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Offener Brief an MdB's / Thesen + Argumente gegen ALG II

Michael Lange schrieb:
26. Juni 2004

Sehr geehrte Damen und Herren im Deutschen Bundestag,

der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat verhandelt am Donnerstag den 1. Juli 2004 erneut das Hartz-IV-Gesetz, insbesondere über die Einführung des sog. Arbeitslosengeldes II.

Die Einführung dieses _unter dem normalen Sozialhilfesatz_ liegenden „Geldes“ führt zu einer weiteren _Verarmung weiter Kreise der Bevölkerung_. Nicht nur, dass die ohnehin schon Bedürftigen geschröpft werden. Auch die Kommunen werden zusätzlich durch die geplanten Unterkunftsleistungen in unerträglichem Maße belastet. Beispiel Herne, das entsprechende Berechnungen gemacht hat:

Statt Entlastungen drohen Mehrbelastungen von 20 Millionen
Euro

Die den Kommunen in Aussicht gestellten finanziellen Entlastungen beruhen auf falschen Berechnungen und Hochrechnungen die nicht eintreffen werden.

Allgemein wird bundesweit von einer Finanzierungslücke von 5 Mrd. Euro (NRW 1 Mrd.Euro) ausgegangen.

Nach unserer Einschätzung könnten auf die Stadt Herne Mehrbelastungen von deutlich über 20 Millionen Euro jährlich zukommen. Begleitende Hilfeleistungen wie z.B. im Bereich des Ausbaus des Betreuungsangebotes für Kinder sind hier noch gar nicht eingerechnet.

Tausende Herner Familien vor völlig neuer Lage

In Herne wären von der Einführung des ALG II (Grundsicherung für erwerbsfähige Arbeitslose) etwa 9.600 ( ! ) Haushalte und 650 Haushalte im Sozialhilfebereich (Grundsicherung im Alter, Hilfen für Kranke, Pflegebedürftige, Behinderte, dauerhaft Erwerbsgeminderte ) von Veränderungen betroffen.

Aufforderung zum Wohnungswechsel

Viele Herner Erwerbslose und ihre Angehörigen werden vor eine völlig neue Situation gestellt: Bislang konnten sie ihre Wohnung nach eigenen Prioritäten auswählen und hatten häufig Anspruch auf Wohngeld. In Zukunft wären sie komplett von der Übernahme der Kosten durch die Stadt abhängig. Nach Schätzungen liegen die Wohnkosten der bisherigen
Arbeitslosenhilfebezieher um 10 % bis 20 % höher wie bei den Sozialhilfebeziehern.

Das heißt: Würden die bisherigen Kostenobergrenzen für die Übernahme der Unterkunftskosten durch das städtische Sozialamt auf die künftigen ALG II-Bezieher übertragen, müssten Tausende Herner mit Umzugsaufforderungen rechnen.

Darüber hinaus stellt es einen besonderen sozialen Sprengstoff dar, wenn bisherige Arbeitslosenhilfebezieher künftig auf „ angemessenen “ Wohnraum verwiesen werden müssen und möglicherweise Tausende von Menschen in Herne die Wohnung wechseln müssen.

Keine Planungssicherheit

Bisher fehlt es den Beschäftigten der Herner Sozialverwaltung allerdings- trotz des enormen Zeitdrucks - an jeglicher Planungssicherheit, da eine entsprechende Rechtsverordnung noch nicht einmal im Entwurf vorliegt !

Betroffene sind über gravierende Änderungen noch nicht
informiert

Auch ist davon auszugehen das viele erwerbslose Hilfebezieher in unserer Stadt noch gar nicht über die gravierenden Auswirkungen und sozialen Folgen für sie persönlich informiert sind.

Entgegen der vormals angekündigten Entlastung werden die Kommunen durch die Verpflichtung, die Unterkunft der Arbeitslosenhilfeempfänger, die dies dann nicht mehr zahlen können, zu übernehmen, weiter zur Kasse gebeten.

Kaufkraftverlust in Millionenhöhe

Dazu kommt, dass durch den entstehenden Kaufkraftverlust die Einnahmen weiter sinken, kleine Selbstständige in den Konkurs getrieben werden und die Zahl der Arbeitslosen erhöht wird. Allein in Herne (NRW) würde die Einführung des ALG II einen *Kaufkraftverlust von schätzungsweise 12
Millionen Euro pro Jahr betragen*. Andere Kommunen (z.B. in Mecklenburg – Vorpommern) haben ähnliche Zahlen errechnet.

Mit der Agenda 2010 der Bundesregierung und den sogenannten
"Reformvorschlägen" der Oppositionsparteien soll die Bundesrepublik aus der Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise geführt werden. Im Wesentlichen beinhalten diese radikalen politischen Pläne drastische Leistungskürzungen in den sozialen Sicherungssystemen.

Ich widerspreche dieser Politik, weil die angekündigten Maßnahmen die Probleme auf dem Arbeitsmarkt und in den anderen sozialen Sicherungssystemen nicht beseitigen werden. Die geplanten Einschnitte verletzen die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit und gefährden den Sozialstaat, schaffen aber keine Arbeitsplätze und fördern schon gar nicht das Wirtschaftswachstum (wie man den Medienmeldungen entnehmen kann).

Ich widerspreche der Behauptung, dass der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar und die Ursache von wirtschaftlicher Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit sei. In den vergangenen Jahren wurden die Staatsfinanzen systematisch zugunsten der Konzerne und der Reichen
umgeschichtet. Die Vermögenssteuer wurde ausgesetzt, die
Erbschaftssteuer nicht angepasst, die Körperschaftssteuer zur Subvention umgewandelt. Dadurch gehen den Staatsfinanzen Milliardenbeträge verloren. Diese gigantischen Steuersenkungen führten nicht zur Lösung
der Probleme am Arbeitsmarkt.

*Ich fordere Sie auf, Ihre politische Verantwortung für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit zu nutzen, und nicht die Arbeitslosen, Kranken, Rentner und Jugendlichen zu bekämpfen.

Das Hartz-IV-Gesetz muss sofort gestoppt werden!*

*Die Agenda 2010 der rotgrünen Bundesregierung und alle weiteren politischen Pläne der angeblich christlichen Oppositionsparteien müssen vom Tisch.*

*Wollen Sie persönlich für ein erneutes Endergebnis der "Weimarer Republik verantwortlich sein. Haben Ihnen das Ergebnis der Europawahlen immer noch nicht deutlich genug gezeigt, was passieren wird, wenn Sie Millionen Menschen in die totale Verelendung treiben.*

*In Erwartung Ihrer Stellungnahme, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Michael Lange

Hölderlinsallee 6

22303 Hamburg

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