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Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 41/2011

Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 41/2011

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 06.10.2011 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat am 06.10.2011 über vier Revisionen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende entschieden.

1. BSG, Urteil vom 06.10.2011, - B 14 AS 152/10 R -

Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 3 SGB II a. F. umfassen nicht den Selbstbehalt der Vollkaskoversicherung eines angemieteten Umzugsfahrzeugs, denn die Schadensverursachung ist bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr entstanden.

2. BSG, Urteil vom 06.10.2011, - B 14 AS 94/10 R -

Das nach Haftentlassung, aber vor Antragstellung auf SGB II-Leistungen zugeflossene Überbrückungsgeld schließt die Anspruchsberechtigung auch im ersten Monat nach Haftentlassung nicht ohne weiteres aus.

Hier stellte das Überbrückungsgeld im Zeitpunkt der Antragstellung Vermögen dar, das unter dem Grundfreibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II lag und deshalb bei der Leistungsberechnung nicht als Einkommen iS von § 11 SGB II berücksichtigt werden durfte.

3. BSG, Urteil vom 06.10.2011, - B 14 AS 171/10 R -

Für eine Bedarfsgemeinschaft, in der ein Angehöriger Leistungen nach dem SGB II bezieht, der andere aber Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gilt die Kürzungsregelung in § 20 Abs 3 Satz 1 SGB II nicht.

4. BSG, Urteil vom 06.06.2011, - B 14 AS 66/11 R -

Drogenabhängiger und an einer Schizophrenie erkrankter Hartz IV- Empfänger hat Anspruch auf Übernahme der angemessenen Renovierungskosten, die beim Auszug aus der Wohnung entstanden sind.

Es ist unerheblich, dass zwischenzeitlich ein Dritter die Kosten bis zur endgültigen Klärung der Leistungspflicht des Beklagten getragen hat.

Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2011&nr=12174

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 19.09.2011, - L 19 AS 12/11 B -

An paranoider Schizophrenie erkrankte Leistungsbezieherin kann Anspruch auf Erstausstattung der Wohnung haben, denn aufgrund gesundheitlicher und psychischer Probleme hat eine außergewöhnliche Situation bestanden, die zum unverschuldeten Untergang ihrer Wohnungs- und Haushaltsgegenstände geführt hat.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145641&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: BSG, Urteil vom 27.09.2011, - B 4 AS 202/10 R –

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/ein-anspruch-auf-erstausstattungen-der.html

2.2 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21.09.2011, - L 19 AS 1111/11 B ER –

Der Privatanteil der Nutzung eines dem Betriebsvermögen zugeordneten PKW ist dem Einkommen hinzuzurechnen und der Höhe nach ggf. zu schätzen.

Der Privatanteil der Nutzung eines dem Betriebsvermögen zugeordneten PKW ist dem Einkommen hinzuzurechnen und der Höhe nach ggf. zu schätzen , da der Antragsteller offensichtlich kein Fahrtenbuch führt und das angeblich nahezu ausschließlich beruflich genutzte Fahrzeug aktuell das einzige zugelassene Kraftfahrzeug der Bedarfsgemeinschaft darstellt.

Insoweit gilt, dass Kosten und Umfang der privaten und unternehmerischen Fahrten zu schätzen sind, wenn sie nicht konkret ermittelt werden können (ständige Rechtsprechung der Finanzgerichte z.B. Beschluss des BFH vom 18.02.2008 - XI B 185/07; Geiger, Leitfaden zum Arbeitslosengeld II, 8. Auflage, Seite 347 m.w.N.).

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145646&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: Bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit dürfen bezogen auf zukünftige Zeiträume Schätzungen vorgenommen werden, soweit die betreffenden Bescheide unter den Vorbehalt der Vorläufigkeit gestellt werden.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/search?q=sch%C3%A4tzen

2.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 05.10.2011, - L 19 AS 1598/11 B -

Ein Anspruch auf eine Mietkaution besteht nicht, wenn - sämtliche - Leistungsansprüche der Kläger nach dem SGB II wegen fehlender Mitwirkung bestandskräftig versagt worden sind.

Dieses Hindernis hätte vor Entscheidung über einen Leistungsanspruch im Rahmen einer reinen Anfechtungsklage (vgl. Urteil des BSG vom 01.07.2009 - B 4 AS 78/08 R -) beseitigt werden müssen, was nun wegen Fristablaufes nicht mehr möglich ist.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145649&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=[url]

Anmerkung: Der Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für eine Mietkaution nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II setzt voraus, dass der Grundsicherungsträger vor der Entstehung der Mietkautionsforderung eine Zusicherung über die Übernahme dieser Kosten erteilt hat

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/search?q=Mietkaution

2.4 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 15.09.2011, - L 6 AS 2052/10 B -

Diabeteskost sowie eine lipidsenkende und natriumdefinierte Kost erfordern in der Regel keinen Mehrbedarf für Ernährung.
Nach den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 ist bei den vorliegenden Erkrankungen, die nach dem allgemeinen Stand der Humanmedizin keiner spezifischen, sondern einer sog. "Vollkost" bedürfen, ein Mehrbedarf regelmäßig zu verneinen (Seite 13).

Ein solcher kommt im Einzelfall (nur) bei verzehrenden Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen, wie z. B. fortgeschrittenem Krebsleiden, HIV/AIDS, Multipler Sklerose und schweren Verläufen entzündlicher Darmerkrankungen, oder Erkrankungen mit einer gestörten Nährstoffaufnahme oder Nährstoffverwertung in Betracht.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145670&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist .

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/voraussetzung-fur-die-gewahrung-eines.html

2.5 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 28.09.2011, - L 7 AS 1562/11 B ER - und - L 7 AS 1563/11 B -

Die gerügte fehlende Zusätzlichkeit der Tätigkeit - Helfer bei der Tafel - kann nicht zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes führen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 13.04.2011, Az.: B 14 AS 101/10 R) könnte dies nur zu einem Anspruch des Antragstellers auf Wertersatz führen.

Ob ein solcher Anspruch tatsächlich besteht, kann jedoch dem gegebenenfalls zu führenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145599&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: Werden Hartz- IV-Empfängern rechtswidrige Ein-Euro-Jobs zugewiesen, steht ihnen die Nachzahlung des Tariflohns zu.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/search?q=ein+euro+Job

2.6 Landessozialgericht Hamburg Urteil vom 08.09.2011, - L 5 AS 50/08 -

Hartz IV - Familie muss kein ALG II zurückzahlen, wenn ein Amtsverschulden vorliegt, sie kann sich auf Vertrauensschutz berufen.

Aufhebungsbescheid ist rechtswidrig, denn der minderjährige Kläger bzw. seine gesetzlichen Vertreter haben auf den Bestand der Bewilligung vertraut; ihr Vertrauen ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X auch schutzwürdig, da sie die erbrachten Leistungen ganz offenbar verbraucht haben. Insoweit ist die Aufhebung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X unzulässig.

Ein Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kommt aus den vom Sozialgericht angeführten Gründen nicht in Betracht.

Denn dass die Eltern des Klägers, auf die hier als seine gesetzlichen Vertreter abzustellen ist, die Rechtswidrigkeit der Bewilligung infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannten, kann nicht angenommen werden.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nach dem Gesetz nur vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass in dieser Fallgruppe die Angaben des Betroffenen zutreffend waren und die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Bescheides mithin auf Amtsverschulden beruht.

Eine Verlagerung des Risikos unrichtiger Bescheidung auf den Begünstigten erscheint nur dann als verhältnismäßig, wenn er einfachste und naheliegende Überlegungen außer Acht lässt, also an seinem individuellen Verständnishorizont gemessen augenfällige Fehler übersieht (zu allem Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rn. 54 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung von BSG und BVerwG).

Dabei trifft den Begünstigten, der zutreffende Angaben macht, keine Verpflichtung, Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Allerdings sind die Beteiligten im Sozialrechtsverhältnis verpflichtet, sich gegenseitig vor Schaden zu bewahren. Diesem Grundsatz entspricht es, dass der Begünstigte gehalten ist, den Bescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (BSG, Urt. v. 2.2.2001 – B 11 AL 21/00 R).

Anmerkung: Ein Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kommt aus den vom Sozialgericht angeführten Gründen nicht in Betracht.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145596&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/10/hartz-iv-familie-muss-kein-alg-ii.html

2.7 Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 10.08.2011, - L 16 AS 403/09 -

Ein finanzieller Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung kann nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins von 2008 nicht ausgeschlossen werden für Erkrankungen der Colitis ulcerosa, einer Krebserkrankung und einer Morphintherapie bei Schmerzsyndrom.

Colitis ulcerosa und Krebs können zu den so genannten verzehrenden (konsumierenden) Erkrankungen gehören, bei denen gemäß Nummer II.2. 4.2 der Empfehlungen des Deutschen Vereins im Einzelfall ein erhöhter Ernährungsbedarf vorliegen kann.

Im Falle von Untergewicht oder eines schnellen krankheitsbedingten Gewichtsverlusts von 5 % in drei Monaten kann bei den sogenannten verzehrenden Erkrankungen nach Nr. II.2 4.2 der Empfehlungen des Deutschen Vereins regelmäßig von einem erhöhten Ernährungsbedarf ausgegangen werden.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145735&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

2.8 Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 27.09.2011, - L 13 AS 4950/10 -, Revision zugelassen

Der Grundsicherungsträger ist nicht berechtigt, gegenüber einem Dritten eine Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB II bzw. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II zu begründen, wenn der Dritte zwar leistet bzw. leistungsverpflichtet ist, der Leistungsempfänger bzw. Leistungsberechtigte jedoch weder tatsächlich irgendwelche Leistungen des Grundsicherungsträgers erhält, noch Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ist und sein Leistungsantrag nach dem SGB II vom Grundsicherungsträger bereits bestandskräftig abgelehnt wurde.

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145567&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: Auskunftspflicht des Vaters nach § 60 Abs. 2 SGB II ist nicht gegeben, wenn der Sohn tatsächlich keine Leistungen vom Jobcenter erhält und sein Leistungsantrag bestandskräftig abgelehnt wurde.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/10/auskunftspflicht-des-vaters-nach-60-abs.html

2.9 Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 27.09.2011, - L 13 AS 4496/10 -

Hartz IV - Auch Sperrkonto schützt nicht vor Vermögensverwertung.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 27.09.2011, - L 13 AS 4496/10 - festgestellt, dass

Hilfebedürftigkeit aber auch nicht dadurch eingetreten ist, dass der Kläger die ausbezahlte Bausparsumme dazu nutzte, diese unzugreifbar auf einem Sperrkonto anzulegen um diese dann außerhalb des streitigen Zeitraumes dazu zu verwenden, eine Sondertilgung auf die aus dem Grundstückskauf resultierenden Schulden zu leisten.

Ein Sperrkonto ist ein besonderes Konto über das in der Sperrzeit nicht verfügt werden kann; erst nach Ablauf der Sperrfrist, kann der Kontoinhaber über das Konto verfügen. Ist das Vermögen dem Zugriff des Hilfebedürftigen unzugreifbar entzogen, kommt eine Berücksichtigung nach § 12 SGB II nicht mehr in Betracht.

Wäre dies vorliegend der Fall, so wäre insoweit jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Einzahlung auf das Sperrkonto eine im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigende Vermögensreduzierung eingetreten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 73/04 - R SozR 4-4220 § 6 Nr. 3, Rdnr. 29).

Mit der Umwandlung der Vermögensform Bausparvertrag in eine Geldanlage auf einem Sperrkonto wollte der Kläger das zuvor verwertbare Vermögen unzugreifbar machen und damit der Verwertungspflicht nach § 12 SGB II entziehen.

Zwar war ursprünglich beabsichtigt, die im Bausparvertrag angesparte Summe zur Tilgung der mit dem Hauskauf verbundenen Bankschulden zu verwenden.

Doch hat der Hilfebedürftige vor einer Bedienung anderweitiger Schulden sein zu verwertendes Vermögen zuerst zur Deckung des Lebensbedarfs der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einzusetzen.

Er hat sein Vermögen einer Verwertung entzogen und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem er wusste, dass gerade das Vorhandensein dieses Vermögens seine Hilfebedürftigkeit ausgeschlossen hatte. Er hat damit durch die Vereinbarung mit der C.bank seine Hilfebedürftigkeit vorsätzlich herbeigeführt.

Zwar begründet auch die vorsätzlich bzw. grob fahrlässig herbeigeführte Hilfebedürftigkeit einen Leistungsanspruch nach den §§ 19 ff. SGB II (vgl. dazu Link in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 34 Rdnr. 1), doch begründet dieses Verhalten auch die Erstattungspflicht nach § 34 SGB II.

Dies gilt aber nur, wenn die Leistungserbringung rechtmäßig war (Link a.a.O. Rdnr. 10). Vorliegend kommt eine rechtmäßige Leistungsgewährung nicht in Betracht, denn der Kläger konnte auch nach Einzahlung der Bausparsumme auf das Sperrkonto über dieses Geld verfügen, weshalb er und die Bedarfsgemeinschaft der Kläger nicht hilfebedürftig sind.

Denn wirkt ein Hilfebedürftiger mit seiner darlehensgewährenden Bank derart zusammen, dass eine nicht abgetretene Bausparsumme ausbezahlt und für den Hilfebedürftigen unzugreifbar auf ein bei der Bank geführtes Sperrkonto einbezahlt wird, um den Betrag später zur Tilgung von Schulden bei dieser Bank (Sondertilgung für einen Hauskredit) zu verwenden, und hat die Bank Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit, verstößt die Vereinbarung der Kontensperre gegen die guten Sitten und ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145564&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: Hartz IV - Empfänger muss bei verschwiegenem Bausparvertrag gesamtes ALG II zurückzahlen

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/hartz-iv-empfanger-muss-bei.html

3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 Sozialgericht Düsseldorf Urteil vom 12.09.2011, - S 10 (45) AS 114/07 -

Ein Verlust von weniger als 10 % der eingezahlten Beiträge der Lebensversicherung ist ohne weiteres hinzunehmen, damit ist sie verwertbares Vermögen(Brühl, in:: LPK-SGB II, 3. Auflage, § 12,Rn. 56; mit Verweis auf: BSG, Urteil vom 06.09.2007, Az.: B 14/7b AS 66/06 R).

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145642&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

3.2 Sozialgericht Stade Urteil vom 05.08.2011, - S 28 AS 452/09 -

§ 31 Abs. 4 Nr. 3 b) SGB II ist anwendbar, wenn das dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen abverlangte Verhalten nicht bereits in § 31 Abs. 1 SGB II geregelt ist und das sperrzeitrelevante Ereignis zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem eine Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des SGB III vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010 - B 4 AS 68/09 R - zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R -).

Hier fehlt es an einer Beziehung des Klägers zum Rechtskreis des SGB III.

Es werden diejenigen Beschäftigten erfasst, die in einem für die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf ALG nach § 123 SGB III zu berücksichtigenden Versicherungspflicht-verhältnis als Beschäftigte gegen Arbeitsentgelt nach § 25 Abs. 1 SGB III stehen und nicht als Personen in einer geringfügigen Beschäftigung versicherungsfrei sind. Besteht lediglich eine versicherungsfreie Beschäftigung, fehlt es an einem durch Beitragszahlung bzw. den Aufbau einer Anwartschaft auf ALG vermittelten Sozialversicherungsverhältnis zur BA und damit an einer Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des SGB III (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010 - B 4 AS 68/09 R - zitiert nach juris). Von einer Gleich-stellung von Buchstabe a) mit Buchstabe b) des § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II kann nur dann gesprochen werden, wenn das (an sich) sperrzeitrelevante Ereignis bei beiden Alternativen zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem der Betroffene in einem Sozialversicherungs-rechtsverhältnis zur BA als SGB III-Träger steht, insbesondere weil er eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübt. Für den in § 31 Abs. 4 Nr. 3 b) SGB II genannten Personenkreis kommt folglich in erster Linie die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe in Betracht. Einem derartigen Regelungsregime sind Personen, die keine Versicherungszeiten nach dem SGB III zurückgelegt haben, hingegen nicht unterworfen.

Für sie finden aus-schließlich die in § 31 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB II geregelten Tatbestände Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - ).

Die Anwendung des § 31 Abs. 4 Nr. 3 b) SGB II wird daher nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, auf Leistungsbezieher beschränkt, die in einem Sozialversicherungsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit als SGB III-Träger stehen. Vorliegend handelte es sich bei der ausgeschriebenen Stelle beim A. zwar um eine versicherungspflichtige Tätigkeit. Der Kläger hatte diese Tätigkeit jedoch noch nicht aufgenommen, d.h. er hat keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, so dass eine Anwendbarkeit des § 31 Abs. 4 Nr. 3 b) SGB II aus-scheidet.

Der Beklagte kann seine Entscheidung auch nicht auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II stützen, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, eine mit einem Beförderungszuschuss nach § 16a geförderte Arbeit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Dies gilt nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, ist es erforderlich, dass sämtliche dort aufgeführte Maßnahmen Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung sind (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - zitiert nach juris). Der Satz muss so verstanden werden, dass der Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II nur dann verwirklicht werden kann, wenn das Verhalten, dass sanktioniert werden soll, zuvor in einer Eingliederungsvereinbarung geregelt worden ist. Sowohl § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) SGB II (Weigerung, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen) als auch § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II (Weigerung, eine zumutbare Arbeit, oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen) setzen Verstöße gegen in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten voraus (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 53/08 R - ).

http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145708&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: Wird der Antrag auf Sachleistungen nach § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II bereits im Rahmen der Anhörung gestellt, ist zumindest im Fall des Wegfalls des Arbeitslosengeldes II aus verfassungsrechtlichen Erwägungen auch zeitgleich mit der Sanktion hierüber zu entscheiden.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/wird-der-antrag-auf-sachleistungen-nach.html

4. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 Sozialgericht Heilbronn Urteil vom 13.09.2011, - S 11 SO 308/ 09 -

Gewährung von Sozialhilfe ohne Anrechnung der Altersrente als Einkommen.

Zwar erhält nach § 2 Abs. 1 SGB XII Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägem anderer Sozialleistungen erhält.

Der Sozialhilfeträger durfte den geschäftsunfähigen und ua. an einer dementiellen Entwicklung erkrankten Kläger vor Betreuerbestellung darauf nicht verweisen, seine Altersrente einzusetzen, auf die er tatsächlich kein Zugriff hatte.

Denn es ist der Leitgedanke des § 1 Satz 1 SGB XII zu berücksichtigen, wonach es Aufgabe der Sozialhilfe ist, dem Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht.

Diese Norm strahlt als Leitgedanke auf die Lösung konkreter Rechtsfragen der einzelnen im SGB XII geregelten Leistungsbereiche aus(Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 1 Rn. 7 ,m,w.N.,insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Quelle: Harald Thome

5. Meldetermin: AU-Bescheinigung allein kein Nachweis für „wichtigen Grund“?

von Rechtsanwalt Helge Hildebrandt, Holtenauer Straße 154, 24105 Kiel, Tel. 0431 / 88 88 58 7

Bisher galt die Nichtwahrnehmung eines Meldetermins nach § 59 SGB II beim Jobcenter Kiel als „entschuldigt“, wenn für den Tag, an dem der Meldetermin wahrgenommen werden sollte, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) vorgelegt werden konnte. Diese Praxis hat das Jobcenter Kiel – wie auch andere Jobcenter – nun augenscheinlich geändert. Verlangt wird seit kurzem die Vorlage einer „Wegeunfähigkeitsbescheinigung“ durch den behandelnden Arzt. Dies sowie einige Anrufe teils irritierter Betroffener der letzten Tage ist Anlass genug, einmal zusammenzufassen, wann die Nichtwahrnehmung eines Meldetermins „entschuldigt“ ist bzw. in den Worten des Gesetzes ein „wichtiger Grund“ für das Nichterscheinen vorliegt.

weiter hier lesen: http://sozialberatung-kiel.de/tag/%C2%A7-59-sgb-ii/

6. Ermessen des Leistungsträgers bei Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II

Anmerkung zu: BSG 4. Senat, Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 117/10 R -; Autor: Dr. Thomas Harks, RiLG, z.Z. Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BVerfG ;Fundstelle: jurisPR-SozR 20/2011 Anm. 1

Das dem Grundsicherungsträger im Hinblick auf die Gewährung einer Eingliederungsmaßnahme nach dem SGB III eingeräumte Ermessen ist auf das Entschließungsermessen begrenzt, es sei denn, nach den Vorschriften des SGB III besteht auch ein Auswahlermessen(Leitsatz von Juris).

Zitat: " Problemstellung

weiter hier lesen : http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/10/ermessen-des-leistungstragers-bei.html

7. Anhörung des Betriebsrats vor Kündigung eines Arbeitnehmers einer ARGE - Jobcenter

Anmerkung zu: BAG 6. Senat, Urteil vom 09.06.2011 - 6 AZR 132/10- ; Autor: Prof. Dr. Burkhard Boemke ;Fundstelle: jurisPR-ArbR 39/2011 Anm. 1

Quelle: Juris

Wird ein Arbeitnehmer eines öffentlichen Arbeitgebers von diesem einer in der Rechtsform einer GmbH gebildeten Arbeitsgemeinschaft zur Dienstleistung zugewiesen, ist grundsätzlich vor der Kündigung des Arbeitnehmers nicht der bei der Arbeitsgemeinschaft gebildete Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anzuhören, sondern der beim Arbeitgeber errichtete Personalrat zu beteiligen(Leitsatz von Juris).

Zitat: "Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen. Dabei hätten allerdings die rechtlichen Zusammenhänge durchaus klarer strukturiert werden können.

weiter hier lesen : http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/10/anhorung-des-betriebsrats-vor-kundigung.html

8. Kann im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit der aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gepfändete Teil des Erwerbseinkommens eines Antragstellers als Einkommen nach § 11 SGB II berücksichtigt werden?

Grundsätzlich ist eine Berücksichtigung von Schuldverpflichtungen im SGB II nicht möglich.

Als Einkommen nach § 11 SGB II können aber nur bereite Mittel berücksichtigt werden. Bereite finanzielle Mittel stehen dem Leistungsberechtigten dann zur Verfügung, wenn er sie kurzfristig und ohne wesentliche Zwischenschritte realisieren kann, um mit ihnen seinen Bedarf zu decken.

Soweit Teile des Arbeitseinkommens aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gepfändet werden, hat der Antragsteller darüber keinerlei Verfügungsmöglichkeiten, d. h. diese stehen ihm nicht als bereite Mittel zur Verfügung.

Daher ist der gepfändete Betrag bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit grundsätzlich nicht als Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen.

Regelmäßig dürfte es sich bei dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss um einen so genannten Blankettbeschluss handeln. D. h. dem Drittschuldner (hier: Arbeitgeber) wird verboten, Arbeitseinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenzen nach § 850 c Abs. 3 ZPO an den Schuldner (hier: Arbeitnehmer, Antragsteller) auszuzahlen.

Nach § 850 c Abs. 3 Satz 2 ZPO genügt die Bezugnahme auf die Tabelle über die Pfändungsfreigrenzen zu § 850 c Abs. 3 ZPO. Dem Arbeitgeber wird dabei die eigenständige Ermittlung des konkret pfändbaren Arbeitseinkommens auferlegt. Dem Antragsteller wird daher immer das Einkommen bis zum Erreichen der Pfändungsfreigrenze ausgezahlt.

Tritt im Einzelfall durch die Pfändung des Einkommens erhöhte Hilfebedürftigkeit ein, so ist dem Antragsteller aufzuerlegen, beim Vollstreckungsgericht eine Erhöhung des unpfändbaren Betrages zu beantragen (§ 850 f Abs. 1 Buchstabe a ZPO).

Beispiel:
Familie mit 3 Kindern (15, 16 und 17 Jahre).
Bedarf nach SGB II: 2.225 €
Einkommen eLb: 2.000 €
./. Freibetrag § 11b: 330 €
----------------
Anzurechnen 1.670 €
Kindergeld (2x 184 € + 1x 190 €): 558 €
----------------
Einkommen insgesamt: 2.228 €
Bedürftigkeit liegt nicht vor!

Nach der Tabelle zu § 850 c ZPO ist bei einem Nettoeinkommen von 2.000 € und 4 unterhaltsberechtigten Personen ein Betrag von 5 € pfändbar. Unter Berücksichtigung dieses Betrages würde Hilfebedürftigkeit eintreten. Die Erhöhung des unpfändbaren Betrages ist zu beantragen.

Variante:

eLb lebt mit Partnerin und deren 3 Kindern (15, 16 und 17 Jahre) in einer BG.
Bedarf nach SGB II: 2.225 €
Einkommen EHB: 2.000 €
./. gepfändete Beträge nach § 850 c ZPO: 680 €
(keine Unterhaltsverpflichtung)
./. Freibetrag nach § 11b: 330 €
----------------
Anzurechnen 990 €
Kindergeld (3x 154 €): 558 €
----------------
Einkommen insgesamt: 1. 548 €
Bedürftigkeit liegt vor!

Da gegenüber den Personen in der BG keine Unterhaltsverpflichtung besteht, ist eine Erhöhung des unpfändbaren Betrages nach § 850 c ZPO nicht möglich.

Die gepfändeten Beträge dürfen als nicht bereite Mittel nicht als Einkommen berücksichtigt werden.

Quelle: Wissensdatenbank der BA § 11 SGB II , geändert am 06.10.2011

http://wdbfi.sgb-2.de/

Anmerkung: Vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmerman

Auch nach der Rechtsprechung des BVerfG kommt es ausschließlich auf die tatsächlichen Gegebenheiten und nicht auf etwaige fiktive Umstände an ("Gegenwärtigkeitsprinzip", vgl. Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, 803).

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/10/kann-im-rahmen-der-prufung-der.html

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Die Übernahme des Textes für andere Veröffentlichungen und Internetseiten ist nur erlaubt mit der Quellenangabe "Tacheles-Rechtsprechungsticker, http://www.tacheles-sozialhilfe.de"

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