sind z.B. Kinder von Missionaren, die im Ausland leben, ausgeschlossen.
§ 9 Abs 4 Nr 1 BKG-E geändert
Schüler mit BAFöG, die nicht daheim wohnen, sind nun ausgeschlossen. Ist aber aus meiner Sicht logisch, da ja bei den Eltern wohnen ohnehin Bedingung ist.
§ 12 Abs 1 BKG-E geändert
1. den 45%-Freibetrag soll es nicht mehr auf BAföG und AFBG geben, das soll zu 100% (nur SGB II-Freibetrag) angerechnet werden.
2. Die Grenzen für die anderen %-Werte für hohen Unterhalt wurden dynamisiert, indem sie an den Mindestunterhalt gekoppelt wurden. In den Summen gibt es nahezu keine Verschiebung
§ 13 und § 14 BKG-E (alt) wurden zusammengefasst in § 13 BKG-E
§ 13 Abs 2 = § 14alt BKG-E geändert
Es wurden die Mehrbedarfe nach § 23 SGB II ergänzt.
§ 14 BKG-E ist der bisherige §15 BKG-E (alt)
§ 14 Abs 1 BKG-E geändert
Die Einschränkung der Anrechnung auf nur bei Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern ist nur noch aufs Einkommen begrenzt – eigentlich nur eine Klarstellung.
§ 15 BKG-E ist der bisherige §16 BKG-E (alt)
§ 16 BKG-E ist der bisherige §1 7 BKR-E (alt)
§ 16 Abs 4 BKG-E = § 17 Abs 4 BKG-E (alt) geändert
Es wurden dingliche Nutzungsrechte für Wohnraum aufgenommen. Dies umfasst vor allem Menschen mit Wohnrechten und Nießbrauch, die im Grundbuch stehen.
§ 17 BKG-E ist der bisherige § 18 BKG-E (alt)
§ 18 BKG-E ist der bisherige § 19 BKG-E (alt)
§ 19 BKG-E ist komplett neu
Hier ist der Anspruchsübergang aus dem SGB II übernommen worden – also kann dann der Familienservice den UH-Anspruch geltend machen. Folge ist, dass Unterhaltsberechtigte ihren Anspruch nicht mehr selbst geltend machen müssen, sondern der Familienservice dies für sie übernimmt (positiv). Andererseits entstehen dadurch ggf. Unterhaltsrückstände gegenüber dem Familienservice, so dass Kinder von einer Nachzahlung des Unterhalts nicht profitieren würden.
§ 20 BKG-E geändert
Bildung und Teilhabe wird auf Kinder mit Wohnsitz / gewöhnlichem Aufenthalt in DE beschränkt. Auch hier werden wieder Kinder, die im Ausland leben, aber Anspruch auf den Kindergarantiebetrag haben ausgeschlossen.
§ 22 Abs 1 BKG-E geändert
Es ist bei privater Krankenversicherung nicht mehr nur der halbe Basistarif übernahmefähig, sondern der Höchstbeitrag der PKV.
§ 22 Abs 2 BKG-E geändert
Sonderregelung für Kinder eingeführt, die Versicherungspflichtig sind, ohne ein Einkommen zu erzielen, das nach § 11b SGB II bereinigt wird.
§ 22 Abs 4 BKG-E ist neu
Vorrangregelung für Beitragszuschüsse nach dem BKG vor denen nach dem SGB II eingefügt.
§ 23 Abs 3 BKG-E geändert
Nach dem Referentenentwurf wäre ausschließlich die zuständige Stelle für die Antragsannahme zuständig gewesen. Diese unsinnige Zuständigkeitsreglung in Bezug auf die Annahme des Antrags bei der zuständigen Stelle wurde entfernt.
§ 23a BKG-E (alt) ist entfallen
Die Regelungen wurden in § 23 Abs 5 BKG-E integriert.
§ 26 Abs 1 BKG-E geändert
Nach dem Referentenentwurf sollte nur ein schriftlicher Antrag möglich sein, nun soll es noch eine elektronische Antragsmöglichkeit über ein spezielles Verfahren geben. Die Möglichkeit den Antrag mündlich bzw. persönlich zu stellen, fehlt aber weiterhin.
§ 27 Abs 3 BKG -E geändert
Die Steuer-ID im Antrag ist weg.
§ 30 BKG-E geändert
Nun soll auch ein Datenabruf beim Sozialamt möglich sein – wurde scheinbar vorher vergessen.
§ 31 BKG-E geändert
Protokollierungspflicht zur Verarbeitung der Steuerordnung mit Verweis auf § 10 OZG.
§ 36 Abs 1 BKG-E geändert
Kinderzusatzbetrag wird im Voraus gezahlt.
§ 36 Abs 4 BKG-E ist neu
Auszahlung des Kindergarantiebetrags und Kinderzusatzbetrags erfolgt durch die Bundesagentur für Arbeit.
§ 39 BKG-E geändert
Es sind jetzt nicht mehr nur schriftliche, sondern auch elektronische Ablehnungs- und Entziehungsbescheide zulässig. Das ist problematisch, da nicht sicher ist, ob diese auf elektronischem Weg auch von jedem wahrgenommen werden…
§ 44 Abs 2 BKG-E geändert
Die Willkür der „kann“ – Regelung bei der Einleitung des Kindergrundsicherungs-Checks ist weg. Auf Antrag oder mit Zustimmung, wird das Verfahren jetzt als Pflicht eingeleitet.
§ 45 BKG-E geändert
Infos über den Kindergrundsicherungscheck sollen nicht mehr nur in „angemessener“ Form, sondern in „verständlicher“ Form vom Amt vermittelt werden, das wird insbesondere bei den Datenabrufen interessant.
§ 46 Abs 5 BKG-E ist neu
Bei nicht sorgeberechtigten, aber am Kindergrundsicherungs-Check teilnahmefähigen Personen ist das Einverständnis eines Sorgeberechtigten erforderlich.
§ 51 Abs 1 BKG-E ist neu
Es können nun auch Grundsätze zum elektronischen Antragsverfahren, Datenschutz in diesem Rahmen und zum Verzicht auf die Vorrangstellung nach § 35 Abs 2 erlassen werden
§ 52 BKG-E geändert
In der Bußgeldvorschrift ist das Bußgeld auf ein nicht rechtzeitiges Einreichen bei der Antragsstellung (§ 60 Abs 1 Nr 1 SGB I) entfallen. Zu spätes Einreichen bei Antragsstellung ist also nicht mehr Bußgeldbewährt, sondern nur noch Falschangaben.
Bei Änderungen in den Verhältnissen (§ 60 Abs 1 Nr 2 SGB I) ist es aber geblieben, es sind also Bußgelder bei zu später Meldung von Änderungen möglich.
§ 53 Abs 3 BKG-E ist neu
BMAS darf Verordnungen zur Statistik erlassen.
§ 53a BKG-E ist neu
Datenübermittlung zur Wirkungsforschung ist zulässig
§ 55 Abs 1 BKG-E geändert
Das Gesetz enthält nun in Abs 1 eine geänderte Übergangsvorschrift für Kinder ab 15 Jahren, die bereits im KiZ sind. Sie sollen pauschale Zuschläge erhalten. Klingt halbwegs vernünftig, ohne es ganz durchdrungen zu haben. Kinder im Bürgergeld sollen aber im laufenden Bewilligungszeitraum aber nach Abs 5 nicht profitieren.
§ 55 Abs 5 BKG-E ist neu
Der Bewilligungszeitraum ist für Familien im SGB II nach § 86 SGB II-E ab Juli 2024 auf 6 Monate zu verkürzen. Damit wären die letzten Kids erst ab Juni 2025 im BKG (BWZ 1.6.2024 - 30.5.2025 = BWZ 1.12.2024-30.5.2024).
Artikel 2 Unterhaltsvorschuss:
§ 1 UVG-E geändert
Es sollen nicht mehr alle Kinder von Alleinerziehenden, die keinen oder zu wenig Unterhalt bekommen, einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss bis zur „Einschulung“ haben, sondern bis zum 7. Geburtstag. Das ist wohl eher eine Verwaltungsvereinfachung, kann aber auch einen finanziellen Grund ausschließen, eine Rückstellung von der Einschulung aus finanziellen Gründen zu beantragen.
Artikel 3 Asylbewerberleistungsgesetz – ist neu
§ 16 AsyBLG-E wird aufgehoben
Diese Vorschrift regelt den Sofortzuschlag für Asylbewerber. Dieser wird gestrichen und Kinder im Asylverfahren haben damit potentiell 20€ weniger.
Artikel 4 Mikrozensusgesetz – ist neu
§ 8 Abs 1 Nr. 3 wird ein weiterer Punkt angefügt damit der Mikrozensus auch die Kindergrundsicherung umfasst.
Artikel 6 Krankenversicherung der Landwirte – ist neu
Veränderungen kann ich nicht einschätzen.
Artikel 7 (vormals Artikel 4) SGB II
§ 7 Abs 2 S.3 SGB II-E geplante Änderung entfällt
Hintergrund ist der Entfall anderer Regelungen
§ 9 Abs 2 SGB II-E, die geplante Änderung entfällt
Damit wird die bisherige vertikale Einkommensanrechnung doch nicht durch die horizontale zwischen den Eltern ersetzt. Dadurch bleibt auch ein verdienender Elternteil weiter im SGB II-Bezug und unter Kontrolle des Jobcenters, außer beide Elternteilen gelingt es, das Jobcenter zu verlassen.
Geplant war, dass der verdienende Elternteil erst seinen eigenen Bedarf komplett deckt und darüber hinaus gehendes Einkommen auf den anderen Elternteil übergeht. Nun soll es weiter bei der Bedarfsanteilmethode zwischen den Elternteilen bleiben.
§ 11 Abs 1 SGB II-E neue Änderung
Das übergehende Kindergeld wird es nicht mehr geben. Der Kindergarantiebetrag bleibt immer voll beim Kind.
§ 28 SGB II-E neue Änderung
Für Bildung und Teilhabe gibt es im Prinzip nur nur noch einen Verweis aufs BKG. Die dort genannten Leistungsvoraussetzungen für BuT scheinen gleich zu bleiben.
§ 29 SGB II-E neue Änderung
Es wird ein reiner Verweis aufs BKG.
§ 86 SGB II-E neu Vorschrift
Verkürzter BWZ im SGB II für Familien ab 1.7.2024 auf 6 Monate. Ab 1.7. ist Einkommen des Kindes aber nach Vorgaben des § 12 Abs 1 S1+2 BKG zu berücksichtigen (45% Freibeträge)
Artikel 8 (vormals Artikel 5) SGB III
Keine wesentlichen Änderungen, nur begriffliche Anpassungen.
Artikel 9 (vormals Artikel 6) SGB IV
Keine Änderungen
Artikel 10 SGB V – neue Änderung
Kann ich nicht bewerten
Artikel 11 – SGB XI – neue Änderung
Kann ich nicht bewerten
Artikel 12 (vormals Artikel 7) SGB XII
§ 27 SGB XII-E – neue Änderung
Im Gegensatz zum SGB II soll im SGB XII die horizontale Einkommensanrechnung eingeführt werden. Arbeitet also ein Partner und lebt mit einem Leistungsberechtigten nach dem SGB XII zusammen, wird nur sein den eigenen Bedarf übersteigendes Einkommen (und Vermögen) beim Partner angerechnet.
§ 34 und 34 a SGB XII-E– neue Änderung
BuT wird parallel zum SGB II eher in Verweisform auf das BKG geregelt.
§ 39 SGB XII-E – neue Änderung
Neue Definition der Haushaltsgemeinschaft und nun auch hier die Vermutung der Bedarfsdeckung für Kinder durchs BKG.
Es werden aber im Normalfall nur noch Ehegatten, Partner und Kinder in die Einstandsgemeinschaft einbezogen. Keine Elternteile, Geschwister, … mehr.
Die Definition scheint sich ans SGB II anzunähern.
§ 82 SGB XII – neue Änderung
Kindergarantiebetrag ist Einkommen der Kinder und es gibt keinen Übergang mehr
§ 134 SGB XII – neue Änderung
Auch im SGB XII gibt es nun eine, aber vom SGB II abweichende, Übergangsregelung.
Insbesondere soll für sie nicht unmittelbar die ‚Einkommensprivilegierung nach § 12 Abs 1 BKG gelten.
Artikel 13 (vormals Artikel 9) – Wohngeldgesetz
Keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen.
Artikel 14 (vormals Artikel 8) – Regelbedarfsermittlungsgesetz
Beim RBEG hat sich einiges geändert – das kann ich aber nicht einschätzen, damit habe ich mich noch nie intensiv genug auseinandergesetzt. Es bleiben aber weiter viele Platzhalter.
Artikel 15 (vormals Artikel 10) – Folgeänderungen
Die Masse der Folgeänderungen ist stark angestiegen, zumeist werden nur Begriffe ersetzt.
Artikel 16 (vormals Artikel 11) – Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Nur kleine logische Änderungen, wie dass die Veränderung des BWZ ab 7/2024 nicht erst am 1.1.2025 in Kraft treten kann.
Hintergrundmaterial:
- Referentenentwurf BKG vom 30.08.2023
- Kabinettsentwurf BKG vom 27.09.2023
- Tachelesstellungnahme zum BKG im Gesetzgebungsverfahren
- Gesammelte Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren
Sozi.Simon / Tacheles Onlineredaktion