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Rechtsberatungsgesetzverfahren am 21.06.01, 12.00 Uhr in Stuttgart

Dieser Text ist der Rubrik Aktuelles aus der Tacheles HP entnommen, weitere Texte und Materialien zum RBerG sind dort zu finden.

Verfahren gegen die Caritas wegen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz wird am 21. Juni 2001, 12 Uhr weiter verhandelt Anwaltskammer legt unannehmbaren Vergleichsvorschlag vor

Eine illegale Aktenweitergabe eines Stuttgarters Verwaltungsgerichtsrichters stieß das Stuttgarter Rechtsberatungsgesetz Verfahren gegen den Caritas Verband und dessen Mitarbeiter Dr. Manfred Hammel an. Tacheles berichtete über das Verfahren. Die Anwaltskammer verklagte den Stuttgarter Caritas Verband wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz. Nach Vorlage eines unannehmbaren "Kompromissvorschlages" geht das Verfahren nun in eine neue Runde.

Betonte doch der Präsident der Stuttgarter Anwaltskammer Peter Ströbel während des ersten Prozesses extra noch, dass die Anwälte "der Berufsstand sind, dessen Selbstverständnis es ist, den Armen und Entrechteten zu helfen".
Er vergaß dabei nur zu erwähnen, dass diese tapferen Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit sich nur gegen eine entsprechend hohe Entlohnung aus ihren Sesseln erheben. Aber für einen Stundenlohn von 70 DM zuzüglich Mehrwertsteuer und Prozesskostenhilfe würden sie sich schon für die Armen und Entrechteten einsetzen. Für die Frage der Finanzierung dieses Stundenlohns fand man in Kreisen der Anwaltskammer Stuttgart auch sogleich eine Lösung: da die Caritas den Anwälten schon die Klienten verschafft, könne sie doch auch gleich noch die Finanzierung derselben übernehmen. Um den Vorschlag für die Caritas annehmbar zu machen, erklärte sich die Anwaltskammer bereit, angesichts schon verplanter Haushaltsmittel der Caritas, die Finanzierung für das Jahr 2001 zu übernehmen. Ab 2002 müsste sie diese aber selbst bezahlen.
Ein weiterer Punkt als Bedingung für eine Einigung verlangte die Anwaltskammer die Rücknahme der Eingabe an den Landesdatenschutzbeauftragten wegen der illegalen Aktenweitergabe eines Verwaltungsgerichtsrichters, die wie schon dargestellt erst zu dem Verfahren führte.
Außerdem wird verlangt, dass Mitarbeiter der Caritas generell darauf verzichten, bei Formulierungen von Klagen und gerichtlichen Anträgen behilflich zu sein.
Nach Ansicht der Anwaltskammer könnte man sich unter diesen Bedingungen auf einen Vergleich einigen.

Nach Ansicht der Caritas glücklicherweise nicht!

Diese lehnt es ab, als Auftraggeber für Rechtsanwälte zu fungieren. Sie verweist dabei auf ein in einer anderen Gemeinde in Baden-Württemberg durchgeführtes Modell, das als unzulässig erklärt wurde. Danach kann sich ein Anwalt nicht von einem freien Träger zur Beratung Dritter beauftragen lassen und danach den betreffenden Mittellosen vor Gericht auf der Grundlage von Prozesskostenhilfe vertreten. Dies würde eine doppelte Abrechnung des jeweiligen Rechtsanwaltes bedeuten, die juristisch nicht statthaft und moralisch sehr fragwürdig ist.
Die Caritas erklärte sich zu dem geforderten Verzicht auf weitere gerichtliche Unterstützungstätigkeiten bereit, insofern dies nicht auf ihre Tätigkeit als zugelassene Schuldnerberatungsstelle übertragen wird.
Hinsichtlich der Tätigkeit des Landesdatenschutzbeauftragten wurde darauf hingewiesen, dass für diesen das Offizial- und nicht das Antragsprinzip maßgebend sei, weswegen die Caritas die dortige Eingabe nicht zurücknehmen könne.

Da sich Anwaltskammer und Caritas nicht außergerichtlich einigen konnten, kommt es nun zu einem weiteren Prozesstermin am Donnerstag den 21. Juni. Tacheles möchte alle Interessierten und eine kritische Öffentlichkeit zur Teilnahme aufrufen.

Das Verfahren findet am 21. Juni 2001, 12 Uhr, Saal 230, Justizgebäude Archivstrasse 15 in Stuttgart statt.
Tacheles möchte zu dem Verfahren anmerken, dass das Betreiben des Verfahrens durch die Anwaltskammer eine reine Farce ist. Im Verfahren wollte die Anwaltskammer zunächst sämtliche Unterstützungs- und Beratungstätigkeit der Caritas gegenüber Behörden und Gerichten verbieten lassen. Erst nach dem gerichtlichen Hinweis, dass sich das Gericht dieser Auffassung nicht anschließt ist die Anwaltskammer von diesem Standpunkt abgerückt. Dann wurde großkotzig vom Vorsitzenden der Anwaltskammer betont, wie sehr den Anwälten und der Anwaltskammer die Armenpflege am Herzen läge.
Im nachfolgenden wird deutlich, dass die Armenpflege für die Anwaltskammer tatsächlich ein gewichtiges Anliegen ist, sie wollen zunächst einen Stundensatz von 70 DM kassieren und dann noch in der weiteren Vertretung Betroffener Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe.

Es ist daher dem Caritas Verband zu danken, dass er sich nicht auf den Diktus der Anwaltskammer eingelassen hat. Es kommt dadurch für die Rechtsentwicklung ein sehr wichtiges Urteil zustande, aus dem deutlich wird, dass Vertretung und Beratung im Vorverfahren gegenüber Behörden nicht gegen das Rechtsberastungsgesetz verstößt. Grade vor dem Hintergrund. dass bundesweit eine Reihe von Organisationen aus den unterschiedlichsten Spektren (Sozialhilfe- und Arbeitslosenberatung, Senioren - und Flüchtlingsberatung, Mietervereine und - zusammenschlüsse, ......) regelmäßig mit dem Rechtsberatungsgesetz ausgebremst werden, kommt diesem Urteil eine entscheidende Bedeutung zu.

Somit erfolgt mit dem aus Stuttgart kommenden Urteil, zumindestens den außergerichtlichen Bereich betreffend, ein längst überfälliges Urteil.

Auf der anderen Seite wird mit dem Urteil der Caritas in Stuttgart wohl untersagt werden, dass sie in Zukunft Hilfestellungen bei der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen von Sozialhilfeempfängern, Alleinerziehenden, Flüchtlingen und Obdachlosen geben darf.
Diese Regelung erscheint nicht sinnvoll. Von knapp 110.000 in Deutschland zugelassenen Anwälten sind grade mal 786 Anwälte als Fachanwälte für Sozialrecht zugelassen.

Jeder der in der Armutsberatung tätig ist, erfährt immer wieder, dass sehr viele Anwälte Sozialhilfefälle generell ablehnen. Wenn Nichtsesshafte anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, kommt es nicht selten vor, dass diese bei Eintritt in die Kanzlei derselben auch wieder verwiesen werden.

Eine weitere Besonderheit der Sozialhilfevertretung ist, dass der überwiegende Teil der gerichtlichen Auseinandersetzungen einstweilige Anordnungen nach § 123 VwGO sind. Bei einstweiligen Anordnungen wird nicht, wie in anderen Klagearten im Vorfeld über einen PKH Antrag entschieden, sondern diese Entscheidung erfolgt nach dem gerichtlichen Beschluss. Immer mehr Sozialämter haben sich in einstweiligen Anordnungsverfahren aber auch sonstigen normalen Leistungsklagen angewöhnt, dass sie die begehrte Leistung bewilligen, wenn sie vom Gericht signalisiert bekommen, dass sie unterliegen werden. Die Sozialämter wollen damit erreichen, dass es keine für sie negativen und ggf. bindenden Urteile/Beschlüsse gibt. Das bedeutet in einstweiligen Anordnungsverfahren, dass der Antragsteller durch die Bewilligung klaglos gestellt wird und der bevollmächtigte Anwalt dadurch keine Prozesskostenhilfe erhält.

Im Fazit bedeutet dies, der Antragsteller erhält zwar seine per einstweiligen Rechtsschutz durchgesetzte Leistung vom Sozialamt, bleibt aber auf rund 500 DM Anwaltskosten sitzen.

Weitere Erschwernis in Sozialhilfesachen ist, dass das Sozialhilferecht nicht dem Sozialrecht, sondern dem Verwaltungsrecht zugeordnet ist. Das bedeutet, ein Rechtsanwalt, der in Sozialhilfesachen tätig ist, muss im Sozial- und Verwaltungsrecht versiert sein, und sich zusätzlich, grade wegen der ständigen Weiterentwicklung des Sozialhilferechts, kontuinierlich mit aktuellen Veröffentlichungen, Urteilen und Fachaufsätzen beschäftigen. Grade die reichlich spärlichen Mittel von Beratungshilfescheinen (um die 115 DM + Mehrwertsteuer) und die absolute Unsicherheit Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen, macht daher die Vertretung in Sozialhilfesache für Anwälte nicht grade attraktiv.

Im Ergebnis bedeutet das hier aufgezeigte für die Betroffenen, dass Rechtsdurchsetzung durch Anwälte in Sozialhilfesachen für die Betroffenen kaum zu realisieren ist.

Eine unter Strafe gestellte unterstützende Tätigkeit der Wohlfahrtsverbände im Verwaltungsgerichtsverfahren bedeutet für die Betroffenen die Versagung zumindest der theoretischen Chance von Rechtsdurchsetzung in Sozialhilfesachen.

Aus diesem Grunde ist es dringend notwendig in der ersten Instanz eine Unterstützungstätigkeit durch die Wohlfahrtsverbände zuzulassen. Diese Regelung würde auch der Regelung der VwGO entsprechen, nach der in der ersten Instanz kein Anwaltszwang besteht und Bevollmächtigte und Beistände zuzulassen sind.

Tacheles Infotext zum Verfahren wegen Rechtsberatungsgesetz gegen Dr. Hammel/Stuttgart, 20.06.01

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