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Frankreich bekämpft Lohndumping - warum nicht auch Deutschland?

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Presseerklärung vom 24.07.2003

Frankreich bekämpft Lohndumping - warum nicht auch Deutschland?

Der deutschen Öffentlichkeit weitgehend vorenthalten, hat Frankreich Anfang diesen Monats den gesetzlichen Mindestlohn drastisch erhöht, um den sozialen Zusammenhalt zu stärken, wie Premierminister Raffarin mitteilte. Warum ist das bei uns nicht möglich, fragt Harald Werner, gewerkschaftspolitischer Sprecher der PDS, und stellt seine Vorstellungen zum Thema Mindestlohn vor:


In vielen Ländern, wie etwa in den USA, in Großbritannien oder Frankreich, gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn, der von Arbeitgebern nicht unterschritten werden darf. Nach der Europäischen Sozialcharta sind die Mitgliedsländer der EU eigentlich verpflichtet, keine Löhne zuzulassen, die niedriger als 68 Prozent des nationalen Durchschnittslohns sind. Bis heute ist diese Richtlinie jedoch nicht mehr als eine Empfehlung und wird nur von wenigen Ländern, wie zum Beispiel von Frankreich eingehalten. Der französische Mindestlohn (SMIC) wurde im Juli überproportional um 5,5 Prozent erhöht und beträgt jetzt 7,19 €. Bei einer 35-Stunden-Woche, die in Frankreich gesetzlich verankert ist, entspricht das einem monatlichen Mindesteinkommen von 1.090,48 €. Bei 39 Wochenstunden sind es 1.227,57 €. Bezogen auf die in Deutschland im Durchschnitt geleistete Arbeitszeit von 37,9 Stunden entspräche das einem Monatseinkommen von 1.192, 95 €.

In Deutschland gibt es zahlreiche Branchen, in denen der französische Mindestlohn deutlich unterschritten wird. So erhielten landwirtschaftlich Hilfsarbeiter in den neuen Bundesländern im vergangenen Jahr durchschnittlich 6,50 € pro Stunde. In vielen Branchen, wie etwa im ostdeutschen Wachgewerbe, ist sogar die tarifliche Bezahlung niedriger.

Ein gesetzlicher Mindestlohn, der 68 Prozent des nationalen Durchschnittslohnes entspricht, würde in Deutschland bei 9,90 € liegen, wobei sich diese Größe nur auf die Arbeiterlöhne des vergangenen Jahres bezieht. Werden die tariflichen Angestelltengehälter mit einbezogen, kommt eine Größenordnung von weit mehr als 10 € zustande. Aber selbst wenn man nicht die Maßstäbe der EU-Sozialcharta von "angemessenen" Löhnen zu Grunde legt, sondern von der bei 50 Prozent angelegten EU-Armutsgrenze ausgeht, liegt die deutsche Armutsgrenze für Stundenlöhne bei 7,28 €. Einschließlich der eine Million neuer Minijobs, sind Stundenverdienste unter der Armutsgrenze in der Bundesrepublik alles andere als eine Randerscheinung. Nach gewerkschaftlichen Berechnungen lagen bereits 1996 die Stundenlöhne von 1,1 Millionen Vollzeitbeschäftigten unter der Armutsgrenze. Weniger als 66 Prozent des Durchschnittslohns erhielten 2,3 Millionen oder 13,3 Prozent. Nimmt man die Millionen Teilzeitbeschäftigten oder Minijobs hinzu, dann dürfte mindestens jeder Zehnte mit seinem Einkommen unter der Armutsgrenze liegen.

Die PDS hatte 2002 einen Antrag zur Einführung eines Mindestlohnes in den Bundestag eingebracht, der aber wegen der Bundestagswahl nicht mehr zur Abstimmung kam. Danach sollte der Mindestlohn 68 Prozent des Durchschnittslohns betragen und jährlich an die Entwicklung der Tarifabschlüsse angepasst werden. Wie weit sich eine solche Forderung durchsetzen wird, ist allerdings im entscheidenden Maße vom öffentlichen Klima abhängig. Denn wer weiß schon, dass nicht nur die Niedriglohnstrategie der Hartz-Gesetze oder der Agenda 2010 gegen europäische Normen verstößt, sondern bereits schon die bestehende Wirklichkeit?


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