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Tacheles PM 7.10.05: Wohnkosten für Langzeitarbeitslose in Wuppertal weiter umstritten

Wohnkosten für Langzeitarbeitslose in Wuppertal weiter umstritten
Tacheles zudem besorgt wegen Gesetzentwurf zur Kommunalfinanzierung

Die Neuregelung der Übernahme von Wohnkosten im Zuge des Arbeitslosengeldes II für Langzeit-rbeitslose (ALG II) in Wuppertal greift zu kurz und lässt insbesondere Härtefälle außer Acht. So die Kritik des Wuppertaler Erwerbslosenvereins Tacheles, der zudem auf eine Entbürokratisierung der Umzugsregelungen besteht. Darüber hinaus zeigt sich der Verein besorgt über die Folgen des neuesten Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf die Entscheidungen der Kommunen.

Die ARGE Wuppertal hatte nach der Kritik von Tacheles nachgebessert. So wurde eine 10 %-ige Kulanz- und auch Bagatellgrenze eingeführt sowie verbindlich geregelt, dass Kostensenkungs- und Umzugsaufforderungen mit einer Frist von bis zu 5 Monaten ergehen. Die Frist betrug zuvor unter drei Monate. Zudem wurde das Anschreiben an die Betroffen geringfügig modifiziert. „Diese Neure-gelungen sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber bei weitem noch nicht ausreichend“, kommen-tiert der Tacheles-Vorsitzende Harald Thomé die Nachbesserungen. Thomé ist übrigens im Beirat der ARGE vertreten, auf seine Initiative hin sind die Nachbesserungen durchgeführt worden. Die 10 %-ige Kulanzgrenze bedeutet, daß Bezieher von ALG II ihre Kosten der Unterkunft (KdU) auch dann voll erstattet bekommen, wenn sie bis zu 10 % über den in Wuppertal als angemessen angesehenen Grenzen liegen.

Diese Kulanzregelung gilt jedoch nur für Arbeitslose, die zum 1.1.2005 ins ALG II gekommen sind. Eine Einschränkung, die Tacheles für unsozial hält und zudem für zu kurz gegriffen, da durch die 10 % lediglich Bagatellfälle verwaltungsvereinfacht werden. Für eine alleinlebende Person bedeut dies, das eine Überschreitung von bis zu 22,27 € möglich ist.

Für Härtefälle, also Menschen in besonderen Notlagen, die mit erheblichen persönlichen Schwierig-keiten zu kämpfen haben, fordert Tacheles eine Kulanz von 20%: Alleinerziehende, Ältere über 55 Jahre, Kranke und Behinderte. Dies sollte laut Harald Thomé – analog der Berliner oder Bielefelder Regelung – auch für Langzeitarbeitslose gelten, die bereits lange Jahre in ihrer Wohnung leben. Auch hier würde eine Kostensenkung durch einen Umzug eine besondere persönliche Härte bedeuten angesichts von wenigen Euro Mehrkosten für die ARGE.

Sorgen macht sich der Verein auch über die möglichen Folgen des zweiten Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 5. 10., wonach die Kommunen ab sofort für mindestens ein Jahr keinen weiteren Ausgleich für ihre Kosten für die Unterkunft von Langzeitarbeitslosen erhalten sollen:
http://www.bmwa.bund.de/Navigation/Arbeit/arbeitsmarktpolitik,did=77528.html

Laut Tacheles wird dadurch der Druck auf die Kommunen erhöht, Einsparwünsche des Bundes nach unten weiterzureichen an die am schlimmsten Betroffenen. „Welche Folgen das Gesetz auf die dringend nötige Ausweitung der Kulanz für Härtefälle auch in Wuppertal haben wird, falls es vom neuen Bundestag und vom Bundesrat so beschlossen wird, bleibt abzuwarten“, meint Harald Thomé besorgt.

Des weiteren kritisiert er die in seinen Augen rigide Anwendung der Umzugsfristen bei ALG II in Wuppertal. Gesetzlich hat ein Langzeitarbeitsloser bis zu 6 Monaten Zeit, unangemessene Kosten der Unterkunft durch Umzug zu senken. In Wuppertal waren das früher de facto 3 Monate, was nach heftigen Protesten u.a. von Tacheles nun auf 5 Monate erhöht wurden.

Hier fordert Thomé ein Einschwenken auf die bundesweit meist übliche Praxis von 6 Monaten, da es den meisten Betroffenen schwer fällt, so kurzfristig eine angemessen Wohnung zu finden in Wuppertal. Zumal angesichts der Tatsache, dass Kommunen wie Berlin oder Köln hier eine Schonfrist von 18 Monaten angeordnet haben oder Bochum von 15 Monaten, um einen ausufernden und kostenintensiven Umzugstourismus von Langzeitarbeitslosen zu verhindern.

Ins Visier genommen hat Tacheles e.V. auch eine besondere Variante des Bürokratismus, der Empfänger von ALG II daran hindert, schnell eine angemessene Wohnung zu bekommen: Wer sich den Mietvertrag für eine solche Wohnung nicht von der ARGE absegnen lässt, hat in Wuppertal keine oder nur eine geringe Chance, dass das Amt auch nur Teile der Umzugskosten übernimmt.

Was es muss, aber nur nach Absegnung. „Eine unhaltbare Situation“, kritisiert Erwerbslosenexperte Thomé: “Die meisten Wohnungsangebote erscheinen am Wochenende in den Zeitungen. Um sich eine Wohnung zu sichern, muss der Mietvertrag oft bereits vor dem Wochenbeginn, also außerhalb der ARGE-Öffnungszeiten, unterschrieben werden. Alles andere ist unsinnig. Es kostet die Wohnungssuchenden wertvolle Zeit und vermutlich auch die gewünschte Wohnung. Dies kann nicht im Sinne der ARGE sein.“

Für den Umzug selbst fordert Tacheles eine Umzugspauschale, mit der in vielen anderen Kommunen bereits seit Jahren erfolgreich gearbeitet wird. „Dies erspart dem Amt viel Verwaltungsarbeit und ermöglicht den Betroffenen eine genauere Kalkulation der Kosten“, erläutert der Vereinsvorsitzende. Wünschenswert und praxisnah erscheint eine nach Personenzahl gestaffelte Regelung, nach der beispielsweise ein 2-Personenhaushalt 750 € erhält.

Scharf verurteilt Tacheles die neue Wuppertaler Praxis, nach der die ARGE immer häufiger Umzugskosten nur auf Darlehensbasis gewährt, selbst dann, wenn sie zuvor selbst zum Umzug aufgefordert hat. Mit derartigen Praktiken bricht die ARGE eindeutig das Gesetz, wonach Umzugskosten in solchen Fällen immer auf Beihilfenbasis zu übernehmen sind. Hier fordert Tacheles eine sofortige und umgehende Korrektur dieser rechtswidrigen Praxis.

Das Tacheles Forderungspaket ist im Netz unter: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2005/kdu_ford_tacheles.html zu finden.

Weiteren Hintergrund zu der bisherigen Auseinandersetzung finden Sie hier: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2005/Zwangsumzuege.html

Zur Einschätzung, wie viel Menschen umziehen müssen:
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2005/Unterkunftskosten.html

Hier noch ein offener Brief an Arge-Leiter Lenz wegen seines Umgangs mit dem Tacheles-Vorsitzende: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2005/brief_lenz.html

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