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Jahresarchiv

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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 04/2025

1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Bürgergeld ( SGB II )

 1.1 LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. Januar 2025 - L 11 AS 372/24 B ER -

Jobcenter muss nicht Immobilienvermögen von Bürgergeldempfängern optimieren

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass Bürgergeldempfänger nicht als hilfebedürftig gelten, wenn sie ein (zu) großes Einfamilienhaus gebaut haben und dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhalts nutzen können.

Wenn Empfänger von Bürgergeld versuchen ihr Inmobilienvermögen zu optimieren, etwa weil ihnen die Entfernung zur Stadtmitte zu weit ist, gehen sie leer aus.

Die Karenzzeit beim SGB II dient zur Überbrückung einer Notlage.

Quelle: https://landessozialgericht.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/jobcenter-muss-nicht-immobilienvermogen-von-burgergeldempfangern-optimieren-238720.html

 

Praxistipp

LSG Sachsen, Beschluss v. 13.11.2024 - L 7 AS 379/24 B ER -

Orientierungssatz Tacheles e. V.

Kein Härtefall bei alleiniger geringfügiger Überschreitung von 7 m²  nunmehr gesetzlich geregelter Wohnflächengrenze

Ein Alleinbewohner eines 147 m² großen Hauses hat keinen Anspruch auf zuschussweises Bürgergeld.

Wegen 7 Quadratmeter soll ein Leistungsempfänger sein Haus verkaufen oder es kommt nur die Erbringung eines Darlehens vom Jobcenter in Betracht.

 

 

1.2 LSG Bayern, Urt. v. 18.09.2024 - L 16 AS 568/21 -

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Ein vorläufiger Bewilligungsbescheid, der sich nach § 39 Abs. 2 SGB X mit Erlass des endgültigen Festsetzungsbescheids erledigt hat, kann nicht nach § 44 SGB X überprüft werden, da es am zu überprüfenden Gegenstand fehlt, sodass eine sachliche Prüfung im Rahmen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht eröffnet ist.

2. Ein endgültiger Festsetzungsbescheid wird nicht gemäß § 86 1. Halbsatz SGG Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens über die Überprüfung (§ 44 SGB X) der Höhe der vorläufig zu bewilligenden Leistungen nach dem SGB II. Vielmehr entfällt der Gegenstand des Überprüfungsverfahrens nachträglich.

 

1.3 Sächsisches LSG, Urteil vom 21.08.2024 - L 3 AS 39/18 -

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

Zur Frage, ob der Auszug eines Untermieters mit einer Mieterhöhung vergleichbar ist mit der Folge, dass eine Übergangszeit für Kosensenkungsmaßnahmen zu gewähren ist.

Anmerkung Redakteur: Urteil betrifft Zeiten zu Hartz IV.

Gericht verneint erneute Kostensenkungsaufforderung, weil der Antragstellerin ausreichend bekannt war, dass ihre Miete unangemessen war.

 

Praxistipp zum SGB XII:

Bayerisches LSG, Urteil vom 26.04.2023 – L 8 SO 214/22 - Notwendigkeit einer (nochmaligen) Kostensenkungsaufforderung nach einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse - hier Auszug des Untermieters nach 3 Jahren

 

Mein Tipp für Bürgergeldempfänger und Sozialhilfebeziehende

Bei Änderung der Wohnverhältnisse sollte das Jobcenter eine erneute Kostensenkungsaufforderung erstellen, denn – veraltete Senkungsaufforderungen – sind unwirksam ( BSG Rechtsprechung aus 2021 ).

Die Kostensenkungsaufforderung gewährleistet, dass sich die Hilfebedürftigen auf – künftige – Entscheidungen der Verwaltung einstellen können (vgl. BSG, Urteil vom 02.09.2021 – B 8 SO 13/19 R unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 19.05.2021 – B 14 AS 57/19 R – ).

Tritt die Situation einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ein, ist daher gegebenenfalls – auch eine erneute Kostensenkungsaufforderung geboten (vgl. ThürLSG, Urteil vom 08.01.2020 – L 4 AS 1246/16 – nicht veröffentl.).

Ob Änderungen der Sachlage in einer abgeänderten Kostensenkungsaufforderung mit neuen Angemessenheitswerten Rechnung getragen werden muss, ist nicht losgelöst von den Vorgaben an eine “erste” Kostensenkungsaufforderung zu beurteilen, so ausdrücklich das BSG mit Urteil vom 21.07.2021 – B 14 AS 31/20 R – )

weiter hier: https://www.gegen-hartz.de/urteile/buergergeld-erneute-kostensenkungsaufforderung-des-jobcenters-bei-auszug-des-untermieters

 

 

2. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Bürgergeld ( SGB II )

2.1 SG Detmold, Gerichtsbescheid. v. 03.05.2022 - S 19 AS 642/17 - bestätigend LSG NRW, Urt. vom 11.04.2024 - L 19 AS 10171/22 - Ablehnung des PKH- Antrags: BSG, Beschluss vom 1.Oktober 2024 , Az: B 7 AS 101/24 BH

 

Bürgergeld: Nur im Ausnahmefall muss das Jobcenter Tilgungsleistungen bei einer selbst bewohnten ETW übernehmen

Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
Grundsätzlich keine Übernahme von Tilgungsleistungen für eine selbst bewohnte Eigentumswohnung als Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II.

Dies gilt auch, wenn die monatlichen Tilgungsraten ggfs. gleich hoch oder niedriger sind, als die im Sinne von § 22 SGB II angemessenen Mietkosten.

Praxistipp

BSG, Urt. v. 17.07.2024 - B 7 AS 7/23 R -

Tilgungsleistungen bei Wohneigentum sind nicht zu übernehmen vom Jobcenter bei Vorhandensein bereiter Mittel, wie etwa Mieteinnahmen.

Der Hilfebedürftige muss bereite Mittel (Mieteinnahmen) auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden, wenn er sich dadurch außerstande sieht, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen.

Die Situation, dass die Hilfebedürftige aus dem vermieteten Wohneigentum, zu dessen Finanzierung Darlehen aufgenommen worden sind und Schuldzinsen bzw Tilgungsraten anfallen, ggf als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen erzielt, ist nicht vergleichbar mit dem vom BSG genannten Ausnahmefall.

Denn es fehlt bereits am Schutz des Grundbedürfnisses Wohnen bei an Dritte vermietetem Wohnraum.

 

3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht ( SGB III )

3.1 Sächsisches LSG, Urt. v. 05.12.2024 - L 3 AL 85/22 -

Orientierungssatz Detlef Brock

Einer Klage auf Erteilung eines Bildungsgutscheines fehlt das Rechtsschutzbedürfnis wegen der Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache, wenn die Maßnahme beendet ist und der Antragsteller nicht an der Maßnahme teilgenommen hat (so bzgl. einer Maßnahme, die bereits begonnen hat, und wenn nichts dafür spricht, dass der Antragsteller noch in die Maßnahme eintreten kann: Sächs. LSG, Beschluss vom 13. März 2013 – L 3 AS 538/12 B PKH – ).


Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de

1. Eine Entscheidung über eine Förderung einer beruflichen Weiterbildung bezieht sich immer auf eine von einem konkreten Träger durchzuführende konkrete Maßnahme (Fortführung der Senatsrechtsprechung: vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 18. Mai 2016 – L 3 AS 167/16 B ER – juris Rdnr. 22). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Förderung der beruflichen Weiterbildung bezüglich einer konkreten Maßnahme bei einem konkreten Maßnahmeträger beantragt wird.

2. Einen nur die Anspruchsvoraussetzungen aus § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III berücksichtigenden, quasi abstrakten Förderanspruch gibt es nicht (Bestätigung der Senatsrechtsprechung: vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 18. Mai 2016 – L 3 AS 167/16 B ER – juris Rdnr. 22).

3. Einer Klage auf Erteilung eines Bildungsgutscheines fehlt das Rechtsschutzbedürfnis wegen der Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache, wenn die Maßnahme beendet ist und der Antragsteller nicht an der Maßnahme teilgenommen hat.

 

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

4.1 LSG NSB, Beschluss v. 17.12.2024 - L 15 SO 49/24 B ER -

Ausnahme bei Verlustfeststellung; Leistungsanspruch bei mindestens fünfjährigem gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet; Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder bei Aufenthalt zur Arbeitssuche; nichterforderlichkeit der Bestandskraft; Sozialhilfe

Leitsatz www.sozialgerichtsbarkeit.de

Die Rückausnahme nach § 23 Abs. 3 Satz 7 Halbs. 2 SGB XII setzt nicht voraus, dass die Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit bestandskräftig geworden ist.

Leitsatz Redakteur

Bereits die Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts führt nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII zur Unanwendbarkeit der Ausnahmeregelung vom Leistungsausschluss für Ausländer, die sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten ( gilt auch beim Bürgergeld - § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II -).


Hinweis Redakteur:

gilt auch für das Bürgergeld - § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II -

Auch wenn gegen den Bescheid der Ausländerbehörde Widerspruch eingelegt worden ist und damit eine Durchsetzung der Ausreisepflicht nicht erfolgen kann, begründet allein die bloße Verlustfeststellung eine Ausreisepflicht.

Die Rückausnahme nach § 7 Abs. 1 S. 4 Halbs. 2 SGB II setzt nicht voraus, dass die Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit bestandskräftig geworden ist.

 

5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

5.1 SG Altenburg – Beschluss am 13.01.2025 – S 21 AY 1326/24 ER -

Normen: § 3 AsylbLG, § 3a AsylbLG, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – Schlagworte: Regelbedarfsstufe 1, Regelbedarfsstufe 2, Leistungen nach § 3 AsylbLG, Leistungen nach § 3a AsylbLG

Gewährung von Grundleistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1 für iranischen Staatsbürger

" Die Kammer teilt die vielfach in Rechtsprechung und Kommentierung ausgedrückten erheblichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der vom Gesetzgeber in § 3a AsylbLG geregelten besonderen Bedarfsstufe für erwachsene Leistungsberechtigte, die in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftseinkünften oder vergleichbaren Unterkünften untergebracht sind (als nur einige Beispiele: LSG Mecklenburg-Vorpommern; Beschl. v. 11.05.2020 – L 9 AY 22/19 B ER und 21..01.2021 – L 9 AY 27/20 B ER; SG Gelsenkirchen, Urt. v. 08.04.2021 – S 32 AY 30/20, Rn. 16f; SG Kassel, Beschl. v 13.07.2020 – S 12 AY 20/20 ER, Rn. 19f; Hessisches LSG, Beschl. v. 20.12.2022 – L 4 AY 28/22 B ER; SG Stuttgart, Beschl. v. 15.05.2024 – S 9 AY 1438/24 ER; Leupold in: Grube/Wahrendorf/Flint, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 3a Rn. 12, Frerichs in: jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 3a AsylbLG (Stand: 23.12.2024), Rn. 53).

Unabhängig davon, ob von einer notwendigen verfassungskonformen Auslegung ausgegangen wird in dem Sinne, dass ein gemeinsames Wirtschaften nachgewiesen sein muss, oder von einer direkten Ableitung aus der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung, nimmt die überwiegende Rechtsprechung und Literatur auch hier einen bestehenden Anspruch in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 an.

Das Hessische LSG führt z. B. hierzu aus (a. a. O., Rn. 39):

RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/01/15/sozialgericht-altenburg-beschluss-am-13-01-2025-az-s-21-ay-1326-24-er/

 

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

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