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GEW: 1-Euro-Jobs im Erziehungs- und Bildungsbereich - Empfehlungen zum Verhalten der Personalräte

GEW: Informationen aus der Landesrechtsstelle Hessen

1-Euro-Jobs im Erziehungs- und Bildungsbereich
Empfehlungen zum Verhalten der Personalräte

Ausgangslage
Seit dem 1.1.2005 gibt es auf der Grundlage des neuen SGB II (2. Buch des Sozial-gesetzbuches, besser auch als „Hartz IV“ bekannt) sogenannte Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigung. Bis zu 700.000 Arbeitslose sollen nach den Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministers in solchen „Zusatzjobs“ gegen eine Entschädigung von 1 bis 2 Euro pro Arbeitsstunde beschäftigt werden.
Die GEW lehnt es ab, dass Aufgaben in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen durch Personen mit 1-Euro-Jobs wahrgenommen werden. Die Gründe hierfür hat der Landesvorstand in einem Beschluss vom 25.11.04 dargelegt. Dieser Beschluss ist als Anlage diesem Info beigefügt.
Teil des Beschlusses ist auch die Aufforderung an die Personalräte, solche Beschäf-tigungsverhältnisse abzulehnen.
In den letzten Wochen gab es bereits vielfältige Signale, dass konkrete Erwägungen angestellt bzw. bereits Vorkehrungen getroffen werden, um Personen mit 1-Euro-Jobs auch in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen zu beschäftigen. Unklar sind allerdings noch die konkreten Verfahrensweisen, z. B. ob die Staatlichen Schulämter insoweit tätig werden oder ob Schulleitungen für den Abschluss solcher Vereinba-rungen zuständig sein sollen. Besonders intensiv scheint man bei einigen Schulträ-gern über den Einsatz von Arbeitslosen nachzudenken, wobei nicht nur an Einsatz-möglichkeiten im technischen und Verwaltungsbereich gedacht wird, die originär in die Zuständigkeit der Schulträger fallen, sondern auch an die Übertragung von Auf-gaben mit pädagogischem Schwerpunkt.
Bei dieser Sachlage halten wir es für wichtig, dass
- Gesamtpersonalräte die Frage, ob im Bereich ihres Staatlichen Schulamts an
1-Euro-Jobs in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen gedacht ist, mit den Schul-amtsleitungen erörtern und ggf. die Örtlichen Personalräte in ihrem Bereich informie-ren bzw. vorwarnen.
- Örtliche Personalräte – falls an ihren Einrichtungen 1-Euro-Jobs geschaffen wer-den sollen – ihre Beteiligung nach Maßgabe der weiter unten dargelegten Grundsät-ze einfordern.
- Gesamtpersonalräte und Schulpersonalräte Kontakt mit dem zuständigen Per-sonalrat ihres Schulträgers aufnehmen, wenn ihnen bekannt wird, dass Personen mit 1-Euro-Jobs im technischen und/oder Verwaltungsbereich der Schule beschäftigt werden sollen bzw. dort erfragen, was über die Pläne des Schulträgers bekannt ist.

Personalräte sollen Beteiligung einfordern
Wenn erkennbar wird, dass 1-Euro-Jobs an einer Einrichtung entstehen sollen, soll der Örtliche Personalrat seine Beteiligung einfordern, wenn es sich um die Wahr-nehmung von pädagogischen Aufgaben handelt für die ansonsten pädagogisches Personal an der Einrichtung tätig wird und die Einstellung mithin in den Zuständig-keitsbereich des Örtlichen Personalrats fällt. Der Personalrat soll – siehe oben – Kontakt mit dem Personalrat des Schulträgers aufnehmen, wenn die Jobs im techni-schen und/oder im Verwaltungsbereich entstehen sollen und die Einstellung in die Zuständigkeit dieses Personalrats fällt.
Es mag sein, dass Dienststellenleitungen von sich aus den Personalrat mit der Ange-legenheit befassen, wenn Personen mit 1-Euro-Jobs beschäftigt werden sollen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Personalrat eventuell informiert wird, die Ange-legenheit jedoch nicht zur Mitbestimmung vorgelegt wird. In diesem Fall müsste Mit-bestimmung gestützt auf folgende Argumente eingefordert werden.
Bei der Beschäftigung von Personen – auch mit 1-Euro-Jobs – handelt es sich um eine Einstellung im Sinne von § 77 Abs. 2 a HPVG, bei der der Personalrat mit-zubestimmen hat. Sollen pädagogische Aufgaben wahrgenommen werden, fällt dies in die Zuständigkeit des örtlichen Personalrats. Durch 1-Euro-Jobs nach SGB II sollen ausdrücklich keine Arbeitsverhältnisse begründet werden. Es mag sein, dass mit diesem Argument eine Personalratsbeteiligung abgelehnt wird. Dies ist jedoch kein entscheidender Einwand gegen das Vorliegen des Mitbestimmungstatbestandes nach § 77 Abs. 2 a HPVG. Entscheidend ist insoweit, dass die betreffenden Perso-nen in die Dienststelle „eingegliedert“ werden, dass sie Tätigkeiten ausüben, die auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen wahrgenommen werden könnten und dass es eine Weisungsabhängigkeit der Betroffenen bzw. ein Weisungsrecht der Dienststellenleitung in Bezug auf Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung gibt. Dies wird in der Praxis immer der Fall sein. Die Arbeitslosen werden faktisch wie Arbeitnehmer behandelt, sie werden in die Betriebsorganisation eingegliedert, unterliegen den Weisungen des Arbeitgebers, müssen in bestehende Arbeitszeitregelungen integriert werden. Ihre Arbeit hat unmittelbare Auswirkungen für andere Beschäftigte. Bei Ein-arbeitung, Aufgabenzuteilung, Koordination mit der Arbeit sonstiger Beschäftigter – überall berührt der Einsatz andere Beschäftigte.
Wird ein Personalrat nicht im Wege der Mitbestimmung beteiligt, sondern wird er le-diglich informiert oder erscheinen Personen mit 1-Euro-Jobs gar ohne jede Informati-on des Personalrats eines Tages an der Dienststelle, so bitten wir, umgehend den jeweiligen Gesamtpersonalrat und die GEW zu informieren. Gegebenenfalls muss das Beteiligungsrecht im Wege von Beschlussverfahren geklärt werden. Für Musterverfahren sollten die entsprechenden Fälle möglichst gut geeignet sein. Die Auswahl sollte deshalb in dem genannten Rahmen abgestimmt geschehen.

Personalräte sollen die Zustimmung zur Beschäftigung von Perso-nen mit 1-Euro-Jobs verweigern.
Als GEW lehnen wir die Ausbreitung von 1-Euro-Jobs an Erziehungs- und Bildungs-einrichtungen ab. Die politischen Gründe hierfür erläutert der Beschluss des Landes-vorstandes.
Werden dem Personalrat Einstellungen auf der Basis von 1-Euro-Jobs zur Zustim-mung vorgelegt, reicht es nicht, eine Ablehnung auf die genannten politischen Grün-de zu stützen. Auf jeden Fall soll eine Ablehnungsbegründung auch Gesichtspunkte enthalten, die sich an den Anforderungen orientieren, die das HPVG für eine Zu-stimmungsverweigerung formuliert. Insoweit besteht nach der letzten HPVG-Novelle die Rechtslage, dass sich eine Ablehnungsbegründung am Versagungskatalog des § 77 Abs. 4 HPVG orientieren muss. Ist dies nicht der Fall, muss damit gerechnet werden, dass sich die Behörde auf die Zustimmungsfiktion des § 69 Abs. 2 Satz 4 HPVG beruft. Nach insoweit herrschender Meinung gilt eine Maßnahme nicht nur dann als „gebilligt“, wenn der Personalrat nicht fristgerecht oder nicht schriftlich be-gründet seine Zustimmung verweigert, sondern auch dann, wenn eine fristgerechte schriftliche Ablehnungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Von daher sollten in den Ablehnungsbegründungen folgende Gesichtspunkte unbe-dingt beachtet werden, damit eine Weiterführung im Stufenverfahren möglich ist.
Von den Gründen des Versagungskataloges des § 77 Abs. 4 HPVG ist die Ziffer 1 einschlägig. Der Personalrat sollte deshalb formulieren, dass die beantragte Ein-stellung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 4 Ziffer 1 HPVG abgelehnt wird, weil die Beschäftigung gegen geltende rechtliche Vorschriften verstößt. Insoweit kann man sich sowohl auf einen Verstoß gegen Vorschriften des SGB II als auch auf einen Verstoß gegen sonstige Vorschriften beziehen.

SGB- Vorschriften
Öffentliches Interesse
Die Tätigkeiten, die im Rahmen von 1-Euro-Jobs ausgeübt werden sollen, müssen im öffentlichen Interesse liegen. Dies ist nach der Definition der Bundesagentur für Arbeit dann der Fall, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient. Insoweit kann man als Personalrat bei einer Ablehnungsbegründung nicht einfach bestreiten, dass die vorgesehenen Tätigkeiten im öffentlichen Interesse liegen. Wie man hört, wird über ein breites Spektrum von pädagogischen Einsatzmöglichkeiten: von Hausaufgabenbetreuung, pädagogischer Mittagsbetreuung, Leitung von Arbeitsge-meinschaften bis hin zu Vertretungsunterricht nachgedacht. Selbstverständlich be-steht an derartigen Tätigkeiten Bedarf und Interesse. Nicht im öffentlichen Interes-se liegt jedoch, dass die Tätigkeiten im Rahmen von 1-Euro-Jobs wahrgenom-men werden. Vielmehr muss eine solche pädagogische Arbeit im Rahmen von Strukturen stattfinden, in den pädagogische Qualität und Kontinuität gewährleistet ist. Dies geht nur mit Personal in regulären Beschäftigungsverhältnissen.

Zusätzlichkeit
Arbeiten im Rahmen von 1-Euro-Jobs müssen zusätzlich sein. Sie sind zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem spä-teren Zeitpunkt durchgeführt würden (§ 261 SGB III). In der Regel wird man bei den in Aussicht genommenen Maßnahmen nicht argumentieren können, diese seien nicht „zusätzlich“ im oben genannten Sinne. Leider stellen die öffentlichen Arbeitge-ber für die Wahrnehmung sinnvoller und notwendiger pädagogischer Aufgaben, die im Rahmen von 1-Euro-Jobs der Diskussion sind, bislang kein oder zu wenig Perso-nal in regulären Beschäftigungsverhältnissen zur Verfügung. Man muss mithin argu-mentieren, dass durch 1-Euro-Jobs zwar in der Regel keine aktuell wahrgenomme-nen regulären Tätigkeiten verdrängt werden, jedoch der Druck auf die öffentlichen Arbeitgeber vermindert wird, für die Wahrnehmung erforderlicher Aufgaben Personal in regulären Beschäftigungsverhältnissen bereitzustellen.

Wettbewerbsneutralität
Im gleichen Sinne kann unter dem Gesichtspunkt „Wettbewerbsneutralität“ argumen-tiert werden. Auch dieses Kriterium, das nach dem SGB zu beachten ist, soll verhin-dern, dass reguläre Jobs verdrängt werden. Dies kann der Fall sein, wenn sich ab-zeichnet, dass z. B. vorhandene befristete Arbeitsverhältnisse nicht verlängert oder nicht mehr zu Verfügung gestellt werden sollen. Auch die Schaffung neuer Arbeits-plätze darf durch 1-Euro-Jobs nicht verhindert werden. Dies ist jedoch der Fall, wenn der Druck auf die Schaffung regulärer Beschäftigungsverhältnisse für die Wahrneh-mung notwendiger Aufgaben dadurch vermindert wird, dass in diesem Bereich mit
1-Euro-Jobs gearbeitet wird.

Ablehnungsgründe außerhalb des SGB
Sollen im Rahmen von 1-Euro-Jobs pädagogische Aufgaben an Erziehungs- und Bildungseinrichtungen wahrgenommen werden, so steht ergänzend folgende Argu-mentation zur Verfügung. Für Schulen gilt: Nach § 86 des Hessischen Schulgeset-zes (HSchG) sollen die Erziehungs- und Bildungsaufgaben, Beratungs- und Betreuungsaufgaben von Pädagoginnen und Pädagogen wahrgenommen wer-den, die in der Regel ins Beamtenverhältnis zu berufen sind. Werden sie nicht, wie die Regel dies vorsieht, ins Beamtenverhältnis berufen, so müssen sie zumindest in ordentlichen Beschäftigungsverhältnissen tätig werden. Die Übertragung von Er-ziehungs-, Bildungs-, Beratungs- und Betreuungsaufgaben auf Personen mit
1-Euro-Jobs widerspricht mithin der gesetzlichen Vorschrift des § 86 HSchG.
Für die Übertragung pädagogischer Aufgaben an Erziehungseinrichtungen gilt, dass wegen des öffentlich-rechtlichen Erziehungsauftrages ein Rechtsverhältnis gegeben sein muss, das Weisungs- und Direktionsrechte beinhaltet, die typischerweise nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gegeben sind. Auch wenn man Weisungs-rechte gegenüber Beschäftigten mit 1-Euro-Jobs annimmt (s.o.: Eingliederung), so erreichen diese doch nicht die Intensität, die sich aus dem „Treueverhältnis“ ergibt, das sich sowohl für Beamtenverhältnisse wie für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst ergibt und das an Erziehungs- und Bildungseinrichtungen in besonderer Wei-se qualitativ ausgestaltet ist.


Schlussbemerkung
Um das Einsickern und die Ausbreitung von 1-Euro-Jobs im Erziehungs- und Bil-dungsbereich zu verhindern oder zumindest zu begrenzen, bedarf es vielfältiger poli-tischer Anstrengungen. Das Verhalten der Personalräte kann insoweit nur ein – al-lerdings nicht unwichtiger – Mosaikstein sein. Personalräte brauchen insoweit auch die Unterstützung der Belegschaften. Deshalb sollten die politischen Zusammenhän-ge vor Ort in den Dienststellen diskutiert werden.
In wieweit die hier dargestellten Ablehnungsgesichtspunkte in Beteiligungsverfahren tragen, wird man erst wissen, wenn es zu Streitfällen kommt und die Gerichte sich mit dieser Frage beschäftigt haben werden. Vorerst empfiehlt es sich, eine Ableh-nungsbegründung eher umfangreicher und auf möglichst viele Ablehnungsgesichts-punkte zu stützen, als Gesichtspunkte, die möglicherweise von Bedeutung sind, wegzulassen.
Insgesamt gilt, dass sich erst in der Praxis der nächsten Wochen und Monate zeigen wird, in welchen Bereichen bzw. in welcher Bandbreite wir mit 1-Euro-Jobs in Erzie-hungs- und Bildungseinrichtungen rechnen müssen, wie die Dienststellen sich ver-halten, wann und wo sie ihre Personalräte beteiligen bzw. nicht beteiligen. Insofern werden wir die vorliegenden Empfehlungen anhand von Rückmeldungen aus der Praxis, um die wir bitten, zur gegebener Zeit überarbeiten und aktualisieren.

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