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ARGE Magdeburg zwingt Arbeitslose für 3,47 EUR Brutto

Pressemitteilung

ARGE Magdeburg zwingt Arbeitslose für 3,47 EUR
Bruttostundenlohn auf den 1. Arbeitsmarkt.

Zuweisung von Arbeitsstellen mit unangemessen niedrigen Lohn

Mehrere so genannter Arbeitsstellen mit Lohnwucher wurden mir durch die Antragsgegnerin zugestellt, dabei wurde ich zusätzlich mit ausreichenden Rechtsfolgen zusätzlich unter Druck gesetzt.

Hier nur ein aktuelles Beispiel vom 18.11.2005, das mir die
ARGE Magdeburg zugestellt hat: (Weitere Beispiele liegen vor)

Bei der Firma Andreas Männig, Getränkeshop und Minimarkt,
Steinbergstr. 33, Magdeburg sollte ich eine Tätigkeit als Verkäuferin für 115 Std./monatlich mit einem Bruttolohn von 400.- Euro übernehmen. Das ergibt einen Bruttostundenlohn von 3,47 EUR.

B e w e i s: Stellenangebot v. 18.11.2005 der ARGE Magdeburg

Laut Angaben der Gewerkschaften, liegt der ortsübliche Stundenlohn für eine Verkäuferin in Magdeburg, bei 8,69 ? in der Stunde.

B e w e i s: Zeugenaussage der zuständigen Gewerkschaft

Somit liegt der Lohn 60,07 % unter dem ortsüblichen Lohn.

Die Antragsgegnerin schafft somit behördliche
"Ausbeutungsbedingungen" die strafrechtlich verfolgbar sein müssen.

Das Arbeitsangebot ist somit zweifelsfrei sittenwidrig im Sinne des § 138 I BGB, wenn es nach Inhalt, Beweggrund der Beteiligten und seiner Zwecksetzung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden
verstößt und den oder einem Beteiligten der Widerspruch des
Rechtsgeschäfts mit dem Anstandsgefühl der Gemeinschaft zum Vorwurf gemacht werden kann (1).

Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts:

Um als Sittenwidrigkeitselement in Betracht zu kommen, muss ein Leistungsmissverhältnis ein auffälliges sein, das hier ausreichend erfüllt ist. Nach der Rechtsprechung reicht ein auffälliges Leistungsmissverhältnis als solches für die Annahme von Sittenwidrigkeit aus. Damit Nichtigkeit ausgelöst wird, müssen zusätzliche Faktoren wirksam werden. Dies sind entweder jene besonderen Umstände, von denen §
138 II BGB spricht, oder ein subjektives Moment, vor allem eine verwerfliche Gesinnung, dass dann Nichtigkeit nach § 138 I BGB bewirkt (2).

Das Bundesarbeitsgericht hat demgemäß entschieden, dass gemäß § 138 I BGB Arbeitsverträge nichtig sind, bei denen Leistung und Gegenleistung in einem nach der Anschauung billig und gerecht denkender Menschen auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, sofern dieses
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auf ein Verhalten der begünstigten Partei zurückgeht, das auf verwerflicher Gesinnung beruht (3).

Bei der Beurteilung, ob Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis stehen, wird in aller Regel auf die Arbeitsleistung als solche, auf deren Dauer und Schwierigkeitsgrad, auf die körperliche und geistige Beanspruchung, auf die Arbeitsbedingungen schlechthin
abzustellen sein und nicht etwa auf den so genannten Aneignungswert für den Unternehmer (4).

Die verwerfliche Gesinnung der begünstigten Partei kann durch die Gesamtumstände indiziert sein (5). Bei besonders grobem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann auf das Vorhandensein einer verwerflichen Gesinnung ohne zusätzliche Feststellungen geschlossen werden (6).

Die Äquivalenzstörung ist jedoch nur einer von mehreren Indikatoren der Sittenwidrigkeit. Bei rücksichtsloser Ausnützung von Übermacht können auch Leistungsmissverhältnisse geringeren Ausmaßes zur Sittenwidrigkeit führen. (7)

Auch der so genannte Lohnwucher führt zur Nichtigkeit der
Lohnvereinbarung (8). Lohnwucher liegt vor, wenn der Wert der Arbeitsleistung und das Entgelt in einem auffallenden Missverhältnis zueinander stehen und zusätzlich eine der in § 138 II BGB genannten Voraussetzungen gegeben ist (9).

Von Lohnwucher spricht man dann, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet wird, gegen eine unverhältnismäßig niedrige Vergütung zu arbeiten. (9).

Lohnwucherische Verträge können beispielsweise schon dann vorliegen, wenn trotz angemessener Arbeitsleistung der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, für sich und seine Familie den notwendigen Unterhalt zu verdienen (so genannter Hungerlohn) (10) oder die Vergütung weit unter
dem Tariflohn liegt (11). Das Bundesarbeitsgericht stellt auf das allgemeine Lohnniveau ab, weil es auf das Rechtsgefühl aller gerecht und billig Denkenden ankomme (12), während Konzen eine Orientierung an dem Tariflohn der jeweiligen Branche und Region für sachgerechter hält (13).

Eine Zwangslage im Sinne des § 138 II BGB ist gegeben, wenn durch wirtschaftliche Bedrängnis oder Umstände anderer Art für den Betroffenen ein zwingendes Bedürfnis nach Arbeit oder Gelderwerb besteht; Zwangslage können aber nur echte finanzielle Schwierigkeiten sein (14).

Für den Wuchertatbestand ist keine besondere Ausbeutungsabsicht erforderlich; vielmehr reicht es aus, wenn der Wucherer Kenntnis von dem auffälligen Leistungsmissverhältnis und der Ausbeutungssituation hat und
sich diese Situation vorsätzlich zunutze macht (15). Der Kenntnis der Tatumstände ist es gleichzusetzen, wenn sich der Handelnde der Erkenntnis dieser Umstände in schuldhafter Weise verschließt (16).

In den genannten Fällen würde allein schon die Vergütungsvereinbarung nichtig sein (17). Dies führt dann nicht nach § 139 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages, weil dadurch der Schutzcharakter des Arbeitsrechts umgangen würde (18).

Es gilt vielmehr im Arbeitsrecht dann der dem § 139 BGB entgegengesetzte Grundsatz, dass der Arbeitsvertrag wirksam bleibt und anstelle der unwirksamen Vereinbarung die gesetzliche Regelung tritt (19).

In den genannten Fällen ist die Vergütung gemäß § 612 II BGB zu ermitteln (20), wo- bei die übliche Vergütung entscheidend ist (21). Die übliche Vergütung ist, sofern ein die gleiche Arbeit regelnder Tarifvertrag für den betreffenden räumlichen und fachlichen Bereich besteht, grundsätzlich diesem zu entnehmen (22).

Die Rechtsprechung ist in den letzten Jahren in zunehmendem Maße dazu übergegangen, den Inhalt von Arbeitsverträgen einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle zu unterziehen (23).

Ausgangspunkt der diesbezüglichen Erwägungen bildet die Prämisse, dass das geltende Schuldrecht auf dem Gedanken beruhe, die Vertragsgerechtigkeit sei in aller Regel dadurch gewährleistet, dass gleich starke Vertragspartner jeweils in Wahrnehmung der eigenen Interessen im Wege des Aushandelns einen billigen Ausgleich schaffen.
Daher rechtfertige sich die grundsätzliche Vertragsfreiheit.

Anders ist es dann, wenn kein Gleichgewicht der Vertragspartner einen angemessenen Vertragsinhalt gewährleistet, weil entweder die Vertragsparität gestört ist oder eine Vertragspartei aus anderen Gründen
allein den Inhalt des Vertragsverhältnisses gestalten muss, da ihm Leistungskürzungen aufgezwungen werden. In diesen Fällen sei eine gerichtliche Billigkeitskontrolle angebracht (24).

Demgemäß hat das Bundesarbeitsgericht auch einen individuell
abgeschlossenen Arbeitsvertrag der Billigkeitskontrolle unterworfen, weil dessen Gestaltung darauf schließen lasse, dass die Vertragsparität gestört war und der betroffene Arbeitnehmer zu einer sozial schwachen und damit schutzbedürftigen Gruppe von Arbeitnehmern gehörte (25). In
der Literatur wurde sogar die Auffassung geäußert, im Verhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer sei grundsätzlich von einer gestörten Vertragsparität zu Lasten des letzteren auszugehen (26).

Vor allem Berufsanfänger, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger werden genötigt, zunächst ein billiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen.
Hiergegen sprechen nicht nur die bereits genannten Gründe.

Der sich um eine Stelle bewerbende Bürger ist daher, wenn er sich nicht als "Spitzen"- Fachmann ausweisen kann, oftmals in der Lage, dass er auf den begehrten Arbeitsplatz dringend angewiesen ist. Dies bedingt, auch angesichts der nicht unerheblichen Zahl seiner Konkurrenten, dass er
regelmäßig gegenüber anderen Bewerbern eine stark unterlegene Verhandlungsposition hat, was diesem in Anbetracht der allgemeinen Diskussion der Arbeitslosenschwemme kaum verborgen sein dürfte.

Die Vereinbarung unangemessener Arbeitsbedingungen, insbesondere eines unangemessen niedrigen Gehalts, durch bewusste oder regelmäßig zumindest grob schuldhafte Ausnutzung dieser Lage, die oftmals sogar als Zwangslage im Sinne des § 138 II BGB angesehen werden kann, durch den
Arbeitgeber führt zur Sittenwidrigkeit des Arbeitsvertrages nach § 138 BGB.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit bei Arbeitgebern aus Öffentlicher Hand einen schärferen Maßstab angelegt hat, weil diese, bei der Wahrung des Rechts mitzuwirken haben. Dies ist auch hier gerechtfertigt, weil die Auferlegung grob und damit evident unbilliger, Beschäftigungsbedingungen
geeignet sind, das Vertrauen der suchenden Bürger in Politik und Staat zu schädigen.

Eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 I BGB besteht erst recht auch dann, wenn die unzureichenden Arbeitsbedingungen den Arbeitslosen offensichtlich überhaupt keinen Nutzen bringt.

Dieser Vergleich zeigt auch, dass Fähigkeiten und berufliche Erfahrung bei der Feststellung einer angemessenen Vergütung zu berücksichtigen sind, dass oftmals schlichtweg ignoriert wird.

Die Rechtsprechung ist allerdings bei der Feststellung einer
sittenwidrig niedrigen Entlohnung nicht mehr zurückhaltend.

Im Streitfalle hat sich das Arbeitsgericht dann bei der Festsetzung der üblichen Vergütung nach § 612 II BGB an den Verdienstmöglichkeiten für eine vergleichbare Tätigkeit orientiert.

Bereits am 29.11.05 hat das Sozialgericht Magdeburg auch
eine sogenannte Arbeitsgelegenheit der ARGE Magdeburg
für unzulässig erklärt.
Beschluss SG Magdeburg ( 29.11.2005 Az.: S 22 AS 635/05 ER)

(1) Schaub a.a.O. (Fn. 186), § 35 I 4, S. 146 m.w. N.; s.a.
Krüger-Nieland / Zöller in RGRK, § 138 Rn. 25 ff. m.w.N.
(2) Mayer-Maly in: Mü. Komm., § 138 Rn. 98
(3) BAG AP Nr. 1 zu § 138 BGB (Ls. u. Bl. 2R f.) m. w.N.; AP Nr. 30 zu § § 138 BGB
(Bl. 3); s.a. AP Nr. 45 zu § 242 BGB-Gleichbehandlung (Bl. 2R f.); so auch Stahlhacke in: Handbuch zu Arbeitsrecht, Gruppe 1, Einzelarbeitsvertragsrecht, 3. Abschnitt, IX 2, S. 89 f.
(4) BAG AP Nr. 30 zu § 138 BGB (Bl. 3); s.a. Mayer-Maly a.a.O. (Fn. 192), Rn. 123
(5) BAG AP Nr. 1 zu § 138 BGB (Bl. 3R); s.a. BGH NJW 1988, 696
(6) Krüger-Nieland / Zöller a.a.O. (Fn. 191), Rn. 30 m.w.N.; s.a. Mayer-Maly a.a.O. (Fn. 192), Rn. 99 m.w.N
(7) Mayer-Maly, Anm. zu BAG AP Nr. 45 zu § 242 BGB- Gleichbehandlung (Bl. 5); s.a. denselben a.a.O. (Fn. 192), Rn. 100, 107 m.w.N.
(8) BAG AP Nr. 30 zu § 138 BGB (Bl. 2R); Schaub a.a. O. (Fn. 186), § 35 I 3, S. 145
(9) s. Schaub a.a.O. (Fn. 198); Stahlhacke a.a.O. (Fn. 193), S. 89; s.a. Mayer-Maly a.a.O. (Fn. 192), Rn. 98, 117 m.w.N.
(10) Schaub a.a.O. (Fn. 198), S. 145 f.; Stahlhacke a.a.O. (Fn. 193), S. 88 f.; BAG AP Nr. 2 zu § 138 BGB (Ls. u. Bl. 3)
(11) Schaub a.a.O. (Fn. 198), S. 146; s.a. Konzen, Anm. zu BAG AP Nr. 30 zu § 138 BGB (Bl. 4R f.) [zurück zum Text]
(12) BAG AP Nr. 30 zu § 138 BGB (Bl. 2R f.); zustimmend Stahlhacke a.a.O. (Fn. 202); s.a. Mayer-Maly a.a.O. (Fn. 192), Rn. 123
(13) Konzen a.a.O. (Fn. 201) LAG Berlin DB 1961, 1458; s.a. Hanau in: Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, H II 4, S. 209 Fn. 26 m. w.
(14) Schaub a.a.O. (Fn. 198), S. 146.
(15) BGH NJW 1982, 2767 (2768) m.w.N.
(16) Krüger-Nieland / Zöller a.a.O. (Fn. 191), Rn. 31 m.w.N.
(17) Schaub a.a.O. (Fn. 198), S. 145
(18) Schaub a.a.O. (Fn. 198), S. 145 u. § 31 III 2, S. 119; Zöllner, Arbeitsrecht, § 11 II 1 c, S. 127 .
(19) Schaub a.a.O. (Fn. 186), § 31 III 2, S. 119; Stahlhacke a.a.O. (Fn. 193), IX 4 b, S. 100; Zöllner a.a.O. (Fn. 210)
(20) Schaub a.a.O. (Fn. 198), S. 145; BAG AP Nr. 2 zu § 138 BGB (Ls. 1 u. Bl. 2R); LAG Düsseldorf DB 1978, 165 f.
(21) LAG Düsseldorf a.a.O. (Fn. 212)
(22) LAG Düsseldorf a.a.O. (Fn. 212), S. 166; Schaub a.a.O. (Fn. 186), § 67 VI 3, S. 352 f.
(23) Stahlhacke a.a.O. (Fn. 193), I 3, S. 51
(24) BAG AP Nr. 1 zu § 305 BGB - Billigkeitskontrolle (Bl. 2 f.) m.w.N. und zustimmender Anm. Wolf (Bl. 4 ff.) m.w.N.; AP Nr. 2 zu § 305 BGB- Billigkeitskontrolle (Bl. 2 f.) m.w.N.; AP Nr. 6 zu § 65 HGB (Bl. 2R f.) m.w.N. u. zustimmender Anm. Herschel (Bl. 5) m.w.N.; kritisch u.a. Thiele, SAE 1974, 158 f.; Kreutz, ZFA 1975, 65 ff. jeweils m.w.N.
(25) BAG AP Nr. 6 zu § 65 HGB (Bl. 3); kritisch Kreutz a.a.O. (Fn. 216), 77
(26) Stahlhacke a.a.O. (Fn. 193), I 2, S. 51; a.A.: Kreutz a.a.O. (Fn. 216), 77

Hochachtungsvoll
Bernd Albrecht

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