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Rechtsprechungsticker von Tacheles 02 KW / 2009

Rechtsprechungsticker 02/KW 2009

1. § 11 SGB II Einkommen

Einkommen aus Selbständigkeit eines von der Versicherungspflicht befreiten Hartz IV Empfängers ist um die Beiträge zum Versorgungswerk der Architektenkammer zu mindern.

BSG Urteil - B 14 AS 44/07 R - vom 30.07.2008

Gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 Buchst b SGB II sind vom Einkommen abzusetzen Beiträge zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden. Der Hilfeempfänger erhielt einen Zuschuss zu den Beiträgen zum Versorgungswerk gemäß § 26 SGB II in Höhe von 78 Euro monatlich. Den darüber hinausgehenden Betrag von 172 Euro monatlich hat die Arge zu Unrecht nicht vom zu berücksichtigenden Einkommen des Hilfeempfängers abgezogen. Ausführungen zur Einkommensermittlung bei Selbständigen für den Zeitraum bis 31.12.07.

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Sozialgericht Aachen S 6 AS 45/08 05.12.2008 , Urteil

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen lediglich Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, nicht aber die Vollverpflegung in einem Krankenhaus.

§ 2 Abs. 5 Satz 1 Alg II-V ist mit höherrangigem Recht unvereinbar und damit nicht anzuwenden. Rechtsverordnungen im Sinne von Art. 80 des Grundgesetzes (GG) dürfen insbesondere nicht über die Ermächtigung hinausgehen, d.h. sie müssen sich im Rahmen der durch das ermächtigende Parlamentsgesetz gezogenen Grenzen bewegen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 12.10.1976, 1 BvR 197/73, BVerfGE 42, 374 ff.; Urteil vom 06.07.1999, 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 9. Auflage 2007, Art. 80 Rdnr. 20).

§ 2 Abs. 5 Satz 1 Alg II-V ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 SGB II nicht gedeckt. Insbesondere scheidet § 13 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. SGB II als Ermächtigungsgrundlage aus. Denn nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift hat der Parlamentsgesetzgeber lediglich zur Konkretisierung dessen ermächtigt, was nicht als Einkommen anzusehen ist, nicht aber was - im Sinne einer positiven Definition - als Einkommen anzusehen ist. Hiervon aber geht § 2 Abs. 5 Satz 1 Alg II-V zweifellos aus. Denn danach ist "bereitgestellte Vollverpflegung pauschal in Höhe von monatlich 35 Prozent der nach § 20 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch maßgebenden Regelleistung als Einkommen zu berücksichtigen". Auf § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. SGB II läßt sich § 2 Abs. 5 Satz 1 Alg II-V ebenfalls nicht stützen. Denn danach kann durch Rechtsverordnung bestimmt werden, wie das Einkommen zu berechnen ist. Die Vorschrift setzt also bereits voraus, dass Einnahmen als Einkommen ("das Einkommen") anzusehen sind und ermächtigt nicht zur Bestimmung, ob bestimmte Vorteile als Einkommen anzusehen sind, sondern lediglich zur Konkretisierung der Berechnung dieses Einkommens in Einzelfall. Auch auf § 13 Abs. 1 Nr. 3 SGB II läßt sich § 2 Abs. 5 Satz 1 Alg II-V nicht stützen. Denn diese Vorschrift ermächtigt lediglich zur näheren Bestimmung, welche Pauschbeträge für die von dem Einkommen abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen sind. Auch sie verleiht dem Verordnungsgeber nicht im Sinne einer Positivdefinition die Befugnis, näher zu konkretisieren, was als Einkommen zu berücksichtigen ist.

§ 2 Abs. 5 Satz 1 Alg II-V ist darüber hinaus auch deshalb nicht anzuwenden, weil diese Vorschrift gegen das im SGB II geltende Prinzip einer Pauschalierung der Regelsätze verstößt, das eine abweichende Festlegung von Bedarfen nicht vorsieht. Die stationäre Vollverpflegung ist nach § 20 Abs. 1 SGB II Bestandteil der Regelleistung ("Ernährung"). Nach dem Regelungskonzept des SGB II jedoch geht der Gesetzgeber davon aus, dass die in § 20 Abs. 1 SGB II genannten Bedarfe mit der Regelleistung (hier noch in Höhe von 347,00 Euro, § 20 Abs. 2 SGB II i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.06.2007 [BGBl. I S.1139]) abschließend und pauschalierend gedeckt werden können. Dies zeigt u.a. die durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) eingefügte Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II, in der eine abweichende Festlegung der Bedarfe ausdrücklich ausgeschlossen wird. § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II flankiert dieses Prinzip, indem weitergehende Leistungen ausgeschlossen werden. Mit diesen Regelungen wollte der Gesetzgeber nochmals betonen, dass er die pauschalierten Leistungen des SGB II als bedarfsdeckend ansieht (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 18.6.2008, B 14 AS 22/07 R, Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 3 Rdnr. 17). Die Gesetzesbegründung bestätigt den abschließenden Charakter dieser pauschalierten Leistungen (siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, BT-Drs. 16/1696, S. 26: "Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft und der Heizung grundsätzlich in pauschalierter Form erbracht. Sie decken den allgemeinen Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, abschließend").

Die Kammer hat die Berufung zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

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Bundessozialgericht B 14/7b AS 12/07 R, Urteil vom 30.07.2008

Alles, was vor der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II zugeflossen ist, ist Vermögen; dazu gehören auch Steuererstattungen.

Alles, was vor der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II zugeflossen ist, ist Vermögen; alles, was nach diesem Zeitpunkt während des Zeitraums, für den Leistungen bewilligt sind, zufließt, ist Einkommen. Danach sind Mittel auch dann nicht als Einkommen im Antragsmonat zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb des Antragsmonats, aber noch vor der Antragstellung zugeflossen sind. Der Bedarfszeitraum nach dem SGB II und zugleich auch der Bewilligungszeitraum iS des § 41 Abs 1 Satz 3 SGB II begann für die Kläger erst mit der Antragstellung. Gemäß § 37 SGB II setzt die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II einen Antrag voraus und werden Leistungen für die Zeit vor Antragstellung nicht erbracht. Dementsprechend kann bei der Leistungsberechnung im SGB II auch erst ab dem Tag der Antragstellung einem aktuellen Bedarf Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II gegenübergestellt werden.

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Bundessozialgericht B 14 AS 43/07 R,Urteil vom 30.07.2008

Arbeitsentgelt, welches einem Hartz IV Empfänger nach Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II zufließt, ist anrechenbares Einkommen.

Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II ist grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Entgegen der Ansicht der Klägerin bleibt die Berücksichtigung des im Juni 2005 zugeflossenen Arbeitsentgeltes auch davon unberührt, dass es die Klägerin dazu eingesetzt hat, den im Dezember 2004 aufgebauten Überziehungskredit zurückzuführen. Insoweit handelt es sich lediglich um eine bestimmte Form der Einkommensverwendung. Das Arbeitsentgelt verliert hierdurch nicht seinen Charakter als Einkommen (vgl BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2001 - 5 C 4/00 - DVBl 2001, 1065, 1066).

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2.Lehrlinge können zur Ausbildungsförderung kein Hartz IV in Anspruch nehmen, denn bei einer Zweitausbildung wird kein ALG II gewährt.

BSG B 4 AS 28/07 R, Urteil vom vom 30.09.2008

Lehrlinge können zur Ausbildungsförderung kein Hartz IV in Anspruch nehmen. Das Arbeitslosengeld II muss auch bei einer Zweitausbildung nicht gezahlt werden. Derartige Zuschüsse sind Sache des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Wenn BAföG nicht gezahlt werden kann, muss auch das Sozialgesetzbuch II nicht einspringen. Selbst in Härtefällen gibt es nur sehr wenige Ausnahmen. BAföG gibt es bei Zweitausbildungen, wenn im ersten Beruf eine Vermittlung kaum möglich ist. Es kann sich zudem nicht auf einen Härtefall berufen werden, wenn die Lehre unter diesen Bedingungen begonnen wurde. (dpa-Meldung)

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3. § 16 SGB II Eingliederungsleistungen

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.12.2008, L 7 AS 3614/08

Übernahme der Fahrkosten zwischen Wohnung und Bildungsstätte (Pendlerkosten).

Bei den in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Bezug genommenen Eingliederungsleistungen des SGB III handelt es sich um Ermessensleistungen. Das gilt auch in den Fällen, in denen nach dem SGB III in den Vorschriften, auf welche sich die Verweisung bezieht, eine Pflichtleistung geregelt ist. Das Ermessen erstreckt sich allerdings regelmäßig auf das "Ob" (= Entschließungsermessen), auf das "Wie" (= Auswahlermessen) der Leistungserbringung jedoch nur, soweit dies auch im SGB III vorgesehen ist (Eicher in ders./Spellbrink, SGB II 2. Aufl., § 16 Rdnr. 62; Harks in jPK-SGB II, Rdnr. 36).
Die Ermessensausübung ist allerdings darauf beschränkt, ob die im SGB III näher ausgestalteten Leistungen nach ihren dort aufgeführten Inhalten gewährt werden (ebenso Eicher, a.a.O.; Harks, a.a.O.; Stark in Estelmann, SGB II, Stand Sept. 2008, § 16 Rdnr. 69; SG Berlin, Urteil vom 15. Januar 2006 - S 102 AS 4364/06 -; hiervon ausgehend wohl auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. September 2007 - L 20 B 80/07 AS - ).

Fahrkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Bildungsstätte (Pendelkosten) sind nach den in § 81 Abs. 2 SGB III geregelten Leistungssätzen auch SGB II-Leistungsberechtigten zu erstatten; ein (Auswahl-) Ermessen des Grundsicherungsträgers zur Festsetzung niedrigerer Sätze besteht nicht.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) zuzulassen, da die Rechtsfrage, wie weit die Ermessensermächtigung des § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II reicht, für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

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4. Sozialgeld § 28 SGB II

Sozialgericht Berlin S 37 AS 19304/07 05.12.2008, Urteil

Erwerbsminderungsrentner hat Anspruch auf aufstockendes Sozialgeld.

Solange der Hilfeempfängerin keine Grundsicherung gezahlt wird, hat sie Anspruch auf Sozialgeld, aufstockend zur Erwerbsminderungsrente. Die nicht erwerbsfähige Klägerin hat Anspruch auf Sozialgeld, denn nach § 28 Abs. 1 SGB II erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in BG leben, wie hier, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches, d.h. nach den §§ 41 ff SGB XII haben. Zwar sind die Leistungen nach §§ 41 SGB XII ff gegenüber dem Sozialgeld vorrangig (§ 5 Abs. 2 S. 3 SGB II), der Nachrang des Sozialgeldes reicht aber nur soweit, als Leistungen nach den §§ 41 ff SGB XII gewährt werden (LSG Thüringen vom 7.7.2005 – L 7 AS 334/05 ER).

Da das SGB II keinen Ruhenstatbestand entsprechend § 142 SGB III kennt, kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin im Hinblick auf aktuelle Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.3.2008 – B 8/9b SO 11/06 R) ungeachtet des Sparvermögens oberhalb der Freibeträge nach § 90 SGB XII Anspruch auf Grundsicherung haben dürfte. Das BSG hat im o.g. Urteil überzeugend herausgearbeitet, dass in einer gemischten BG, d.h. einer BG mit dem Grunde nach SGB II- und SGB XII-Anspruchsberechtigten, der Einsatz von Vermögen, dass nur nach § 12 SGB II, nicht aber nach § 90 SGB XII geschützt ist, regelmäßig eine besondere Härte i.S. von § 90 Abs. 3 SGB XII bedeutet.

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5- jähriger Sozialgeldempfänger hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Anerkennung des Mehrbedarfs für das Merkzeichen G (§ 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ).

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 9 AS 13/08 11.12.2008, Urteil

Nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Danach erhalten nichterwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 von Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen "G" sind; dies gilt nicht, wenn bereits ein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen Behinderung nach § 21 Abs. 4 oder § 28 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 SGB II besteht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Mehrbedarfs liegen nicht vor. Zwar besitzt dieser einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G". Der Kläger ist jedoch keine nichterwerbsfähige Person im Sinne der Vorschrift.

Aus der Übernahme der im Wesentlichen identischen Regelung aus dem SGB XII (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII) unter ausdrücklichem Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich, dass die Gewährung des Mehrbedarfes grundsätzlich nur unter den gleichen Voraussetzungen wie im SGB XII erfolgen kann. Für den Bereich des SGB XII ist aber unstreitig, dass nur Personen, die im Sinne des Rentenversicherungsrechts voll erwerbsgemindert sind, den Mehrbedarf erhalten können (Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 30, Rn. 13 f.; Hofmann in LPK-SGB XII, 7. Aufl. 2005, § 30 Rn. 11; Dauber in Mergler/Zink, SGB XII, 11. Lfg, Stand Augsut 2008, § 30 Rn. 9; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, 13. Erg.-Lfg. 6/08; § 30 Rn. 10). § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ist im Übrigen praktisch wortgleich zur entsprechenden Vorgängervorschrift im BSHG (§ 23 Abs. 1 Nr. 2). Auch dort war unstreitig, dass der Bezug des Mehrbedarfes das Vorliegen von voller Erwerbsminderung bzw. Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI voraussetzte und die Zuerkennung eines Nachteilsausgleichs wegen voller Erwerbsminderung für Kinder nicht in Betracht kam, sondern nur für Jugendliche, für die keine Verpflichtung mehr zum Besuch einer Schule mit Vollunterricht bestand (Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, BSHG, Stand Juli 2003, § 23, Rn. 9; Hofmann in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 23 Rn. 16; Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., 36. Lfg. Stand März 2004, § 23 Rn. 22b; OVG NRW, Urt. v. 04.06.1975, Az. VIII A 8- 823/74).

Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Mehrbedarfs für Nichterwerbsfähige mit dem Merkzeichen "G" kommt ein anderes Ergebnis nicht in Betracht. Da die Gesetzesbegründung des SGB II nur auf die Übernahme der entsprechenden Regelungen des SGB XII verweist, ist auf Sinn und Zweck der sozialhilferechtlichen Vorschriften abzustellen. In der Gesetzesbegründung des SGB XII wird insoweit nur auf die entsprechende Übernahme der Vorschriften des BSHG verwiesen. Mit dem Mehrbedarf für Erwerbsunfähige im BSHG sollte ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der Erwerbsunfähige im Gegensatz zum arbeitsfähigen Hilfeempfänger auch unter Einsatz besonderer Tatkraft nicht in der Lage ist, durch eigene Arbeit etwas hinzuzuverdienen und sich dadurch ein über den notwendigen Bedarf hinausgehendens und zum Teil anrechenfreies Einkommen zu verschaffen (Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., 36. Lfg. Stand März 2004, § 23 Rn. 19; Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, a.a.O. Rn. 8 ff. m. w. N.). Vor diesem Hintergrund kommt ein Mehrbedarf für ein vierjähriges Kind nicht in Betracht, da es auch in gesundem Zustand rechtlich und tatsächlich nicht in der Lage ist, sich etwas hinzuzuverdienen.

Teilweise wird angenommen (so SG Aachen, Urt. v. 26.08.2008, Az. S 11 AS 96/08), dass aus der fehlenden Einfügung einer solchen Altersbegrenzung bei Nr.4 gefolgert werden müsse, dass der Mehrbedarf nach Nr.4 Personen ohne eine Altersbeschränkung gewährt werden könne. Dies überzeugt nicht. Denn der Mehrbedarf nach Nr.2 stellt anders als der Mehrbedarf nach Nr.4 gerade nicht auf die Nichtwerwerbsfähigkeit ab, sondern spricht lediglich von "behinderten Menschen". Damit folgt er der Regelung in § 30 Abs. 4 SGB XII. Auch diese Regelung enthält eine Beschränkung auf Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Mit der Ergänzung von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr.2 SGB II hat der Gesetzgeber ebenfalls zum Ausdruck gebracht,dass er im Bereich des SGB II keine weitergehenden Leistungen beabsichtigt als im Bereich des SGB XII. Die Einfügung einer entsprechenden Einschränkung hinsichtlich des Alters war in Bezug auf § 28 Abs.1 Satz 3 Nr.4 SGB II aber deswegen entbehrlich, weil bei diesem Mehrbedarf auch nach dem SGB XII der entsprechende Mehrbedarf nur bei Überschreitung der Altergrenze nach § 41 Abs. 2 SGB VI bzw. beim Vorliegen voller Erwerbsminderung nach dem SGB VI gewährt wird. Letzteres setzt aber im Bereich des SGB XII, wie dargelegt, voraus, dass die Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist, was wiederum ein Alter erfordert, in dem die Ausübung einer Erwerbstätigkeit überhaupt in Betracht kommt.

Die gegenteilige Auffassung ist überdies aus verfassungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG problematisch. Es stellte eine Ungleichbehandlung von Kindern, die Sozialgeld nach dem SGB II erhalten, gegenüber nach dem SGB XII leistungsberechtigten Kindern dar, wenn nur erstere einen Mehrbedarf wegen des Merkzeichens "G" erhalten könnten. Eine solche Ungleichbehandlung ist auch vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt. Die Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ist vielmehr gerade im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz unter Bezugnahme auf die im SGB XII bestehende Mehrbedarfsregelung in das SGB II aufgenommen worden (BT-Drucks. 16/1410, S. 25).

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

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Anmerkung: Vgl. dazu Sozialgericht Aachen S 11 AS 96/08 26.08.2008, Urteil

Anspruch auf Mehrbedarf einer behinderten, nicht erwerbsfähigen Person ist nicht an ein Mindestalter geknüpft.

Wenn somit auch Minderjährige unter den Begriff des "nicht erwerbsfähigen Angehörigen" nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB fallen, gibt es keinen Grund, den in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II enthaltenen Begriff der "nichterwerbsfähigen Person" anders auszulegen. Insbesondere ist keine Altersgrenze in die Vorschrift hineinzulesen. Dies ergibt sich unter anderem aus einem Vergleich der in den Ziffern 2 und 4. geregelten Mehrbedarfe. Während in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB II ausdrücklich geregelt ist, dass der darin enthaltene Mehrbedarf nur Personen zusteht, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, fehlt eine entsprechende Regelung in Nr. 4. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies ein "gesetzgeberisches Versehen" ist. Die in Nr. 2 geregelte Altersgrenze fand mit dem selben Gesetz Eingang ins SGB II wie der in Nr. 4 enthaltene Mehrbedarf. In der Gesetzesbegründung heißt es zu Nr. 2 wörtlich "Mit der Änderung wird ein redaktionelles Versehen beseitigt. Behinderte Sozialgeldbezieher erhalten - wie auch Arbeitslosengeld II-Bezieher - einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres." (BT-Drucks. 16/1410 S. 25, Zu Buchstabe a). Wenn der Gesetzgeber eine (überschaubar lange) Vorschrift ändert und in einer Ziffer gezielt eine Altersgrenze einfügt, sollte davon ausgegangen werden können, dass er in der Lage gewesen wäre, die identische - oder die vom Beklagten mit 18 Jahren angesetzte abweichende - Altersgrenze in die übernächste Ziffer ebenfalls einzufügen, wenn dies denn beabsichtigt gewesen wäre.

5. Vorlage von Kontoauszügen bei Stellung eines Folgeantrages auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 224/08 AS 19.12.2008 rechtskräftig, Beschluß

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgt die grundsätzliche Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen aus § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I. Die Behörde ist bei Stellung eines Folgeantrags berechtigt, die Vorlage von Kontoauszüge für die letzten drei Monate zu verlangen. Die Vorlagepflicht ist nicht auf konkrete Verdachtsfälle beschränkt (vgl. Terminbericht des BSG Nr. 46/08, Urteil vom 19.09.2008, B 14 AS 45/07 R).

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6. Maßnahmen im Rahmen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen begründen kein Leistungsausschluß nach dem SGB II (§ 7 Abs. 5 SGB II).

Sozialgericht Berlin S 37 AS 23403/08 05.12.2008 , Urteil

Eine mit Ausbildungsgeld geförderte Maßnahme nach den §§ 100 ff SGB III begründet keinen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, die nur von "im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III" förderbaren Ausbildungen spricht. Dass die Vorschriften über die BAB nach § 104 Abs. 2 SGB III für das Ausbildungsgeld "entsprechend" gelten, dient der Bemessung, Berechnung und Bewilligung des Ausbildungsgeldes (vorbehaltlich besonderer Bestimmungen) und lässt daher keinen Schluss auf den Umfang der Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II zu. Es bleibt ja dabei, dass es sich um Maßnahmen im Rahmen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben handelt, also nicht um eine Förderung im Rahmen von BAB oder BAföG.

Die von der Arge finanzierte Vollverpflegung an den Unterrichtstagen mindert die Regelleistung nicht. Dies wäre zwar sachgerecht, die Regelsätze nach § 20 SGB II sind jedoch als feste Pauschalen ausgestaltet. Diese gesetzgeberische Entscheidung kann nicht im Verordnungsweg (§ 2 Abs. 5 Alg II-VO) ausgehebelt werden (so zutreffend LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.2.2008 – L 9 AS 7/08).

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