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Rechtsprechungsticker von Tacheles 32 Kw / 2009

Rechtsprechungsticker von Tacheles 32 KW / 2009

1. BSG, Urteil vom 19.05.2009, Az. B 8 SO 8/08 R

1.1 Keine geringeren Sozialhilfeleistungen bei Zusammenleben einer über 65-jährigen Mutter mit ihrem 36-jährigen Sohn

Das SGB II geht typisierend von prozentualen Abschlägen der Regelleistung nur innerhalb von Bedarfsgemeinschaften aus; nur insoweit können normativ Ein¬sparungen auf Grund eines gemeinsamen Haushalts angenommen werden. Zwar kennt das SGB XII nicht das Rechtsinstitut der Bedarfsgemeinschaft; dieser vergleichbar ist jedoch im SGB XII die so genannte Einsatzgemeinschaft, innerhalb der wie bei der Bedarfsgemeinschaft Einkommen und Ver¬mögen auch für andere einzusetzen ist. Die Klägerin und ihr Sohn bildeten jedoch weder eine Be¬darfsgemeinschaft iS des SGB II noch eine Einsatzgemeinschaft iS des SGB XII. Unter Gleichheits¬gesichtspunkten (Art 3 GG) ist es deshalb nicht gerechtfertigt, die Klägerin sozialhilferechtlich schlechter zu stellen als im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Nach beiden Gesetzen ist sie als Alleinstehende und im SGB XII als Haushaltsvorstand zu behandeln. Eine Reduzierung des Regelsatzes auf 80 vH ist nicht gerechtfertigt.

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2. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 34 AS 1090/09 B ER 21.07.2009 rechtskräftig , Beschluss

Keine Übernahme von Stromschulden , wenn der Hilfebedürftige darauf vertraut hatte , dass der Träger der Grundsicherung die monatlichen Abschlagszahlungen an den Stromversorger übernimmt.

Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Anspruchsgrundlage für die Übernahme von Stromkosten, die – wie hier – aufgrund der Nichtzahlung der monatlichen Abschläge an den Energieversorger als Schulden zu qualifizieren sind, kann allein § 22 Abs. 5 SGB II in der ab dem 1. April 2006 geltenden Fassung (BGBl. I S. 558) sein (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Mai 2009 – L 7 AS 546/09 B ER – . Diese Vorschrift verdrängt als spezielle Regelung § 34 Abs. 1 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (vgl. die amtliche Begründung BT-Drs. 16/688 S. 14); § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfasst dagegen – anders als § 22 Abs. 5 SGB II – keine Schulden, sondern bezweckt die Deckung eines unabweisbaren, noch bestehenden Bedarfs im Wege der Darlehensgewährung.

Nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Die Schulden sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (Satz 4). Die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen sind hier nicht (sämtlich) erfüllt. Voraussetzung für eine von der Antragsgegnerin zu treffenden Ermessensentscheidung bzw. ein nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II regelmäßig auszuübendes gebundenes Ermessen ist aber, dass die Hilfe zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage "gerechtfertigt ist". An diesem Erfordernis fehlt es, selbst wenn wegen einer faktischen Unbewohnbarkeit der Wohnung der Antragsteller aufgrund der Stromunterbrechung seit April 2009 eine (drohende) Wohnungslosigkeit angenommen wird (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Mai 2009, a.a.O.; Bieritz-Harder/Birk in: LPK-SGB XII, 8. Auflage 2008, § 34 Rdnr. 11; Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, Stand: August 2008, § 34 Rdnr. 10 m.wN.). Bei der Voraussetzung der Rechtfertigung einer Schuldenübernahme handelt sich um ein Tatbestandsmerkmal der Vorschrift, das als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 25. September 1996 – 4 L 4040/95 – Rdnr. 24; Schmidt in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, Stand: März 2009, § 22 SGB II Rdnr. 146; Dauber, a.a.O. § 34 Rdnr. 11).

Bei der Prüfung der Frage, ob die Leistung gerechtfertigt ist, ist u.a. von Bedeutung, wie es zur Notlage gekommen ist. Die Übernahme der Schulden ist regelmäßig nur dann gerechtfertigt, wenn der Hilfebedürftige nach den Gesamtumständen unverschuldet in Rückstand mit Zahlungen auf unterkunftsbezogene Kosten (Miete, Gas- und Stromkosten o.ä.) geraten ist, die Notlage für die Existenz des Leistungsberechtigten bedrohlich ist und die Schulden nicht aus eigener Kraft getilgt werden können. Nicht gerechtfertigt ist die Übernahme von Schulden, wenn z. B. Miete oder Energiekostenabschläge im Vertrauen darauf nicht gezahlt werden, dass der Leistungsträger die Miet- und/oder Energieschulden später übernehmen werde (BT-Drs. 13/2440 S. 19 zur Vorläuferregelung des § 15a des Bundessozialhilfegesetzes) oder Mietschulden dadurch entstanden sind, dass der Hilfesuchende trotz Belehrung durch den Träger in einer unangemessen teuren Wohnung verblieben ist und die Differenz zwischen angemessenen und tatsächlichen Kosten nicht aufgebracht hat (OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. März 1999 – 4 M 756/99 – Rdnr. 23). Auch soll durch eine Übernahme der Schulden nicht nachträglich verantwortungsloses Verhalten der Leistungsberechtigten honoriert und hierdurch eine fehlende Eigenverantwortlichkeit weiter gestärkt werden .

Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier vor. Es ist weder ersichtlich noch von den Antragstellern dargelegt, dass die Stromschulden aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen entstanden sind. Die ihnen seit 2005 gewährten Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II enthielten jeweils einen Anteil für Haushaltsenergie (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II), so dass es den Antragstellern oblegen hätte, monatliche Abschlagszahlungen an den Stromversorger zu entrichten. Dafür, dass die Antragsteller seit November 2008 überhaupt keine (monatlichen) Zahlungen an den Stromversorger mehr geleistet haben, ist eine Rechtfertigung nicht erkennbar. Die Antragsteller tragen hierzu allein vor, sie hätten darauf vertraut, dass der Träger der Grundsicherung die monatlichen Abschlagszahlungen an den Stromversorger übernimmt.

Im Übrigen fehlt es auch deswegen an einer Rechfertigung für die Übernahme der Stromkosten, weil die Kosten der von den Antragstellern bewohnten Wohnung – deren Größe in dem zum 1. August 2003 geschlossenen Mietvertrag nicht näher bestimmt und für die eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 500 Euro zu entrichten ist – unangemessen sind.

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2.1 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 32 AS 316/09 01.07.2009 , Urteil

Hartz IV : Ein Geschäftsdarlehen der Dresdner Bank zur Gründung eines selbständigen Gewerbes ist - kein - anrechenbares Einkommen im SGB II .

Der 14. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 27. Juni 2008 (L 14 B 648/08 AS ER), betreffend ein Darlehen zur Anschaffung eines Kraftfahrzeuges, ausgeführt, es erscheine schon fraglich, ob die Zahlungen als Einnahmen anzusehen seien, da der Antragsteller behauptet, diese lediglich als Darlehen erhalten zu haben und darlehensweise gewährte Leistungen möglicherweise als einkommensneutral angesehen werden müssen, weil sie von vornherein mit der Pflicht zur Rückgewähr belastet seien (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juni 1985 - 7 Rar 27/84 -). Aber auch wenn die Zahlungen als Einnahmen anzusehen wären, könnte ihrer Anrechnung noch entgegenstehen, dass sie als zweckbestimmte Zahlungen zu werten seien. Der erkennende Senat teilt diese Zweifel, kann jedoch offen lassen, ob diese tatsächlich, wie das Sozialgericht in dem angefochtenen Gerichtsbescheid annimmt, ausreichen, um die Berufung zurückzuweisen, da es im Weiteren der Auffassung des 14. Senates des erkennenden Gerichts folgt. Dieser hat (a.a.O., Nr. 5 nach juris) ausgeführt, nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II seien zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienten und die die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussten, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Dazu würden im Schrifttum auch Zuwendungen privater Dritter gezählt (Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 11 Rdnr. 54; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. § 11 Rdnr. 38), so dass ebenfalls vorerst im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes zugunsten des Antragstellers von diesem Verständnis auszugehen ist. Der Antragsteller habe vorgetragen, dass er die Überweisung von seinem in den Vereinigten Staaten lebenden Bruder mit der Zweckbestimmung erhalten habe, sich ein gebrauchtes Auto zu kaufen. Er habe eine entsprechende schriftliche Darlehensabrede von dem Darlehensgeber vorgelegt und das Darlehen sei bestimmungsgemäß verwendet worden. Die Anschaffung eines Autos aber sei ein Zweck, der außerhalb der Zweckbestimmung der Regelleistungen nach dem SGB II stehe. Die Leistungen nach dem SGB II seien nämlich nicht so bemessen, dass sie den Erwerb eines Autos ermöglichten. Die Möglichkeit zur Anschaffung eines Autos verändere die Lebenssituation des Antragstellers auch nicht so erheblich, dass nunmehr die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nicht mehr angemessen erschiene. Nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II sei ein angemessenes Kraftfahrzeug nicht als Vermögen zu berücksichtigen.

Hier dient das Darlehen nicht zum Erwerb eines Kraftfahrzeuges, sondern zum Aufbau eines selbständigen Gewerbes. Von der Darlehenssumme von 50.000,00 EUR mussten 30.000,00 EUR dazu verwandt werde, einen bereits vor Darlehensgewährung geschlossenen Kaufvertrag zu erfüllen. Es verblieb mithin ohnehin nur noch ein "verfügbarer" Teil des Darlehens von 20.000,00 EUR Diese 20.000,00 EUR jedoch waren zweckbestimmt gemäß § 11 Abs. 3 Ziffer 1 a SGB II.

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3.LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.7.2009, L 1 AS 1949/09

Die Kosten für Rückumzug zum alten Wohnort können nur nach erfolglosen Eingliederungsversuchen am neuen Wohnort übernommen werden .

Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II für einen Rück-Umzug an einen erst vor wenigen Monaten aufgegebenen alten Wohnsitz sind nicht bereits deswegen zu übernehmen, weil die Eingewöhnung in das neue Umfeld den minderjährigen Kindern einer Leistungsbezieherin schwer fällt und diese Schwierigkeiten mit dem Rück-Umzug auf einfache Weise behoben werden können.

Die für die Übernahme der Kosten erforderliche Notwendigkeit des Umzugs kann erst angenommen werden, wenn ein ernsthafter Eingliederungsversuch am neuen Wohnort unternommen wurde und hierbei auch die einschlägigen Hilfsangebote in Anspruch genommen worden sind.

4. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 158/09 AS 29.07.2009 rechtskräftig , Beschluss

Gerichte müssen bei Hartz IV Streitigkeiten nur dann eingreifen , wenn vom Hilfebedürftigem glaubhaft gemacht wurde , dass zuvor alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, das erstrebte Ziel auch ohne Einschaltung des Gerichts zu erreichen.

Nach ständiger Rechtsprechung auch des hier befassten Senates ist die Notwendigkeit gerichtlichen Eingreifens nur dann glaubhaft gemacht, wenn zuvor zumutbare Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, das erstrebte Ziel auch ohne Einschaltung des Gerichts zu erreichen. Hierzu gehört insbesondere vorherige Kontaktaufnahme mit den zuständigen Verwaltungs- bzw. Leistungsträgern (z.B. Beschlüsse des LSG NW vom 09.10.2008 - L 19 B 35/08 AL ER und L 19 B36/08 AL, Beschl. v. 08.06.2009 - L 12 B 57/09 AS ER -).

Da der Antragsteller sich vor der Stellung seines Antrages beim Sozialgericht nicht an die Antragsgegnerinnen zu 1) - 3) gewandt hatte, war daher auch kein Anordnungsgrund im Sinne von § 86b Abs. 2 S. 2 SGG glaubhaft gemacht und bestand hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO nicht.

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5. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 B 342/07 AS ER 21.10.2008 rechtskräftig , Beschluss

5.1 Hartz IV-Empfänger muss sich steuerfreies Verpflegungsgeld nicht als Einkommen anrechnen lassen .

Die vom Arbeitgeber gezahlten Spesen (als Ersatz für Verpflegungsmehraufwendungen) sind als zweckbestimmte Einnahmen nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II von der die Hilfebedürftigkeit mindernden Anrechnung ausgenommen . Solche Zuwendungen sind – jedenfalls im steuerlich privilegierten Rahmen – zum Ausgleich von Mehraufwendungen und nicht zur Finanzierung der allgemeinen Lebensführung bestimmt (so LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. August 2006, L 5 B 549/06 AS -. ). Diese erhöhten Kosten - hier die vom Antragsteller zu 2.) vorgetragenen Kosten für Gaststättenbesuche - würden bei einer Arbeit in Nähe des Wohnorts oder bei Arbeitslosigkeit nicht anfallen. Weil die Zahlungen nur im pauschalen Rahmen anfallende Aufwendungen ersetzen, beeinflussen sie die Lage der Leistungsempfänger nicht so günstig im Sinne von § 11 Abs. 3 SGB II, dass daneben keine Grundsicherungsleistungen zu gewähren sind. Jedenfalls solange es sich um steuerfreie Aufwendungen handelt, besteht auch kein Grund zur Annahme, dass in den Spesenzahlungen "verstecktes Arbeitsentgelt" enthalten ist. Steuerfrei sind nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Einkommenssteuergesetz (EStG) für jeden Kalendertag ein Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand von bis zu 24 EUR (bei Abwesenheit von der Wohnung von 24 Stunden), so dass sich im Einzelfall auch ein Spesenbetrag von 420,00 EUR (wie hier für Juli 2007) ergeben kann.

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6. SG Bremen S 23 AS 894/09 ER , Beschluss vom 02.07.2009

Erstausstattungspauschale für die Einrichtung eines Wohnzimmers in Höhe von 80,00 Euro für Alleinstehende genügt nicht den gesetzlichen Vorgaben ( § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 )

Die nach der Verwaltungsanweisung zu § 23 Absatz 2 SGB II (http://www.soziales.bremen.de/sixcms/media.php/13 /Verwaltungsanweisung%20zu%20%2023%20Abs.%203%20SG B%20II%20Stand%202009-02-25.pdf) für die Erstausstattung des Wohnzimmers vorgesehene Pauschale in Höhe von 80,00 Euro (Einpersonenhaushalt) ist – nach vorläufiger Prüfung - nicht ausreichend. Zwar ist der Leistungsträger grundsätzlich befugt, die Leistung zu pauschalieren. Dies folgt aus § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II. Die Pauschale steht jedoch der Höhe nach nicht im freien Ermessen des Leistungsträgers. Sie ist vielmehr unter Berücksichtigung des Bedarfsdeckungsprinzips so zu ermitteln, dass die Pauschalbeträge ausreichen müssen, um den typischen tatsächlichen Bedarf zu decken (Hengelhaupt in Hauck/Nofz, § 23 SGB II, Rn. 443). Die Pauschale ist voll gerichtlich überprüfbar (Hengelhaupt a.a.O., Rn. 441). Orientierungspunkt ist der durchschnittliche Lebensstandard unterer Einkommenschichten, begrenzt allerdings durch den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf das soziokulturelle Existenzminimum (Hengelhaupt a.a.O., Rn. 443). Der Geldbetrag muss daher so bemessen sein, dass die Betroffenen in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese leben können (so zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. April 1984, 5 C 95/0 = BVerwGE 69, 146; weitere Nachweise bei Hengelhaupt a.a.O.). Eine Absenkung der Leistungen – und damit auch der Pauschalen - aus reinen Spargründen ist nicht zulässig (VGH Bayern, Urteil vom 13. August 2002, 12 N 2 1480).

Diesen Anforderungen genügt die von der Verwaltungsanweisung auf 80,00 Euro festgelegte Pauschale für das Wohnzimmer einer Einzelperson nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht. Die Kammer geht davon aus, dass es nicht möglich ist, mit diesem Betrag ein Wohnzimmer unter Berücksichtigung der genannten Vorgaben vollständig einzurichten (siehe, zur Pauschale für eine Wohnung für einen Erwachsenen und zwei Kinder: Beschluss der 3. Kammer für Sozialgerichtssachen des Verwaltungsgerichts Bremen vom 6. Juni 2008 – S 3 V 1467/08 -, a.A. – aber ohne Begründung -: Oberverwaltungsgericht Bremen mit Beschluss vom 13. August 2008 – S 2 B 332/08).

Dass es nicht möglich ist, mit dem genannten Betrag neue Wohnzimmermöbel und Haushaltsgegenstände anzuschaffen, braucht nicht weiter erörtert zu werden. Die Kammer geht aber auch davon aus, dass es nicht möglich ist, für den genannten Betrag angemessene gebrauchte Möbel und Haushaltsgeräte für das Wohnzimmer anzuschaffen.

http://www.sozialgericht-bremen.de/sixcms/media.php/13/23_AS_894_09_ER_BESCHLUSS_20090702Anonym.pdf

Anmerkung : Erstausstattungspauschale von 215 Euro für Anschaffung einer Küche im Eilverfahren nicht zu beanstanden
SG Bremen, Beschluss vom 28.05.2009, Az. S 23 AS 877/09 ER

http://www.sozialgericht-bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen86.c.2052de

7. SG Koblenz, vom 20.05.2009, Az. S 2 AS 702/07

Hartz IV : Eine Tätigkeit als Pflegehelferin in einem Altenheim als Eingliederungsmaßnahme ist für eine gelernte Bürokauffrau nicht als unzumutbar anzusehen .

Die Tätigkeit als Pflegehelferin in einem Altenheim ist nicht deshalb unzumutbar, weil sie nicht der früheren beruflichen Tätigkeit entspricht. Gerade bei langfristigen Arbeitslosen ist das Ziel einer Eingliederung in reguläre Beschäftigungsverhältnisse des ersten Arbeitsmarktes nur über Umwege einer befristeten Vermittlung einer Arbeitsgelegenheit möglich. Die der Klägerin angebotene Tätigkeit ist auch nicht unzumutbar im Hinblick auf die Dauer und die vereinbarte Wochenarbeitszeit von 30 Stunden. Grundsätzlich muss die Dauer der Tätigkeit zur Vermeidung eines Verdrängungseffekts beschränkt bleiben, was bedeutet, dass Arbeitsgelegenheiten von vorübergehender Dauer sein müssen und Zeiträume bis 6 Monate nicht überschreiten sollten (Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar 2. Aufl., § 16 Anm. 29) . Unzumutbar war die Arbeitsgelegenheit für die Klägerin auch nicht wegen des vereinbarten Umfangs der Wochenarbeitszeit. Rechtmäßigkeitsvoraussetzung diesbezüglich ist, dass der Umfang der angebotenen Arbeit hinter dem eines normalen Arbeitsverhältnisses zurückbleiben muss. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu formuliert, die angebotene Arbeit dürfe keine vollschichtige sein (BVerwGE 68, 91ff). In Anbetracht der Tatsache, dass in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland die regelmäßige Wochenarbeitszeit (wieder) 40 Wochenstunden umfasst, ist die Vereinbarung einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nicht zu beanstanden. Zwar wird in der Literatur, in Einzelfällen auch in der Rechtsprechung, unter Berufung darauf, dass Teilzeitarbeit in der Bundesrepublik sehr verbreitet sei, argumentiert, ein Richtwert von 15 Wochenstunden solle nicht überschritten werden. Zwischenzeitlich hat das BSG in seiner Entscheidung vom 16.12.2008 (Az B 4 AS 60/07 R) jedoch dargelegt, dass es den für Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigungen geltenden Prinzipien nicht grundsätzlich widerspricht, wenn für die Ausübung einer solchen Tätigkeit ein zeitlicher Umfang von bis zu 30 Stunden angesetzt wird. Die Kammer wertet im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen des BSG die Tatsache als entscheidend, dass die Hilfebedürftigen, die Arbeitsgelegenheiten verrichten, durch diese auf die Eingliederung in den normalen Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen. Dies umfasst nach Auffassung der Kammer auch, dass derjenige, der im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit tätig wird, lernt, wieder den größten Teil seiner Zeit fremdbestimmt einem Arbeitgeber zu widmen.

Die Klägerin hatte für ihr Verhalten, das Nichtaufnehmen der vereinbarten Arbeitsgelegenheit, auch keinen wichtigen Grund. Wichtiger Grund sind alle Umstände des Einzelfalles, die unter Berücksichtigung der normativ oder tatsächlich berechtigten Interessen des Einzelnen in Abwägung mit etwa entgegenstehenden Belangen der Allgemeinheit das Verhalten des Hilfebedürftigen rechtfertigen (Berlit in: LPK/SGB II, § 31 RdNr. 60, m w. N.). Bei den wichtigen Gründen im Vordergrund stehen persönliche, insbesondere familiäre oder gesundheitliche Gründe, z. B. die Herstellung oder Wahrung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, Familienpflichten, Glaubens- oder Gewissensgründe oder in der Arbeitssituation selbst liegende Umstände (Eintreten einer Mobbingsituation oder Auftreten gesundheitsgefährdender Stoffe).

Die Befürchtung der Klägerin, die Arbeitsgelegenheit werde ihre Eingliederungschancen für ihre erlernten Berufe nicht verbessern, ist nicht als wichtiger Grund im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II anzusehen. Zum einen umfasst die Arbeitsgelegenheit auch durchaus Aspekte ihrer früheren beruflichen Tätigkeit als Bürokauffrau, z. B. durch Mithilfe in der Verwaltung, zum anderen ist es nach einer so langen Zeit der Arbeitslosigkeit wie die Klägerin sie aufweist, generell von Vorteil, wenn überhaupt irgendeine Art von Arbeit und sei es im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit, verrichtet wurde. Die Tatsache, dass die Klägerin konfessionslos ist, stellt ebenfalls keinen wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II, denn sie hat ja gerade nicht argumentiert, dass sie aus Gewissensgründen nicht in einer katholischen Einrichtung arbeiten könne, sondern lediglich die Befürchtung geäußert, dass ihre Konfessionslosigkeit einer Festeinstellung in einer konfessionsgebundenen Einrichtung entgegenstehen könne. Im vorliegenden Fall ging es aber überhaupt noch nicht um eine Festanstellung in einer konfessionsgebundenen Einrichtung. Für die Aufnahme der Arbeitsgelegenheit spielte die Konfessionslosigkeit der Klägerin offensichtlich keine Rolle. Auch die Tatsache, dass der Maßnahmeträger der Klägerin keine Impfungen (gegen welche Krankheiten?) anbot, stellt keinen wichtigen Grund dar. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass und in welchem Umfang alle Mitarbeiter in Altenhilfe- und Pflegeeinrichtungen in besonderem Maße einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sind.

8. Sozialgericht Altenburg S 23 AS 130/09 ER 02.03.2009 rechtskräftig , Beschluss

Die Beiträge zu einer Entwässerungseinrichtung eines Grundstücks eines Hartz IV Empfängers sind Kosten der Unterkunft gemäss § 22 Abs. 1 .

Es besteht ein Anordnungsanspruch auf Übernahme der zu zahlenden Raten für die Entwässerungseinrichtung. Rechtsgrundlage ist § 22 Abs. 1 SGB II. Hiernach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Hierbei sind die Besonderheiten bei selbst genutzten Eigenheimen zu berücksichtigen. Zu den angemessenen Kosten der Unterkunft bei Eigenheimen zählen alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (ThürLSG, Beschl. v. 31.01.2006, Az. L 7 AS 770/05 ER, zit. nach juris). Dies entspricht auch der Handhabung im Rahmen der Sozialhilfe vor Einführung des SGB II, wonach als Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die als mit dem Eigentum unmittelbar verbundenen Lasten zu tragen sind, berücksichtigt wurden (BVerwG, Urt. v 07.05.1987, Az. 5 C 36/85 ) .

Gemäß § 7 Abs. 2 der Verordnung zu § 82 SGB XII ist bei der Frage, was bei Vermietung und Verpachtung als Einkommen anzusetzen ist, der Überschuss der Einnahmen über die mit ihrer Erzielung verbundenen Ausgaben anzusetzen. Nach Nr. 2 gehören zu den Ausgaben Steuern vom Grundbesitz, sonstige öffentliche Abgaben und Versicherungsbeiträge. Diese Regelung ist auf das SGB II übertragbar, schon um die Gleichbehandlung von Empfängern von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe zu gewährleisten.

Bei den Beiträgen für die Entwässerungseinrichtung handelt es sich um "sonstige öffentliche Abgaben" in diesem Sinne. Öffentliche Abgaben sind hoheitlich geltend gemachte öffentlich-rechtliche Geldforderungen, die von allen erhoben werden, die einen normativen Tatbestand erfüllen, und zur Deckung des Finanzbedarfs des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben dienen. Zu den öffentlichen Abgaben gehören neben den Steuern auch Beiträge und Gebühren. Beiträge sind Geldleistungen, die zur vollen oder teilweisen Deckung des Aufwandes einer öffentlichen Einrichtung von denjenigen erhoben werden, denen die Herstellung oder der Bestand der Einrichtung besondere Vorteile gewährt. Dabei genügt es, dass der Pflichtige die Möglichkeit hat, diese Vorteile in Anspruch zu nehmen (SG Dresden, Urt. v. 10.07.2006, Az. S 34 AS 293/05). Durch die Herstellung/Anschaffung der Entwässerungseinrichtung wird auch dem Grundstück der Antragstellerin die Möglichkeit eines besonderen Vorteils gewährt; bei dem unter Berufung auf das Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) und die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des ZAL erhobenen Beitrag handelt es sich somit um einen Beitrag in diesem Sinne und damit um eine öffentliche Abgabe.

Da dieser Beitrag von den Einkünften abzusetzen wäre, hätte die Antragstellerin das Grundstück vermietet, handelt es sich um Aufwendungen für die Unterkunft. Dass hierbei ein gewisser Vermögenszuwachs entsteht, steht einer Einordnung der Beiträge als Kosten der Unterkunft nicht entgegen. Auch Reparatur- und Instandhaltungskosten gehören grundsätzlich zu den Kosten der Unterkunft, obwohl hierdurch eine Wertsteigerung erreicht wird. Ein Vermögenszuwachs wird vom Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen, vielmehr ist er, soweit er für Erhaltung der Unterkunft erforderlich ist, zu tolerieren. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin sich weder der Zahlung der Beiträge noch dem -wohl äußerst geringen- Vermögenszuwachs entziehen kann.

Unerheblich ist, dass es sich nicht um eine in direktem Zusammenhang mit dem Wohnraum stehenden Aufwendung, sondern um eine mit dem Eigentum an Grund und Boden verbundene Last handelt. Ein Gebäude gehört zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks (§ 94 BGB) und kann daher grundsätzlich nicht Gegenstand besonderer Rechte sei, so dass eine Unterscheidung zwischen auf dem Wohnraum und auf dem Grundstück liegenden Lasten nicht möglich ist.

Ob die Unterkunftsrichtlinie des Antragsgegners eine Übernahme derartiger Beiträge ausschließt, ist unerheblich. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Verwaltungsvorschrift, welche die gesetzliche Regelung nicht außerkraftsetzen kann. Vielmehr ist die Unterkunftsrichtlinie insoweit rechtswidrig.

Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Die Leistungen nach dem SGB II dienen der Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums, so dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Zahlungen von 30,- EUR monatlich fast ein Zehntel der Regelleistung nach § 20 SGB II ausmachen, so dass ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist.

9. SG Frankfurt S 17 AS 87/08 , Urteil vom 28.05.2009

Hartz IV-Empfänger haben Anspruch auf Fernseher
Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung umfasst gebrauchten Fernseher

Nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden nach § 23 Abs. 3 S. 2 SGB II gesondert erbracht. Diese Leistungen können nach § 23 Abs. 3 S. 5 SGB II als Sachleistungen oder Geldleistungen, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Anders als im Falle des § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II, der bei einem von der Regelleistung umfassten und nach den Umständen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes Leistungen als Darlehen vorsieht, besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II ein Anspruch auf Gewährung der Leistungen in Form eines Zuschusses.

Zur Erstausstattung für die Wohnung im Sinne des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II gehören sämtliche Einrichtungsgeräte und -gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung erforderlich sind und dem Hilfeempfänger ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (etwa Münder, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 23 Rnr. 29; Lang/Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl. 2008, § 23 Rnr. 99). Dies umfasst alle Gegenstände, die in einem vergleichbaren Haushalt unterer Einkommensgruppen üblicherweise vorhanden sind (Hessisches Landessozialgericht, B. v. 23.11.2006, L 9 AS 239/06 ER, juris Rnr. 22 m.w.N.). Das Merkmal der Erstausstattung ist dabei erfüllt, wenn der Hilfebedürftige bisher nicht oder jetzt nicht mehr über die notwendige Wohnungsausstattung verfügt, wobei dies von einem Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarf abzugrenzen ist (Hessisches Landessozialgericht, a.a.O., Rnr. 18, 21; Münder, a.a.O., 23 Rnr. 26).

Erstausstattungen in diesem Sinne kommen unteren anderem in dem vorliegenden Fall der Anmietung einer Wohnung nach Trennung vom bisherigen Lebenspartner in Betracht (Münder, a.a.O., § 23 Rnr. 27). Dementsprechend hat die Beklagte auch Leistungen für die Erstausstattung gewährt, allerdings nicht in Bezug auf das beantragte Fernsehgerät, das die Klägerin unstreitig zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht besessen hat.

Auch ein Fernsehgerät zählt jedoch zur Erstausstattung; es stellt ein Einrichtungsgerät dar, das üblicherweise in Haushalten unterer Einkommensgruppen vorhanden und im Sinne des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II zur geordneten Haushaltsführung erforderlich ist (so im Ergebnis auch SG Magdeburg, B. v. 15.06.2005, S 27 AS 196/05 ER; Münder, a.a.O., § 23 Rnr. 31; vgl. auch – jedoch nicht eindeutig – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, B. v. 18.12.2008, L 2 B 449/08 AS ER, juris Rnr. 19; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 02.03.2009, L 19 AS 78/08, juris 24 und SG Oldenburg, B. v. 12.01.2006, S 47 AS 1027/05 ER, juris Rnr. 58; a.A. – ohne nähere Begründung – in Bezug auf § 31 Abs. 1 SGB XII SG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 14.11.2006, S 56 SO 187/06, juris Rnr. 32 – siehe aber demgegenüber zum Erstausstattungsanspruch nach dem SGB XII Landesozialgericht Berlin-Brandenburg, B. v. 13.7.2006, L 15 B 143/06 SO ER, juris Rnr. 6 ff. und Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urt. v. 08.08.2007, L 9 B 426/07 NZB, juris Rnr. 9).

Bei der Bestimmung des Begriffs der Erstausstattung kann auf die vormalige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu § 21 Abs. 1a Nr. 6 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zurückgegriffen werden (dazu allgemein Münder, a.a.O., § 23 Rnr. 29).

Das Bundesverwaltungsgericht hat in Bezug auf diese Vorschrift angenommen, dass ein Anspruch auf einmalige Sozialhilfeleistungen für die Beschaffung eines gebrauchten Fernsehgerätes bestehen kann. Ein Fernsehgerät stelle ein Gebrauchsgut zur Erfüllung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens dar und gehöre zum Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt, wenn es in vertretbarem Umfang den Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben dient (BVerwG, Urt. v. 18.12.1997, 5 C 7/95, juris Rnr. 11 ff.). Es sei sozialhilferechtlich nicht gerechtfertigt, dem Hilfeempfänger das Medium vorzuschreiben oder ihn auf ein bestimmtes Medium, z.B. Zeitungen, zu verweisen. Orientiere man sich am Verbraucherverhalten unterer Einkommensgruppen, gehöre Fernsehen zum täglichen Leben. Dem entspreche die hohe Ausstattungsdichte auch in Haushalten mit geringen Einkommen (BVerwG, a.a.O., Rnr. 17).

Diese Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zu einem Anspruch nach dem BSHG sind auf die Frage des Erstausstattungsanspruchs nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II übertragbar. Dementsprechend wird auf diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bereits in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung Bezug genommen (SG Magdeburg, Urt. v. 15.06.2005, S 27 AS 196/05 ER).

Insbesondere korrespondiert auch das Argument des Verbraucherverhaltens unterer Einkommensgruppen mit dem für die Erstausstattung geltenden Kriterium, ob in einem vergleichbaren Haushalt unterer Einkommensgruppen die betreffenden Gegenstände üblicherweise vorhanden sind. Insofern ist festzustellen, dass die Quote mit zumindest einem Fernsehgerät ausgestatteten bundesdeutschen Haushalte seit 1998 nahezu gleichbleibend bei etwa 95 % liegt und auch in den Haushalten unterer Einkommensgruppen fast dieser Wert erreicht wird. Auch 92,8 % der Haushalte von Arbeitslosen sind mit Fernsehern ausgestattet (Statistisches Bundesamt, Fachserie 15 Heft 1, EVS 2008, www.destatis.de).

Demnach sind Fernsehgeräte in Haushalten unterer Einkommensgruppen als den maßgeblichen Vergleichshaushalten üblicherweise vorhanden. Ein Fernseher als Haushaltsgegenstand stellt damit den sozial üblichen Standard auch in unteren Einkommensgruppen dar. Damit umfasst ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten unterer Einkommensgruppen orientiertes Wohnen das Vorhandensein eines Fernsehers. Insofern ist er auch für eine geordnete Haushaltsführung erforderlich. Für eine geordnete Haushaltsführung in diesem Sinn ist nicht nur – wovon jedoch offenbar die Beklagte ausgeht – die Ausstattung mit dem absolut Notwendigsten zu verstehen, sondern das Vorhandensein derjenigen Gegenstände, die in Haushalten unterer Einkommensgruppen üblicherweise vorhanden sind und insofern den maßgeblichen soziokulturellen Standard darstellen, der auch von Leistungsbeziehern nach dem SGB II beansprucht werden kann. Anderenfalls käme es insofern zu einer (unzulässigen) Ausgrenzung der Leistungsempfänger (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, B. v. 14.02.2007, L 2 B 261/06 AS ER, juris Rnr. 31) Auf Fernsehabende bei Nachbarn müssen sie sich nicht verweisen lassen.

Allerdings besteht im Rahmen des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II grundsätzlich nur ein Anspruch auf Leistungen für die Anschaffung gebrauchter Gegenstände, da der Kauf gebrauchter Haushaltsgegenstände einem üblichen, sparsamen Verhalten entspricht (vgl. etwa Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 03.04.2008, L 19 AS 1116/06, juris Rnr. 26; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, B. v. 14.02.2007, L 2 B 261/06 AS ER, juris Rnr. 31, jeweils m.w.N.). Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Verweis auf einen gebrauchten Gegenstand wegen dessen Eigenart unzumutbar ist (so bei einer Matratze, vgl. Münder, a.a.O., § 23 Rnr. 29). Hinsichtlich eines Fernsehgerätes besteht indes kein Zweifel an der Zumutbarkeit der Anschaffung nur eines gebrauchten Gerätes.

Nach alledem besteht ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Leistungen für die Anschaffung eines gebrauchten Fernsehgerätes. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die Klägerin zwischenzeitlich bereits ein Fernsehgerät gekauft hat. Denn dies ist erst nach Stellung des Erstausstattungsantrags nach § 37 SGB II erfolgt. Dies führt dazu, dass sich der vorliegende Anspruch der Klägerin nicht auf die erstmalige Gewährung, sondern auf die Erstattung des für die Bedarfsdeckung erforderlichen Betrages bezieht.

Der Anspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe. Der Kaufpreis von 90 EUR, der erstattet werden soll, bewegt sich noch im unteren preislichen Bereich einschlägiger Angebotsquellen für gebrauchte Fernsehgeräte, etwa auf entsprechenden Internetseiten (local24.de, quoka.de, ebay.de u.a.). Er erscheint dem Gericht daher gerade noch angemessen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Hilfeempfänger nicht stets auf das allerbilligste Produkt verweisen lassen muss (siehe Münder, a.a.O., § 23 Rnr. 30).

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