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Gegenwehr gegen 1 Euro-Jobs ist möglich! - Kleine Handlungshilfe

Gegenwehr gegen 1 Euro-Jobs ist möglich!
Kleine Handlungshilfe

Nach der Bescheidung Ihres Antrages auf Arbeitslosengeld II kann es passieren, dass Sie ab dem 1.1.2005 in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) gemäß § 16 Abs. 3 Sozialgesetzbuch II (SGB II) durch die Agentur für Arbeit zugewiesen werden.

„Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, sollen Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Werden Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten nicht nach Absatz 1 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert, ist den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen; diese Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts; die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz sind entsprechend anzu-wenden; für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haften erwerbsfähige Hilfebedürftige nur wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“ (§ 16 Abs. 3 SGB II)

Zwar gilt für die BezieherInnen von Arbeitslosenhilfe noch bis zum 31.12.2004, dass bei Ablehnung eines „1- Euro-Jobs“ kein Verlust der Leistung droht. Haben Sie einen Bescheid auf Arbeitslosengeld II nach dem SGB II ab dem 1.1.2005, kann die Ablehnung einer Arbeitsgelegenheit zu einer 30-prozentigen Kürzung Ihrer Regelleistung führen, wenn kein wichtiger Grund für die Ablehnung des Jobs vorliegt.

Wie können Sie sich dennoch zur Wehr zu setzen?

Ein Widerspruch gegen eine von der Arbeitsagentur zugewiesene Eingliederungsmaßnahme in Arbeit hat keine aufschiebende Wirkung mehr. Sie können zwar Widerspruch einlegen, müssen aber der Maßnahme zur Eingliede-rung in Arbeit zunächst Folge leisten bis zu einem erfolgreichen Widerspruchsbescheid.

Trotzdem ist es wichtig, eine Zuweisung in einen 1-Euro-Job nicht widerspruchslos hinzunehmen. Vor einem Wider-spruch sind deshalb zunächst folgende Fragen zu klären: Prüfen Sie, ob die Arbeitsgelegenheit zum Zweck der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt tatsächlich erforderlich ist und andere Maßnahmen vorher geprüft wurden und gescheitert sind. Grundsätzlich muss die Agentur auf Ihr Verlangen hin die Erforderlichkeit einer solchen Zuwei-sung begründen (§ 3 SGB II, § 35 Abs.1 SGB X, § 33 Abs. 2 SGB X). Denn bei den Arbeitsgelegenheiten handelt es sich um nachrangige Leistungen, wenn „erwerbsfähige Hilfebedürftige keine Arbeit finden können.“ Dies setzt vor-aus, dass viele Eigenbemühungen vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unternommen wurden und die Arbeitsagen-tur davon Kenntnis hat. Ist letzteres nicht der Fall, ist nach § 15 SGB II der Abschluss einer Eingliederungsvereinba-rung vorrangig wie ebenso das Angebot bzw. Verlangen nach Arbeitsfördermaßnahmen gemäß § 16 Abs. 1 SGB II.

Besteht der Verdacht, dass durch sog. „Arbeitsgelegenheiten“ reguläre Beschäftigung ersetzt werden soll, so sollten Sie auch mit einem Anwalt die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Klagen prüfen (Lohnleistungsklage, Feststellungsklage). Teilen Sie dies an Ihrem Einsatzort mit, damit der Träger Kenntnis vom möglichen Rechtsstreit hat.

Legen Sie auch Widerspruch ein, wenn folgendes nicht zufriedenstellend beantwortet wurde:

- Wurden Ihre Eigenbemühungen geprüft, wurden Sie zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung aufgefordert bzw. wurde Ihnen eine Maßnahme nach § 16 Abs. 1 angeboten?

- Erkundigen Sie sich bei Ihren KommunalvertreterInnen, ob ein regionaler Konsens über die Einsatzfelder öffentlich geförderter Beschäftigung („öffentliches Interesse“) erzielt wurde und ob die Ihnen angetragene Arbeitsgelegenheit sich in diesem Rahmen bewegt. Lassen Sie sich das Schriftstück aushändigen. Ist letzteres nicht der Fall, geben Sie dies im Widerspruch an. Prüfen Sie, ob ein Beirat Arbeitsgemeinschaften (ARGE) besteht und ob dieser auf die Zusätzlichkeitskriterien der Arbeitsgelegenheiten achtet.

- Fragen Sie in der Arbeitsagentur bzw. im Sozialamt nach, ob für die Ihnen zugewiesene Stelle eine Arbeitsplatz- bzw. Tätigkeitsbeschreibung existiert und erkunden Sie sich, an wen sie sich wenden können, wenn darüber hinaus von Ihnen Arbeiten vom Träger verlangt werden.

- Erkundigen Sie sich beim Maßnahmeträger nach Arbeitszeitdauer, Höhe der Mehraufwandsentschädigung, den Tätigkeitsinhalt und Bedingungen für die Tätigkeit.

- Suchen Sie nach Möglichkeit die betriebliche Interessenvertretung auf und prüfen Sie mit dieser folgende wichtige Sachverhalte zur Arbeitsgelegenheit (ein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen besteht nach BetrVG § 99, wenn im Betrieb mehr als 20 Personen beschäftigt sind. Bei 1 Euro-Jobs handelt es sich zwar nicht um die Begründung eines Arbeits-verhältnisses, wohl aber kann darunter die Arbeitsaufnahme an einem bestimmten Arbeitsplatz verstanden werden ):

• Ist die Tätigkeit zusätzlich? (Gab es sie vorher nicht? Wurde sie ehrenamtlich geleistet? Oder haben Träger bzw. Kommune nur momentan kein Geld dazu?)

• Werden ganz sicher keine anderen Arbeitsplätze verdrängt? (Das Stammpersonal sollte mit dem vergleichbaren Personal anderer Träger verglichen werden.)

• Wurden in den letzten beiden Jahren tariflich bezahlte Stammarbeitskräfte entlassen?

• Kommen die durchgeführten Arbeiten der Allgemeinheit zugute oder privaten Zwecken?

• Gibt es eine Weiterbildungsinitiative zur qualifikationsgerechten Wiederbesetzung von freien Stellen?

• Eröffnen die geforderten Tätigkeiten und nachgefragten Qualifikationen eine Integrationsperspektive im ersten Arbeitsmarkt und besteht dort eine Nachfrage danach?

• Entsprechen die geforderten Tätigkeiten den beruflichen Qualifikationen des/r Erwerbslosen oder bewirken sie dess/ren Dequalifizierung?

• Wie ist sichergestellt, dass die Beschäftigung zum Mehraufwandssatz von 1-2 Euro pro Stunde die Ultima ratio bleibt?

• Werden die Fahrtkosten zum Arbeitsort übernommen?

• Ist die Arbeitszeit begrenzt, damit ausreichend freie Zeit zur Arbeitssuche und Qualifizierung bleibt?

• Ist sichergestellt, dass mit der/m Erwerbslosen ein konkreter Eingliederungsweg und ein Maßnahmeziel verab-redet wurden?

• Sieht die Eingliederungsvereinbarung konkrete Qualifizierungselemente vor, auf die im Zweifel ein Rechtsan-spruch besteht?

• Gibt es beim Träger eine/n Maßnahmebetreuer/in?

• Ist sichergestellt, dass mit weiteren unterstützenden Hilfen die Eingliederungsaussichten in den ersten Arbeits-markt verbessert werden, z.B. durch Kinderbetreuung, Schuldnerberatung usw.?

• Werden auch während der Maßnahme weitere Vermittlungsbemühungen durch die Arbeitsagentur unternom-men?

Ein erster Musterwiderspruch liegt unter: http://www.bag-shi.de/sozialpolitik/infokampagne/algii_antrag_uebersicht/musterwiderspruch_gegen_bescheid, künftig unter: http://www.alg-2.info

Veröffentlichen Sie skandalöse Sachverhalte in den Medien. Schicken Sie Ihre Rechercheergebnisse der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen e.V., Moselstraße 25, 60329 Frank-furt, kontakt@alg-2.info und an die bundesweite Arbeitslosenzeitung ´quer`, Guido Grüner, Postfach 13 63, D-26003 Oldenburg, E-mail: _quer.infos@web.de zur Dokumentation zu.

V.i.S.d.P.: Anne Allex, Berliner Kampagne gegen Hartz IV (www.hartzkampagne.de ; c/o Büro ´anders arbeiten`, Tel. 030 / 695 98 306) und Bundes-arbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen e.V. (www.bag-shi.de)

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