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WZ-Chefredakteur Lothar Leuschen erlässt ein Veröffentlichungsverbot eines Interviews zu 25-Jahren Tacheles

Unten stehendes Interview wurde von Seiten der Westdeutsche Zeitung (WZ) anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von Tacheles e.V. mit dem Vorsitzenden Harald Thomé geführt.
Doch leider wurde es nicht veröffentlicht. Auf Nachfrage warum dies nicht geschehen ist, teilte uns Lothar Leuschen, Leiter der Lokalredaktion Wuppertal und stellvertretender Chefredakteur der WZ.

"Guten Tag, Herr Thomé,
in der Folge beantworte ich Ihrer Frage:
Tipp: Kaufen und Lesen Sie die Zeitung einfach nicht mehr, das ist Vorsorge gegen Magengeschwüre, Depressionen und braune Verfärbungen!
Jede Provinzzeitung ist gehaltvoller als diese Blatt.
Mfg"

Diese Antwort zeigt, dass Lothar Leuschen seine Hausaufgaben gemacht hat. Im Rahmen von Recherche zur Person von Harald Thomé ist er wohl auf diesen von ihm stammenden Kommentar bezüglich des Niveaus der Wuppertaler Zeitung auf Facebook gestoßen, was für Herrn Leuschen eine Begründung darstellt, das mit dem Vorsitzenden von Tacheles gemachte Interview nicht zu veröffentlichen. Aus seiner Sicht durchaus nachvollziehbar :-)
Wir hatten uns ehrlich gesagt schon gewundert, dass die WZ ein Interview zum Thema Tacheles durchführen wollte. Wurde die Arbeit des Vereins, der sich zu einer bundesweit bekannten und geachteten Institution entwickelt hat, über Jahrzehnte doch fleißig ignoriert. Durch die Berufung von Tacheles e.V. zum Sachverständigen Dritten und die Teilnahme an der Anhörung in Karlsruhe zum Thema Sanktionen im ALG II fand der Verein Tacheles in Person von Harald Thomé am betreffenden Tag zwar den Weg in die Tagesschau, aber für eine Erwähnung in der WZ reichte es nicht.
Dass Tacheles e.V. mit seiner Kritik an den herrschenden Verhältnissen von der in die Wuppertaler Politik verstrickten Presse nicht unbedingt geliebt wird, versteht sich von selbst. Dass Herr Leuschen nicht die Souveränität besitzt, anlässlich eines 25-jährigen Jubiläums einer Wuppertaler Institution über seinen Schatten zu springen ist schade.
Wir wollen den geneigten und interessierten Leserinnen und Lesern das gemachte Interview nicht vorenthalten und veröffentlichen es dann eben selbst.

Und hier ist nun das Tacheles interview:

Es ist die Aufgabe eines jeden Menschen gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung vorzugehen und für eine bessere, solidarische Welt, sowie für Menschenrechte einzustehen!

-Wie hat sich der Verein in 25 Jahren entwickelt? Was hat sich in den Jahren in der Arbeit verändert?

Der Verein hat klein angefangen und ist in den Jahren sehr gewachsen. Begonnen hat es an meinem Küchentisch, über die Luisenstraße, bis jetzt im Loher Bahnhof. Im Kern sind wir  Menschen, die Gegebenes nicht als gegeben hinnehmen und für eine bessere, solidarische Welt einstehen. Die Hartz IV Reformen waren ein elementarer Einschnitt in die soziale Sicherung in Deutschland. Hartz IV heißt Armut und Verfassungsbruch per Gesetz. Die  Hartz IV-Gesetze wurde zur Schaffung und Ausweitung des Niedriglohns in Deutschland geschaffen und dagegen stellt sich der Verein.

-Das sind ja starke Äußerungen. Woraus besteht Ihre Arbeit konkret?
Die Arbeit bei Tacheles umfasst drei Bereiche: Die konkrete Sozialberatung vor Ort. Das bedeutet, dass wir seit 25 Jahren Menschen beraten, die in existenzielle Not geraten sind und erklären ihnen wie sie ihre Interessen gegenüber Sozialbehörden vertreten können, d.h. aber auch, dass wir Widersprüche, Anträge und alles andere was notwendig ist, schreiben. Die sozialpolitische Arbeit kommunal und überregional. Die sozialpolitische Arbeit ist die Organisation und Beteiligung an Kampagnen, Arbeitsgruppen und Zusammenschlüssen zur Verbesserung der Lage finanziell schwacher Menschen und zur Verteidigung ihrer demokratischen Rechte. Publizieren von Fachinformationen. Wir veröffentlichen aktuelle Fachinformationen in Form von wöchentlichen Newslettern, agieren in sozialen Medien, betreiben eine Internetseite und geben ein bzw. „das“ Ratgeber-Buch zu Hartz IV und Sozialhilfe heraus. Aktuell ist im März die 30. Auflage erschienen.

-Was ist Ihre persönliche Motivation für Ihre Arbeit?
Das Wichtigste: Es ist die Aufgabe eines jeden Menschen gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung vorzugehen und für eine bessere, solidarische Welt, sowie für Menschenrechte einzustehen. Das ist mein persönliches Motiv! Tacheles e.V. wurde als Reaktion auf die verheerenden Brandanschläge von Solingen und Mölln gegründet. Wir haben damals überlegt, was wir gegen diese damalige rassistische Mobilisierung und gegen Nazis unternehmen können und im Ergebnis dieser Überlegung stand das Projekt Tacheles. Es ging uns darum mit Rat und Tat Betroffenen zur Seite zu stehen, sozialpolitische Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, mit praktischer Arbeit zu überzeugen und sich den Rassisten entgegenzustellen.

-Wie hat sich die Wahrnehmung Ihrer Arbeit von außen verändert?
Wir sind inzwischen bekannt, haben Einfluss und können somit einiges bewegen. Wir schreiben Fachstellungnahmen zu anstehenden Gesetzen, beteiligen uns auf vielfältigste Form an der sozialpolitischen und rechtlichen Fachdiskussion. Vom Bundesverfassungsgericht wurden wir wegen unserer Expertise als sachverständiger Dritter im Verfahren zu den Hartz IV-Sanktionen benannt. Derart anerkannt sind wir in einer guten Position um eine unserer wichtigsten Leitaufgaben, der Interessenvertretung Einkommensschwacher zu sein, gut wahrzunehmen.

-Was kritisieren Sie an Hartz IV und am Wuppertaler Jobcenter?
Zunächst, dass sich das Jobcenter Wuppertal immer wieder nicht an das Gesetz hält und rechtswidrig agiert. Im Wuppertaler Jobcenter gibt es zu lange Bearbeitungszeiten von Erstanträgen, teilweise zwei bis fünf Monate. Mieten werden immer häufiger vollkommen willkürlich gestrichen oder gekürzt. Ständig gehen Unterlagen im Amt verloren, die Antragsteller werden dadurch entrechtet, sie müssen wegen vorgeblich nicht angezeigter Änderungen Gelder zurückzahlen oder bekommen Strafanträge vom Jobcenter. Hartz IV-Beziehende werden zu wenig gefördert, es findet entgegen der Jubelmeldungen des Jobcenter keine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt statt. Stattdessen werden die Hartz IV-Bezieher in oft unsinnige Maßnahmen gesteckt. Auch sind die zu niedrigen Unterkunftskosten generell ein Riesenproblem! Die vom Jobcenter genehmigten Mieten liegen am unteren Rand dessen, was rechtskonform ist. Viele Betroffene finden aber in der heutigen Zeit keine entsprechende Wohnung und zahlen dann von ihrer Regelleistung dazu. Das macht zum Beispiel in Wuppertal allein im Oktober 2018 exakt 377.234 Euro aus und letztendlich wird auch damit die Stadtkasse auf Kosten der finanziell Schwachen saniert.
Diese Verwaltungspraxis ist nicht akzeptabel und muss sich ändern! Ebenso ist der Umgang zu kritisieren, da Leistungsberechtigte oft unter Generalverdacht gestellt werden. Jeder Mitarbeiter im Amt sollte sich klarmachen, dass es keinen Spaß macht, auf Hilfe angewiesen zu sein und um sein Geld betteln zu müssen, obwohl ein Rechtsanspruch besteht. Allerdings ist auch die geringe Zahl und die schlechte Ausbildung der Mitarbeiter im Jobcenter ein Problem.

-Wie finanziert sich die Arbeit des Vereins?
Durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, die Einnahmen im Café Tacheles an der Nordbahntrasse und weitere wirtschaftliche Zweckbetriebe. Von der Stadt erhalten wir keine Gelder, aber einen Landeszuschuss als Arbeitslosenzentrum. Dieser soll in NRW Ende 2020 durch die schwarz-gelbe Landesregierung gestrichen werden. Aber wir werden schon nicht untergehen und Wege zur Finanzierung finden.

-Wie geht es weiter?
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verschärften sich zunehmend. Verarmung, Entrechtung werden forciert, Rassismus wird wieder salonfähig, daher werden und müssen wir unseren Kampf um und für Menschenrechte weiterführen. Der Streit um eine solidarische Gesellschaft für den Erhalt von Demokratie und gegen Rassismus, wird definitiv weiter gehen.

Harald Thomé / Tacheles Online-Redaktion

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