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Jahresarchiv

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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 08/2020

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung nach dem ( SGB II )

1. 1 BSG, Urteil v. 30.10.2019 - B 4 KG 1/19 R

Orientierungshilfe ( Redakteur )

Für nachgezahltes Wohngeld ist im Unterschied zu nachgezahltem Kinderzuschlag keine Ausnahme von der Berücksichtigung im Zuflussmonat zu machen.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210403&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





1. 2 BSG, Urt. v. 29.08.2019 - B 14 AS 49/18 R

Arbeitslosengeld II nach Ausbildungsabbruch


Orientierungshilfe ( Redakteur )

Hilfeempfänger bricht Ausbildung ab - Das Jobcenter darf deshalb nicht alle Zahlungen von Arbeitslosengeld II zurückfordern.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210404&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





1. 3 BSG, Urt. v. 20.02.2020 - B 14 AS 52/18 R

Keine fiktive Vermögensberücksichtigung bei Verrechnung von Vermögen mit Schulden (oder Dispo)


Orientierungshilfe ( Redakteur )

1. Abweichend von der Einkommensberücksichtigung (vgl § 11 Abs 2, 3 SGB II) gibt es bei der Berücksichtigung von Vermögen im SGB II keine normative Grundlage für ein Monatsprinzip, so dass auch Leistungen ab Monatsmitte bzw, bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit zu gewähren sein können.

Quelle: https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2020/2020_02_20_B_14_AS_52_18_R.html



Hinweis: Erst Schulden zahlen und dann Hartz IV beantragen

Vermögen steht einer Bewilligung von Hartz-IV-Leistungen nur dann im Wege, wenn es am Tag des Antrags höher als der jeweilige individuelle Freibetrag ist. Anders als bei der Anrechnung von Einkommen ist eine Leistungsbewilligung dabei auch mitten im Monat möglich, wie am Donnerstag das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied. Konkret durfte danach der Kläger Vermögen noch direkt vor seinem Antrag zur Tilgung von Schulden verwenden. (Az: B 14 AS 52/18 R).

https://de.nachrichten.yahoo.com/erst-schulden-zahlen-dann-hartz-iv-beantragen-162834995.html





1. 4 BSG, Urteile v. 20.02.2020 - B 14 AS 17/19 R, B 14 AS 4/19 R, B 14 AS 3/19 R

Orientierungshilfe RA Kay Füßlein, Berlin


„ Es besteht ein generelles Aufrechnungsverbot mit anwaltlichen Kostenerstattungsansprüchen gegenüber Forderungen von Leitungsempfängern“

Zum Hintergrund: Dazu Anmerkung von RA Kay Füßlein:

Im Falle eines gewonnen Widerspruchs -oder Gerichtsverfahren hat das JobCenter die Anwaltskosten zu übernehmen. Viele ALG II-Empfänger haben aber meist „Alt-schulden“ (Darlehen wegen Mietkautionen oder Überzahlungen) beim JobCenter. Einige JobCenter waren daher dazu übergegangen, die Aufrechnung mit solchen „Schulden"zu erklären, so dass der oder die Rechtsvertreterin vom JobCenter kein Geld erhielt, während die eigenen Mandanten mittellos sind und eine Beitreibung eher unwahrscheinlich oder generell aussichtslos ist .

Durch diese Urteile hat das BSG entschieden, dass - zumindest im Bereich des SGB II- jedoch ein generelles Aufrechnungsverbot besteht. Damit stärkt es die Rechte der ALG II-Empfänger und deren Anwälte, die in Zukunft trotz gewonnener Verfahren nicht mehr in "Röhre schauen“.

Quelle: https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2020/2020_02_20_B_14_AS_03_19_R.html

https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2020/2020_02_20_B_14_AS_04_19_R.html

https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2020/2020_02_20_B_14_AS_17_19_R.html



Hinweis: S. a. dazu: BSG zur Kostenerstattung nach erfolgreichem Widerspruch - Jobcenter dürfen nicht mehr gegen Rechtsanwälte aufrechnen

BSG zur Kostenerstattung nach erfolgreichem Widerspruch

Jobcenter dürfen nicht mehr gegen Rechtsanwälte aufrechnen

von Annelie Kaufmann

Widerspruchsverfahren gewonnen, aber auf den Kosten sitzen geblieben: Rechtsanwälten, die Hartz-IV-Empfänger vertreten, konnte das bisher leicht passieren. Das BSG beendet eine umstrittene Praxis der Jobcenter.

https://www.lto.de/recht/juristen/b/bsg-b14as1719r-jobcenter-kostenerstattungsanspruch-aufrechnen-rechtsanwaltsgebuehren-63sgbx/ und

Rechtsanwälte müssen vom Jobcenter ihr Geld bekommen. Das Bundessozialgericht beendet eine umstrittene Praxis – zum Schutz der „typischerweise unbemittelten“ Hartz IV-Bezieher

von Stefan Sell

https://aktuelle-sozialpolitik.de/2020/02/21/rechtsanwaelte-muessen-vom-jobcenter-ihr-geld-bekommen/



2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

2. 1 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.11.2019 - L 18 AS 947/17

Zusicherung - unter 25-Jähriger - verfassungskonforme Auslegung - Leistungsbezug


Orientierungshilfe ( Redakteur )

1. Dieser Zusicherungsvorbehalt kann dann keine Anwendung finden, wenn prognostisch der junge Erwachsene seinen Lebensunterhalt nach dem Auszug aus der elterlichen Wohnung unabhängig von Grundsicherungsträger bestreiten kann.

2. Die derart gebotene Auslegung des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II ergibt sich auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210188&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



2. 2 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.01.2020 - L 25 AS 1435/19

Grundsicherung für Arbeitsuchende; Sozialhilfe; EU-Ausländer; Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche; EFA; Ermessensreduktion; Verfestigung des tatsächlichen Aufenthalts


Leitsatz ( Juris )

Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII aF führt nicht zum Ausschluss auch von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. In diesem Zusammenhang ist in der Rechtsprechung des BSG geklärt, dass eine Ermessensreduktion in Betracht kommt, wenn und weil sich der Aufenthalt von EU-Ausländern nach Ablauf von sechs Monaten tatsächlichem Aufenthalt in Deutschland, der von der Ausländerbehörde faktisch geduldet wird, so verfestigt hat, dass die Erbringung existenzsichernder Leistungen nur im Einzelfall nach Ermessen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr genügt.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210205&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



2. 3 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.01.2020 - L 18 AS 1312/17

Arbeitslosengeld II; Zufluss von Einkommen; Nachzahlung; Pfändungsschutzkonto; Aufhebung- und Erstattung; Bösgläubigkeit ; Bedarfsgemeinschaft

Orientierungshilfe ( Redakteur )

1. Bei der Einkommensberechnung hat das JobCenter zutreffend auch die gepfändeten Teile der überwiesenen Nachzahlung berücksichtigt. Auch diese sind Einkommen iSv § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

2. Dem Kläger war es im Rahmen seiner Selbsthilfeobliegenheit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II auch ohne weiteres zuzumuten, auf die Rückgängigmachung der erfolgten (rechtswidrigen) Pfändung iHv 500,- € hinzuwirken.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210232&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



2. 4 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 09.01.2020 - L 10 AS 2103/19 NZB - rechtskräftig

Orientierungshilfe ( Redakteur )

1. Der Senat folgt nicht der Auffassung des LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 18. April 2017 – L 4 AS 160/17 B, juris RdNr 16f), wonach die begehrte Zusicherung im Falle eines Umzugs in die Zielwohnung mit der späteren Leistungsbewilligung so eng wirtschaftlich verknüpft ist, dass bereits die Zusicherung als auf eine Geldleistung "gerichtet" angesehen werden muss und wonach im Weiteren zur Bestimmung des Beschwerdewertes die Mieten der alten, noch bewohnte Wohnung und der Zielwohnung bezogen auf die Dauer eines Bewilligungsabschnitts (nach § 41 Abs 3 Satz 1 SGB II in der seit dem 01. August 2016 geltenden Fassung regelhaft ein Jahr) zu vergleichen sind.

2. Diese Bestimmung des zeitlichen Rahmens hat keine dem Gesetz unmittelbar zu entnehmende Grundlage; auch werden soweit ersichtlich keine Fallgruppen diskutiert, in denen ein ansonsten nicht berechnungsfähiger Beschwerdewert unter Rückgriff auf einen freihändig geschätzten Zeitraum fixiert wird.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210265&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

3. 1 SG Berlin, Gerichtsbescheid vom 11.02.2020 - S 34 AS 11717/18

Zur Anrechnung von Lebensmittelgutscheinen nach Aufhebung eines Minderungsbescheides


Orientierungshilfe Kanzlei RA Heemann

1.) Die Aushändigung von Lebensmittelgutscheinen als Sachleistung im Fall einer Sanktion stellt den Erlaß eigenständiger Verwaltungsakte dar, so daß bei Rücknahme der Sanktion eine Anrechnung des Wertes der Gutscheine auf den Auszahlungsanspruch nicht in Betracht kommt, solange diese Verwaltungsakte wirksam sind (BSG, Urteil vom 12.10.2017 - B 4 AS 34/16 R).

2.) Jedoch führt allein die Aufhebung der Gutscheine bzw. der ihrer Aushändigung zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide im Falle der Nachzahlung des Minderungsbetrages nicht dazu, daß in dieser Höhe der den Gutscheinen entsprechende Betrag vom Jobcenter einbehalten werden darf. Für eine unmittelbare „schlichte“ Gegenrechnung ist neben § 43 SGB II kein Raum.

3.) Der Auszahlungsanspruch ist insbesondere nicht durch Erfüllung nach § 362 BGB erloschen. Geschuldete Leistung war aufgrund der Rechtswidrigkeit der Minderung eben nicht die Verschaffung von Sachleistungen, sondern die Auszahlung des bewilligten Betrages. Erbringt der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung, so tritt keine Erfüllung ein.

4.) Auch ein Erlöschen des Anspruchs durch Annahme an Erfüllungs statt gemäß § 364 BGB kommt nicht in Betracht. Voraussetzung der Leistung an Erfüllungs statt ist das Vorliegen einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung der Beteiligten. (Hieran wird es regelmäßig fehlen. Denn weder der Leistungsberechtigte noch das Jobcenter gehen zum Zeitpunkt der Aushändigung der Gutscheine davon aus, daß diese zur Erfüllung der nach Aufhebung der Minderung bestehenden Verpflichtung des Jobcenters zur Auszahlung laufender Leistungen nach dem SGB II erfolgen soll.)



3. 2 SG Berlin, Urteil v. 31.01.2020 - S 37 AS 13932/16

Sanktion wegen Terminversäumnis, ein Beitrag von RA Volker Gerloff, Berlin

Bekanntlich darf eine Sanktion nur ergehen, wenn vorher eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung schriftlich erfolgte. Was eine solche Belehrung alles enthalten muss, ist bis heute in Teilen umstritten.

Nun habe ich eine aktuelle Entscheidung erhalten, die eine Auffassung stärkt, die viele Kolleg*innen und ich schon lange vertreten:

In der Rechtsfolgenbelehrung muss auch darauf hingewiesen werden, dass der Termin nicht als versäumt gilt, wenn man sich noch am selben Tag beim JobCenter persönlich meldet. War der Termin also am 03.02.2020 um 8:00 Uhr und sprach der Betroffene noch am 03.02.2020 um 16:00 Uhr beim JobCenter vor, um den Termin nachzuholen, dann liegt kein Versäumnis vor. Das regelt § 309 Abs. 3 S. 2 SGB III, der hier anwendbar ist. Wenn darauf nicht hingewiesen wird, dann ist die Belehrung ungenügend = eine Sanktion wäre rechtswidrig.

aktuelle Entscheidung: SG Berlin, Urteil vom 31.01.2020 - S 37 AS 13932/16
frühere Entscheidung: SG Leipzig, Beschluss vom 09.09.2016 - S 22 AS 2098/16 ER

Sanktionen wegen Meldeversäumnissen sollten stets auch mit diesem Argument angegriffen werden.

Quelle: https://www.facebook.com/RA.Volker.Gerloff/posts/1319565871587633?notif_id=1581944546667990&notif_t=feedback_reaction_generic

Orientierungshilfe ( Redakteur )

1. Es ist über die Regelung des § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III in der Rechtsfolgenbelehrung zu belehren.

2. Die dem SG Leipzig widerstreitende Instanz-Rechtsprechung kann nach dem Urteil des BVerfG vom 5.11.2019 nicht mehr überzeugen.

3. Der Hinweis in § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III bietet die Chance einer Bekundung zu rechtstreuem Verhalten, was nach den Maßstäben des BVerfG-Urteils die Festsetzung einer Sanktion ausschließt. Der Hinweis ist daher von zentraler Bedeutung für Altfälle, in denen noch nicht, wie nach den fachlichen Hinweisen ab 3.12.2019, auf die Verkürzung der Sanktionsdauer bei Erklärung zur Verhaltensumkehr zwingend aufmerksam zu machen ist.

Hinweis Redakteur: entgegen älterer Rechtsprechung SG Karlsruhe, Urteil vom 30. August 2017 - S 11 AS 222/17; SG München, Beschluss v. 12.07.2017 – S 40 AS 1532/17 ER



4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht ( SGB III )

4. 1 Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 22.01.2020 - L 3 AL 2225/19

Die Feststellung eines Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen einer Sperrzeit aufgrund einer im Ausland erfolgten Kündigung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.


Orientierungshilfe ( Redakteur )

1. Es nicht von vorneherein ausgeschlossen, die Regelung des § 159 SGB III auf eine von einer in Großbritannien wohnenden Person dort ausgesprochene Kündigung anzuwenden.

2. Die Anwendung des § 159 SGB III auf die in Großbritannien erfolgte Kündigung eines dort ausgeübten Beschäftigungsverhältnisses verstößt auch nicht gegen Art. 45 AEUV, wonach innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet ist. Die Verhängung einer Sperrzeit und das vorliegend hieraus folgende Erlöschen eines inländischen Arbeitslosengeldanspruchs hindert den Kläger nicht daran, erneut in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Beschäftigung auszuüben.

Leitsatz ( Juris )

1. Eine in einem Mitgliedstaat zurückgelegte Beschäftigungszeit kann bei der Ermittlung der für die Gewährung von Arbeitslosengeld zu erfüllenden Anwartschaftszeit nur dann berücksichtigt werden, wenn unabhängig von der zwischen der Beendigung der letzten Versicherungszeit in Deutschland und dem Antrag auf Leistungen verstrichenen Zeit in der Zwischenzeit keine weitere Versicherungszeit in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt worden ist (Anschluss an EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-372/02, SozR 4-6050 Art. 71 Nr. 4, juris Nr. 52).

2. Eine in einem Mitgliedstaat ohne wichtigen Grund erfolgte Eigenkündigung eines dort ausgeübten Beschäftigungsverhältnisses erfüllt den Tatbestand einer Sperrzeit nach deutschen Recht; das Territorialitätsprinzip steht dem nicht entgegen.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210477&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



5. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Sozialhilfe ( SGB XII )

5. 1 LSG Hessen, Beschl. v. 29.01.2020 - L 4 SO 154/19 B

Sozialhilfe (SGB XII), Datenschutzrecht (DS-GVO)


Leitsatz ( Juris )

1. Die Erhebung von Sozialdaten bei der betroffenen Person im Rahmen der Amtsermittlung im Verwaltungsverfahren zur Bewilligung von Sozialleistungen (§ 20 SGB X, § 67a Abs. 2 SGB X) mittels eines Überprüfungsbogens ist keinem Widerspruch nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO zugänglich, da diese Verarbeitung im konkreten Fall nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist.

2. Zur einschränkenden Auslegung von § 56a SGG wegen Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 47 GrCh (juris: EUGrdRCh).

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210373



6. Entscheidungen der Sozialgerichte zum Asylrecht

6. 1 Sozialgericht Hildesheim – Az.: S 42 AY 195/19 ER vom 10.02.2020

Normen: § 2 Absatz 1 AsylbLG, § 82 Absatz 3 Satz 3 SGB XII - Schlagworte: Leistungen nach dem AsylbLG, Bundesfreiwilligendienst, Absetzbeträge


Orientierungssatz ( Redakteur )

Vom Einkommen aus dem Bundesfreiwilligendienst ist ein Freibetrag von 200,-- Euro abzusetzen. Die Kammer folgt dem Urteil des Bayerischen LSG vom 27. September 2018 – L 8 SO 18/16 -, welches § 82 Absatz 3 Satz 3 SGB XII anwendet, wobei das Ermessen insoweit auf Null reduziert ist, dass der Freibetrag von 200,-- Euro abzusetzen ist. Der Gesetzgeber hat diese planwidrige Regelungslücke mit Änderung des § 82 Absatz 2 Satz 2 SGB XII ab dem 01. Januar 2020 geschlossen.

Quelle: RA Sven Adam: http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?id=102,1491,0,0,1,0



6. 2 Sozialgericht Hildesheim – Az.: S 42 AY 201/19 ER vom 04.02.2020

Normen: § 1a Absatz 2 AsylbLG, § 1 Absatz 1 Nr. 5 AsylbLG - Schlagworte: Leistungskürzung im AsylbLG, prägende Bedeutung der Einreise


Orientierungssatz ( Redakteur )

1. Beruht die Einreise auf einer Vielzahl an Motiven, ist die von Gesetzes wegen erforderliche Zweck-Mittel-Relation nur dann als erfüllt anzusehen, wenn der Zweck der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung war (vgl. Hohm, in GK/AsylbLG, Loseblattsammlung, § 1a, Rd. 67).

2. Eine Prüfung im vorliegenden Einzelfall ergibt, dass der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller § 1 Absatz 1 Nr. 5 AsylbLG seinen Heimatstaat Liberia vor allem aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat und nicht im sicheren Drittstaat Spanien verblieb, weil Ziel seiner Flucht Deutschland war. Jedoch zeigt die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses im Bundesgebiet, sobald dies mit Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG rechtlich möglich war, dass er nicht in erster Linie einreiste, um Sozialleistungen nach dem AsylbLG zu beziehen.

3. Es wird auf den Beschluss vom 13. Dezember 2019 – S 42 AY 207/19 ER – Bezug genommen, nachdem die Kammer privilegierte Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 für Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften ablehnt, weil allein dem Bundesverfassungsgericht eine Verwerfungskompetenz bezüglich von Bundesgesetzen zusteht.

Quelle: RA Sven Adam: http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?id=120,1488,0,0,1,0



7. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

7. 1 Leistungsausschluss für EU-Ausländer verfassungswidrig?

Sozialgericht: Vorlage an das Bundesverfassungsgericht

In Deutschland lebende EU-Ausländer, die nicht arbeiten und kein anderes Aufenthaltsrecht haben, erhalten kein Arbeitslosengeld II (sog. Hartz IV). Ende 2016 hat der Gesetzgeber auch für die Sozialhilfe einen entsprechenden Leistungsausschluss in das Gesetz aufgenommen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII) und Sozialhilfeleistungen in der Regel auf einen Monat begrenzt. EU-Ausländer, die gegen den Verlust ihres Aufenthaltsrechts vor dem Verwaltungsgericht klagen, sind damit während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens nahezu vollständig von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen. Ausländer aus Drittstaaten erhalten in dieser Situation regelmäßig Asylbewerberleistungen.

Alleinerziehende Mutter mit drei Kindern erhält keine Leistungen

Im konkreten Fall geht es um eine Mutter mit drei minderjährigen Kindern. Sie sind rumänische Staatsangehörige und leben seit 2010 in Deutschland. Die Kinder gehen hier zur Schule. Im Jahr 2018 stellte die Ausländerbehörde das Fehlen eines Freizügigkeitsrechts fest. Dagegen klagt die Familie vor dem Verwaltungsgericht. Arbeitslosengeld II wird ihr im Hinblick auf das ungeklärte Aufenthaltsrecht nicht mehr geleistet. Ein Antrag auf Sozialhilfe wurde ebenso abgelehnt. Hiergegen hat die Familie Ende Oktober 2019 einen Eilantrag vor dem Sozialgericht Darmstadt gestellt.

Gegenwärtig sichert die Familie ihren Bedarf notdürftig im Wesentlichen durch Sachspenden einer Kirchengemeinde. Es droht die Obdachlosigkeit, da eine Räumungsklage wegen rückständiger Mieten erhoben wurde.

Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzt?

Der fast vollständige Leistungsausschluss verletzt zur Überzeugung der 17. Kammer des Sozialgerichts Darmstadt das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG). Als Menschenrecht stehe dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht zu relativieren. Das Sozialgericht hat deshalb dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die maßgebliche Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Beschluss vom 14.01.2020 - Az. S 17 SO 191/19 ER

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/msgb/show.php?modul=msgb&id=8175&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive= und zum Volltext: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=210246&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



7.2 Jeder zweite Sozialhilfeempfänger benötigt Unterstützung nach Jobvermittlung

Arm trotz Arbeit – mehr als die Hälfte aller Hartz-IV Bezieher müssen weiter Leistungen in Anspruch nehmen, nachdem sie Arbeit gefunden haben.

weiter: https://www.tagesspiegel.de/politik/hartz-iv-studie-vorgestellt-jeder-zweite-sozialhilfeempfaenger-benoetigt-unterstuetzung-nach-jobvermittlung/25573114.html



Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

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