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Diakonie fordert: Benachteiligung von Sozialhilfeempfängern in der Gesundheitsreform zu verhindern

„Wer krank ist, dem wird zur Strafe etwas von seinem Essensgeld abgezogen...“
Diakonie fordert, Benachteiligung von Sozialhilfeempfängern in der Gesundheitsreform zu verhindern.

In der vorigen Woche wurde der zwischen Regierung und Opposition abgestimmte Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform in den Bundestag eingebracht und soll dort am 26. September 2003 verabschiedet werden. In diesem Entwurf ist vorgesehen, dass Sozialhilfeempfänger aus ihrem Regelsatz u.a. nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, Hörgerätebatterien, Brillen und Fahrkosten bezahlen sollen; und zwar soll das zusätzlich geschehen zu den Zuzahlungen, die sie dann wie die gesetzlich Krankenversicherte leisten müssen, ebenfalls aus dem nicht erhöhten Regelsatz.

Die Diakonie fordert daher, dass die bisherige Regelung des § 38 Abs.2 BSHG erhalten bleiben und noch ergänzt werden muss. Diese stellte sicher, dass alle Leistungen, die in der Gesetzlichen Krankenkasse bisher schon aus rein finanziellen Gründen ausgeschlossen waren, wie sog. Bagatellarzneimittel und Brillengestelle oder z.B. Hörgerätebatterien, jedenfalls für die Sozialhilfeempfänger zu übernehmen waren. Diese Vorschrift wäre jetzt noch zu ergänzen, wo nunmehr alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel und Fahrkosten ausgeschlossen werden sollen, auch die Vorauszahlungen für kieferorthopädische Leistungen für Kinder können von Sozialhilfeempfängern nicht aufgebracht werden.
Wenn die Sozialhilfeempfänger so wie nun vorgesehen, den Normalverdienern gleichgestellt werden sollen, ist das ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes (Art. 3 GG), das verlangt, gleiche Tatbestände gleichzubehandeln. Die Begründung des Gesetzes für den Ausschluß von Brillen, dass „durchschnittlich zu den von den Kassen übernommenen Anteil von ca. 50 € die Versicherten weitere 150 € aufbringen“ würden, trifft nicht auf Sozialhilfeempfänger zu. Weiter handelt es sich auch um Verstöße gegen die staatliche Verpflichtung aus Art.1 GG, die Menschenwürde zu schützen, und das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 GG.

Diese Problematik wird in allen amtlichen und politischen Verlautbarungen totgeschwiegen, stattdessen wird darauf hingewiesen, dass auch Geringverdiener Zuzahlungen leisten müssen, hierfür aber Belastungsgrenzen eingeführt wurden (2 % des Bruttoeinkommens, 1 % bei chronisch Kranken). Für alleinstehende Sozialhilfeempfänger, auch Heimbewohner, die einen Barbetrag vom Sozialamt erhalten, sind dies auf das Jahr bezogen ca. 71 €. Für den durchaus möglichen Fall, etwa bei einem Krankenhausaufenthalt, für den am Tag 10 € zuzuzahlen sind, dass dieser Betrag in kürzerer oder kürzester Zeit aufzubringen ist, tröstet die Gesetzesbegründung damit, dass das Sozialamt ja dem Hilfeempfänger ein Darlehen gewähren könnte. Das mindeste, was in diesem Zusammenhang zu fordern ist, ist eine gesetzliche Festschreibung auf ein solches Darlehen mit Verteilung der Rückzahlung auf das ganze Jahr.

Im Hinblick auf Heimbewohner ist zu berücksichtigen, dass diese Belastung dazu kommt, obwohl gleichzeitig vorgesehen ist, den Barbetrag bis zu einem Drittel zu kürzen. Im übrigen treffen die Zuzahlungen und die Leistungsausschlüsse besonders hart auch diejenigen, die gerade die vorgesehene Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe erhebliche Einschränkungen erleiden. Dass ein Staat das Recht hat die ständige Arbeitsbereitschaft von Menschen zu fordern, denen er abverlangt, sich Brillen, Grippemedikamente und Hörgerätebatterien von ihrem Essen abzusparen, dürfte moralisch nicht zu begründen sein.

Wenn § 38 Abs.2 BSHG nicht beibehalten und im geforderten Sinn ergänzt würde, wäre der grundgesetzliche Anspruch an die Sozialhilfe, Arme vor Notlagen zu schützen, in Frage gestellt.

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