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Rechtsberatungsgesetzverfahren gegen Lindauer Flüchtlingsberatung eingestellt !!!

Staatsanwaltschaft
Kempten (Allgäu)
Aktenzeichen: 213 Js 20956/99
(Bitte stets angeben)

Telefon-Nr.: 0831/203-00
Telefax-Nr.: 0831/203-476
Durchwahl-Nr: 08311203477
Sachbearbeiter: Herr StAGL ***

Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu)
Resldenzplatz4-6, 87435Kempten Kempten, 19.07.2001/pic

Frau
***
- persönlich -
***
*** Lindau (B)

Ermittlungsverfahren gegen

***

weg. OWi RechtsberatungsG
V e r f ü g u n g :

Das Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes gegen das
Rechtsberatungsgesetz wird gem. § 47 I OWiG eingestellt.

G r ü n d e :
1. Auf Grund der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass die Betroffene in jedenfalls vier Fällen 1999 als Mitarbeiterin des Zentrums zur Behandlung von Folteropfern e.V. in Lindau für andere Korrespondenz insbesondere mit dem Amtsgericht Lindau geführt hat. Diese umfasste die
Weiterleitung von Einspruchsschreiben unter Vorlage einer Vollmacht, die zur Zustellung und zur Beantwortung von Schreiben bevollmächtigte, aber auch selbst verfertigte und unterschriebene Schriftsätze im Auftrag, die sich mit ausländerrechtlichen Problemen, der Tagessatzhöhe von
Geldstrafen und der Strafvollstreckung auseinandersetzten (vgl. insbesondere Bl. 50, 69 d. A.). Im Einzelnen handelt es sich um die Angelegenheiten (Namen gelöscht: exilio)

Die Betroffene ist nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Sie übte die Tätigkeiten im Rahmen ihrer Betreuungs- und Beratungstätigkeit für ausländische Mitbürger aus. Das
Handeln der Betroffenen ist ahndbar als fünf tatmehrheitliche Ordnungswidrigkeiten gem. § 8 I Nr. 1, 1 RBerG. Die Betroffene handelte nicht mehr im Rahmen der von ihr geltend gemachten Privilegierung gem. § 8 II BSHG und den entsprechenden Vereinbarungen, soweit sie sich an der
Vorbereitung der Strafverfahren und der Prozessvertretung beteiligte (vgl. Knopp-Fichtner, Rd.-Ziff. 29 II 2 a am Ende). Dem entsprechend sieht auch der vorgelegte Entwurf einer Arbeitseinweisung zur Rechtsberatung von Asylsuchenden u.a. vor: Eine für das Rechtsmittel
notwendige Begründung wird ausschließlich von der/dem Betroffenen vorgenommen. ...Eine schriftliche ... Vertretung des Hilfesuchenden .... ist nicht zulässig. Im Hinblick auf die in jedem Fall vorgelegte
Bevollmächtigung, aber auch den eigenen Sachvortrag in eigenverfertigten und unterschriebenen Schrift-sätzen hat die Betroffene diese von ihr selbst als Rechtsgrundlage ihres Handelns in Bezug genommenen Fundstellen und deren rechtlichen Grenzen überschritten.

Bei dieser Sachlage kann von der Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten gem. § 47 I OWiG abgesehen werden, da die Betroffene nicht im eigenwirtschaftlichen Interesse sondern im Interesse behörden-unkundiger Mitbürger gehandelt hat. Zwar wird eine Honorierung der Tätigkeit
tatbestandsmäßig nicht verlangt, jedoch berührt das Fehlen die Frage der Verfolgungsbedürftigkeit. Ein Auftreten der Betroffenen persönlich unmittelbar vor Gericht im Auftrag ihrer Klienten ist nicht bekannt geworden. Ein besonderes Bedürfnis der Ahndung unter dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege besteht ebenfalls nicht.

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Staatsanwalt als Gruppenleiter

Hausanscbrift Residenzplatz 4 - 6, 87435 Kempten Vermittlung:
0831/203-00 Telefax: 0831/203-450
Bankverbindung: Gerichtskasse Kempten. Sparkasse Kempten (BLZ 733 500
00) Konto-Nr. 505

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Kontakt
exilio ist allemal eine Nachricht wert. Unser Kontaktmann, der Ihnen gern für nähere Auskünfte, eventuelle Reportagen mit Interviews etc. zur Verfügung steht, ist Dr.rer.soc. Edmund Boda Telefon Direktwahl: 08382-409451
Fax 08382-409454
E-mail: exilio@t-online.de

Notiz vom 02.08.01
Sperrfrist: keine

Kostenlose Rechtsberatung für Flüchtlinge wird nicht verfolgt

Ermittlungen gegen exilio-Geschäftsführerin eingestellt

Die Ermittlungen gegen Gisela von Maltitz, Geschäftsführerin der Lindauer Flüchtlingshilfsorganisation exilio, dauerten über ein Jahr.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen die Frau, weil sie vermutete, dass diese gegen das Rechtsberatungsgesetz verstieß.
Das Rechtsberatungsgesetz soll sicherstellen, dass nicht Fachfremde unqualifizierte rechtliche Ratschläge erteilen und den Hilfesuchenden so Schaden zugefügt wird. Auch wenn man nicht der Meinung ist, dass ein solches Gesetz nur Privilegien eines einzelnen Berufsstandes sichert,
muss man doch zugeben, dass es mittellose Personenkreise gibt, die sich keine anwaltliche Rechtsberatung leisten können. Will man denen ihr Recht nicht nehmen, dann müssen eben selbstlose Helfer einspringen, auch wenn sie nicht die formale Qualifikation haben (was ja nicht heißt, dass sie
sich in einem Spezialgebiet nicht bestens auskennen können).
Dieses fast vergessene Gesetz hat in letzter Zeit mehr und mehr Staub aufgewirbelt. Zunächst wurden Flüchtlingshelfer mit Prozessen überzogen.
Im letzten Jahr wurden auch Betreuer von Obdachlosen vors Gericht gezerrt. Gegen exilio, dem früheren Zentrum zur Behandlung von Folteropfern, war schon einmal vor zwei Jahren aus diesem Grunde ermittelt worden, im letzten Jahre wurden dann erneut Klienten des Zentrums zur Polizei einbestellt und zur Rechtsberatung durch die
Flüchtlingsberatungsstelle befragt. Was das für Menschen bedeutet, die traumatisiert in der Fremde leben müssen, die vor der Polizei oder Militärs fliehen mussten, vermag man sich kaum vorzustellen. Exilio protestierte deshalb auch heftig - ergebnislos. Die Kemptener Staatsanwaltschaft hat nun die Ermittlungen eingestellt.
Dabei verneint sie nicht, dass eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes vorgelegen haben mag. Sie will aber von einer Verfolgung absehen, weil "... die Betroffene nicht im eigenwirtschaftlichen Interesse, sondern im Interesse behörden-unkundiger Mitbürger gehandelt hat." Die Staatsanwaltschaft kommt zu dem vernünftigen Schluss, dass deshalb auch kein öffentliches Bedürfnis an einer Ahndung bestehe.
Da in der Bundesrepublik noch mehrere vergleichbare Verfahren anhängig sind, wird diese Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft noch für einiges Aufsehen sorgen.
Bei exilio stellt man drüber hinaus fest, dass dies jetzt innerhalb von drei Jahren das dritte Ermittlungsverfahren ist, das gegen die Geschäftsführerin des Vereins angestrengt wurde. Alle Ermittlungen wurden ohne Einleitung eines Verfahrens, geschweige denn einer Verurteilung, wieder eingestellt. Zwei der drei Vorermittlungen wurden
in der Presse bekannt gemacht. Exilio fragt sich, ob dies nur Zufall ist, oder ob es Kräfte gibt, die den Verein gezielt in Misskredit bringen wollen.

ed boda, exilio e.V., Lindau

weitere Dokumente hierzu:

http://www.exilio.de/aktuelles/presse/Einstellg.htm
http://www.exilio.de/aktuelles/presse/frameset91.htm
http://www.exilio.de/aktuelles/Infopunkt/themen/rechtshilfefonds.htm

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