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Hartz Kommision

Samstag, 22. Juni 2002 Berlin Online

Neue Pläne zum Sozialabbau
Reformkommission der Regierung plant drastische Einschnitte für Arbeitslose / Leistungen sollen auf zwei Jahre beschränkt werden Regine Zylka

BERLIN, 21. Juni. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes plant offenbar drastische Einschnitte in der bisherigen Arbeitslosenunterstützung. Die Expertengruppe unter Leitung des VW-Managers Peter Hartz erwägt unter anderem, die Bezugsdauer von Lohnersatzleistungen künftig auf insgesamt zwei Jahre zu begrenzen, erfuhr die "Berliner Zeitung" am Freitag aus Kommissionskreisen. Bislang wird das Arbeitslosengeld für maximal drei Jahre gewährt, die Arbeitslosenhilfe ist zeitlich unbegrenzt.
Zudem bestehe in der Hartz-Kommission "weitgehend" Konsens darüber, dass man die Zahlung von Lohnersatzleistungen zu Beginn der Arbeitslosigkeit für einen begrenzten Zeitraum pauschalieren wolle, hieß es in den Kreisen weiter. Ziel sei es, die Arbeitsämter von Bürokratie zu entlasten, damit sie sich besser auf ihre "eigentliche" Aufgabe der Vermittlung von Job-Suchenden in den ersten Arbeitsmarkt konzentrieren könnten.

Offiziell teilte die Kommission im Anschluss an ihr Treffen am Freitag im Bundesarbeitsministerium mit, dass sie sich zur Dauer und Ausgestaltung der Lohnersatzleistungen noch nicht festgelegt habe. Einig sei sich die Expertengruppe jedoch darüber, dass in der Arbeitsverwaltung sowie in der Arbeitsmarktpolitik ein "Kulturwandel zweifellos nötig" sei. Deshalb werde man "ehrgeizige und praxisnahe" Reformen vorschlagen. "Ich bin mit der bisherigen Arbeit der Kommission sehr zufrieden", sagte Peter Hartz dieser Zeitung am Abend in Berlin.

Die Vertreterin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in der Kommission, Isolde Kunkel-Weber, bestritt allerdings nach dem Treffen, dass Kürzungen von Sozialleistungen geplant seien. Da sei "nichts dran", sagte sie.

Die durchgesickerten Überlegungen in der Kommission riefen am Freitag bereits heftige Reaktionen hervor. Der Deutsche Städtetag warnte vor einem "sozialpolitischen Super-Gau", falls eine derart radikale Reform von Arbeitslosengeld und -hilfe realisiert werden sollte. Der Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, sich zu distanzieren und ein "Machtwort" zu sprechen. Ansonsten "ist das das Ende von Rot-Grün am 22. September", sagte Möllenberg dieser Zeitung. FDP-Vize Rainer Brüderle begrüßte hingegen die Pläne und forderte Arbeitsminister Walter Riester (SPD) auf, "nicht hasenfüßig" zu sein, "wenn die Gewerkschaftsfunktionäre in der SPD die Umsetzung torpedieren".

Die Regierung hatte die Kommission nach dem Skandal um geschönte Vermittlungsstatistiken der Bundesanstalt für Arbeit vor rund drei Monaten ins Leben gerufen. Sie wurde beauftragt, die Strukturreform der Bundesanstalt sowie die in der nächsten Wahlperiode geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe vorzubereiten. Der Öffentlichkeit sollen die Vorschläge am 16. August präsentiert werden. Zuvor sollen keine Details bekannt gegeben werden. Hartz hatte den Kommissionsmitgliedern strenge Vertraulichkeit verordnet. Dass dennoch erste Überlegungen publik wurden, wurde im Umfeld der Expertengruppe als "Versuch der Provokation" gewertet. "Interessierte Kreise" verfolgten damit das Ziel, den Spielraum der Kommission für "unkonventionelle" Reformen einzuengen, hieß es am Freitag.

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