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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 16/2025
1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung nach dem SGB II- Bürgergeld
1.1 BSG, Urteil v. 17.12.2024 - B 7 AS 17/23 R – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Betriebsrente - Absetzbeträge - COVID-19-Pandemie - Mehrbedarf - Schutzmasken - Selbsttests
Mehrbedarf - Schutzmasken - Selbsttests waren als Härtefallmehrbedarf nach 21 Abs. 6 SGB II möglich (hier verneinend aufgrund zumutbaren internen Ausgleichs- kostenlose Masken plus Tests) - Betriebsrente ist anrechenbares Einkommen – keine Anwendung von § 82 Abs 4 SGB XII auf die Betriebsrente
Orientierungssatz Detlef Brock
1. Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 21 Abs 6 SGB II stehen der leistungsberechtigten Person - ohne gesonderte Antragstellung zu (zu laufenden Bedarfen nach § 21 Abs 6 SGB II BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - ).
2. § 21 Abs 6 SGB II ist zwar dem Grunde nach auch für im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie stehende Bedarfe anwendbar. Insbesondere können Mehrbedarfe durch Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II trotz der Einmalzahlung gemäß § 70 SGB II zu decken sein
3. Aufwendungen für Masken und Tests sind einer Einzelfallbetrachtung zugänglich. Dies wird zB an den Erwägungen in den Materialien zu § 70 SGB II deutlich. Zusätzliche finanzielle Belastungen während der COVID-19-Pandemie konnten sich danach aus unterschiedlichen Gründen ergeben. Genannt sind ua der Besuch von älteren Verwandten, die Versorgung mit nötigen Hygieneprodukten und Gesundheitsartikeln oder Ausgaben für die häusliche Freizeitgestaltung, insbesondere für Familien mit Kindern.
4. Die zugeflossene Betriebsrente ist zu berücksichtigendes Einkommen . Von ihrer Anrechnung ist darüber hinausgehend nicht deswegen (teilweise) abzusehen, weil nach dem SGB XII zum Teil günstigere Absetzungsregelungen bestehen.
5. Die Betriebsrente unter fällt nicht § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II (idF vom 13.5.2011), ist also keine Leistung, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wird und deren Berücksichtigung soweit erfolgt, wie sie und die Leistungen nach dem SGB II demselben Zweck dienen.
6. Die entsprechende Anwendung von § 82 Abs 4 SGB XII auf die Betriebsrente - kommt nicht in Betracht.
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem SGB II/ Bürgergeld
2.1 LSG BW, Beschluss v. 08.04.2025 - L 2 AS 948/25 ER-B – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Unionsbürger - anderes Aufenthaltsrecht - Arbeitnehmerfreizügigkeit - abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Eltern durch Wahrnehmung der elterlichen Sorge für ein die Schule besuchendes Kind
Bürgergeld: Gewährung vorläufiger Leistungen im Wege der einstweiligen Anordnung für kroatische Mutter mit ihrem minderjährigem, schulpflichtigem Kind
Orientierungssatz Detlef Brock
1. Mutter und Sohn erfüllen nach der Rechtsprechung des BSG, wie sie zuletzt durch Urteil vom 09.03.2022 (B 7/14 AS 30/21 R) im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestätigt wurde, die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011.
2. Danach setzt das Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 weder voraus, dass die Mutter im Zeitpunkt der Einschulung des Sohnes oder gar zum Zeitpunkt der Wohnsitznahme in Deutschland Arbeitnehmerin war.
3. Denn schon der Wortlaut des Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011, wonach auch Kinder ehemaliger Wanderarbeitnehmer Rechte aus der Verordnung ableiten können, spreche gegen dieses Verständnis. Dies habe auch der EuGH betont, wenn er ausführe, dass Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 dem Kind im Zusammenhang mit dessen Anspruch auf Zugang zum Unterricht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht einräume, das nicht davon abhängig sei, dass der Elternteil oder die Eltern, die die elterliche Sorge für sie wahrnehmen, weiterhin Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat sind.
4. Ebenso wenig habe der Umstand, dass der betreffende Elternteil nicht mehr Wanderarbeitnehmer sei, Auswirkungen auf dessen Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011, das demjenigen des Kindes entspreche, für das er die elterliche Sorge tatsächlich wahrnehme.
5. Somit ergibt sich das Aufenthaltsrecht der Mutter und des Sohnes - nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche, weshalb der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) SGB II voraussichtlich nicht eingreift.
2.2 LSG NRW, Urt. v. 29.01.2025 - L 12 AS 1431/23 – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Bürgergeld: Schreiben mit der Aufschrift Entwurf kann Widerspruchsbescheid des Jobcenters sein
Orientierungssatz Detlef Brock
- Bescheidung eines Widerspruchs durch elektronischen Verwaltungsakt mit der Aufschrift Entwurf ist ein zulässiger Widerspruchsbescheid des Jobcenters.
- Das Jobcenter hat den Widerspruch der Leistungsempfängerin beschieden, denn auch bei einem Schreiben des Jobcenters mit dem Aufdruck - Entwurf - handelt es sich um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X.
Ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Es gelten für die Auslegung die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB für Willenserklärungen. Die Auslegung geht aus vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der alle Begleitumstände und Zusammenhänge (Vorgeschichte, Anträge, Begleitschreiben, Situation des Adressaten, genannte Rechtsnormen, auch Interesse der Behörde) berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. - Der innere Wille der Behörde ist hingegen nicht maßgeblich.
- Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes kommt es mithin darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen mussten bzw. durften. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (BSG Urteil 25.10.2017 – B 14 AS 9/17 R – ).
- Die Frage, ob ein Verwaltungsakt ergangen ist, entscheidet sich im Wege der Auslegung daher danach, ob für den Adressaten erkennbar die Begriffsmerkmale des § 31 S. 1 SGB X vorliegen. Dabei ist die Bezeichnung durch die Behörde nicht allein entscheidend, sie ist vielmehr wie die übrigen äußeren Merkmale bei der Auslegung heranzuziehen (BVerwG Urteil vom 26.10.1978 – V C 52.77 –; LSG Sachsen Urteil vom 09.12.2020 – L 6 R 616/18 –).
- Zum einen ist das Schreiben als – Widerspruchsbescheid - bezeichnet. Zum anderen entspricht die Formatierung des Schreibens optisch weitgehend dem durch das JC regelhaft verwandten Aufbau von Widerspruchsbescheiden.
Dies betrifft sowohl das Schriftbild als auch den - Kopf - des Bescheides mit der Bezeichnung des Widerspruchsführers, seiner Anschrift, des Bevollmächtigten, der bearbeitenden Behörde und des Verfahrensgegenstandes. Weiterhin enthält das Schreiben einen Verfügungssatz, eine Kostenentscheidung sowie eine Begründung.
Es ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und endet mit der einfachen Signatur der Sachbearbeiterin (Namensnennung).
2.3 LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.04.2025 - L 3 AS 772/23 - nicht rechtskräftig
Bürgergeld: Bürgergeld- Familie muss zu Unrecht bezogenes ALG II nicht zurück zahlen bei Rechenfehler des Jobcenters
Bürgergeld- Empfänger müssen nicht besser rechnen können wie Behördenmitarbeiter des Jobcenters
Grundsicherungsträger nach dem SGB II/ Jobcenter dürfen wegen eines eigenen Rechenfehlers zu hoch ausbezahltes Bürgergeld in bestimmten Fällen nicht zurückfordern.
Das gilt zu mindestens dann, wenn der Fehler im Bescheid des Jobcenters sich der Ehefrau des Klägers nicht auf drängen musste und sie der Einkommensberechnung des Jobcenters vertraute.
Das Gericht betonte, dass für die hier maßgebliche Frage grober Fahrlässigkeit stets auf die persönliche Urteilsfähigkeit und Erkenntnismöglichkeit abzustellen ist.
Bei einem anderen Adressaten des Bescheides hätte die Entscheidung also auch anders ausfallen können.
Quelle: Pressemitteilung des LSG BB: https://sozialgerichtsbarkeit.brandenburg.de/sg/de/presseansicht/~16-04-2025-brutto-oder-netto-buergergeldempfaengerin-muss-nicht-besser-rechnen-koennen-als-das-jobce
Lesetipp
Keine Rückzahlung von Bürgergeld, wenn der Leistungsbezieher den Behördenfehler nicht erkennt.
Erhält ein Bürgergeld-Empfänger versehentlich vom Jobcenter zu hohe Arbeitslosengeld-II-Zahlungen, müssen diese nicht immer zurückgezahlt werden.
https://www.gegen-hartz.de/news/bei-behoerdenfehler-keine-buergergeld-rueckzahlung
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung nach dem SGB II/ Bürgergeld
keine
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht ( SGB III )
4.1 LSG BW, Urteil v. 31.03.2025 - L 3 AL 1441/24 -
Mitnahme des Leistungsanspruchs zur Arbeitsuche in anderem Mitgliedstaat - fehlende Verfügbarkeit des Arbeitslosen -
ALG 1: Kein Anspruch bei Auslandswohnsitz in Norwegen ohne Verfügbarkeit ( Tacheles e. V. )
Orientierungssatz Detlef Brock
1. Kann der EU-Bürger die Bescheinigung PD U2 nicht vorlegen beziehungsweise hat der EU-Bürger diese bei der Agentur für Arbeit nicht bzw.- verspätet - beantragt, scheidet der Mitnahmeanspruch aus.
Leitsätze www.sozialgerichtsbarkeit.de
Voraussetzung für die Mitnahme eines in Deutschland erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld während der Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat ist unter anderem ein noch bestehender Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den deutschen Rechtsvorschriften einschließlich der Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III.
Praxistipp
vergleiche dazu auch: Bayerisches LSG, Urteil vom 26.10.2021 – L 10 AL 101/20 -
5. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )
5.1 SG Karlsruhe, Urt. v. 24.02.2025 - S 5 SO 2799/23 – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Leitsätze
Die Sozialleistung, die der nachrangig verpflichtete Träger tatsächlich erbracht hat, muss zu der Sozialleistung, die der Berechtigte vom vorrangig verpflichteten Träger hätte beanspruchen können, kongruent sein – persönlich, zeitlich und sachlich. Andernfalls besteht kein Erstattungsanspruch des leistenden Trägers nach § 104 SGB X.
5.2 LSG BW, Urteil v. 19.03.2025 - L 2 SO 2555/24 -
Bestimmtheit von Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X - Sozialamt muss - keine pauschale Überprüfung aller Sozialhilfe - Bescheide für 2020-2023 vornehmen
Orientierungssatz Detlef Brock
- Keine Pflicht des Sozialamtes zur inhaltlichen Prüfung von Bescheiden für die Jahre 2020 bis 2023 bei Nicht- Konkretisierung des Antrags.
- Beantragt ein Leistungsberechtigter die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Verwaltungsakte auf seine Rechtmäßigkeit, muss der Sozialleistungsträger zumindest in die Lage versetzt werden, bestimmen zu können, warum der zur Überprüfung gestellte Verwaltungsakt rechtswidrig ist (Anschluss an Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R; Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 39/13 R - sowie Beschluss vom 14. März 2012 - B 4 AS 239/11 B -).
- In eine solche Lage wird der Sozialleistungsträger regelmäßig nicht versetzt, wenn ein Leistungsberechtigter die Überprüfung sämtlicher Bewilligungsbescheide von 2020-2023 als rechtswidrig - aufzuheben - und damit die vollständige Nachprüfung des Verwaltungshandelns in dem genannten Zeitraum begehrt.
Damit hatte er nicht mehr die Überprüfung einzelner Verfügungssätze oder jedenfalls einer ohne Weiteres bestimmbaren Zahl von Verfügungssätzen von Verwaltungsakten zur Überprüfung des Sozialamtes gestellt. - Insoweit fehlte es während des gesamten Verfahrens an einer Konkretisierung des an den Sozialamtes gerichteten Prüfauftrages - im Einzelfall -.
- Der weder bei der Antragstellung noch nachfolgend hinreichend konkretisierte Überprüfungsantrag löste daher keine Prüfpflicht des Sozialhilfeträgers aus und hätte von diesem ohne weitere Sachprüfung abgelehnt werden können.
5.3 LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2025 - L 2 SO 668/25 ER-B – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Gericht stärkt Rechte Behinderter: Persönliches Budget für Autismustherapie als Eingliederungshilfe
Orientierungssatz Detlef Brock
- Persönliches Budget in Höhe von 1341 € im Eilverfahren für Behinderten zwecks seiner Autismustherapie.
- Autismus - Therapie stellt im Schwerpunkt eine Leistung der Eingliederungshilfe zur Teilhabe an der Schulbildung dar - entgegen der Auffassung des Sozialhilfeträgers
Denn hierzu gehören auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern.
Der Kernbereich der schulischen pädagogischen Arbeit ist durch die außerhalb des Schulbetriebs stattfindende Autismus-Therapie jedenfalls nicht berührt (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R - ). - Die Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu.
- Die Regelung orientiert sich an § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII a.F., verzichtet jedoch auf die Übernahme des Kriteriums der Angemessenheit der Schulbildung.
Praxistipp
Autismus - Therapie als Eingliederungshilfe – Ein Beitrag von Roland Rosenow
weiter: https://sozialrecht-rosenow.de/meldung/autismus-therapie-ist-eingliederungshilfe.html
6. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG
6.1 Sozialgericht Gotha – Beschluss vom 03.04.2025 – Az.: S 5 AY 2182/24 ER
Normen: § 3 AsylbLG, § 3a AsylbLG, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – Schlagworte: Regelbedarfsstufe 1, Regelbedarfsstufe 2, Leistungen nach § 3 AsylbLG, Leistungen nach § 3a AsylbLG, Landkreis Ilm-Kreis, Sozialgericht Gotha
Verpflichtung per einstweiliger Anordnung dem Antragsteller - Grundleistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren
Orientierungssatz Detlef Brock
1. Auch die 5. Kammer des Sozialgerichts Gotha richtet sich an der für sie maßgeblichen Rechtsprechung des Thüringer Landessozialgerichts vom 7.03. 2025 (L 8 AY 111/25 B ER) aus, schließt sich den Gründen der Entscheidungen des SG Altenburg Az. S 21 AY 1326/24 ER und der 6. Kammer des SG Gotha (S 6 AY 2181/24 ER) an.
Quelle: RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/04/08/sozialgericht-gotha-beschluss-vom-03-04-2025-az-s-5-ay-2182-24-er
6.2 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Beschluss vom 25.03.2025 – Az.: L 8 AY 37/24
Normen: § 1a Abs. 3 AsylbLG, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO – Schlagworte: Prozesskostenhilfe, AsylbLG, Leistungskürzung, Landkreis Göttingen, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Orientierungssatz Detlef Brock
1. Bewilligung Prozesskostenhilfe (PKH) , denn die Frage der Vereinbarkeit der Rechtsfolgen einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG begegnet verfassungsrechtlichen Zweifeln (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 4.12.2019 – L 8 AY 36/19 B ER – juris Rn. 6 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8.11.2024 – L 20 AY 16/24 B ER – juris Rn. 56; Sächsisches LSG, Beschluss vom 16.12.2021 – L 8 AY 8/21 B ER – juris Rn. 17 sowie vom 22.2.2021 – L 8 AY 9/20 B ER – juris Rn. 59; Janda, info also 2020, 103 ff.; Oppermann in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 1a AsylbLG Rn. 241 ff.; Hohm in GK-AsylbLG, § 1a Rn. 582 ff.; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1a Rn. 6 ff.; keine verfassungsrechtlichen Zweifel dagegen Bayerisches LSG, Urteil vom 10.9.2024 – L 8 AY 11/24 -).
Quelle: RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/04/08/landessozialgericht-niedersachsen-bremen-beschluss-vom-25-03-2025-az-l-8-ay-37-24/
6.3 Sozialgericht Stuttgart – Beschluss vom 02.04.2025 – Az.: S 9 AY 286/25 ER
Normen: § 3 AsylbLG, § 3a AsylbLG, § 3 Abs. 4 AsylbLG, § 28a Abs. 5 SGB XII, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – Schlagworte: Regelbedarfsstufe 1, Regelbedarfsstufe 2, Leistungen nach § 3 AsylbLG, Leistungen nach § 3a AsylbLG, Minusrunde, Fortschreibung, Grundleistungen, Stadt Stuttgart, Sozialgericht Stuttgart
Gewährung von Grundleistungen gemäß §§ 3 und 3a AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1
Die Regelung des § 28a Absatz 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ist unmittelbar auf die Berechnung der Geldbeträge in § 3a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anwendbar.
Orientierungssatz Detlef Brock
1. Auch in Hinblick auf die Gewährung der Regelbedarfssätze nach dem Jahr 2024/Bestandsschutz besteht ein Anordnungsgrund.
2. Der Anspruch hierauf ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung, denn die Bestandsschutzregelung des § 28a Absatz 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), die nach dem Wortlaut des § a ist unmittelbar auf die Berechnung der Geldbeträge in § 3a AsylbLG anwendbar ist (ausführlich dazu SG Marburg, Beschluss vom 14.2.2025 – S 16 AY 11/24 ER –, juris Rn. 21 – 46 aA ohne nähere Begründung SG Heilbronn, Beschluss vom 17.2.2025 – S 15 AY 181/25, in juris Rn. 23 f).
Quelle: RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/04/08/sozialgericht-stuttgart-beschluss-vom-02-04-2025-az-s-9-ay-286-25-er/
6.4 SG Hamburg, Beschluss vom 17.04.2025 – S 7 AY 196/25 ER -
Kein Leistungsausschluss, denn auch ausreisepflichtige Asylbewerber haben Recht auf Sozialleistungen
Die Behörde muss prüfen, ob Rückkehr tatsächlich möglich ist, denn Leistungsausschluss drängt Geflüchtete in existenzielle Not
Praxistipp
ebenso SG Hamburg, Beschluss v. 17.04.2025 - S 5 AY 195/ER -
Erfolg in zwei Eilverfahren
Das Sozialgericht Hamburg stellt in zwei Eilverfahren (S 7 AY 196/25 ER und S 5 AY 195/ER) der GFF sowie in einem parallel gelagerten Verfahren klar: Solange die Überstellung in den zuständigen EU-Staat noch nicht erfolgt ist und eine freiwillige Ausreise nicht tatsächlich möglich ist, besteht weiterhin ein Anspruch auf Sozialleistungen.
Diese Entscheidungen zeigen:
Es handelt sich nicht um eine Einzelfallentscheidung, sondern die Verwaltungspraxis in Hamburg muss sich grundlegend ändern. Das ist eine wichtige rechtliche Klarstellung für die Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums, die wir gemeinsam mit Rechtsanwältin Malena Bayer erzielen konnten. Die Freie und Hansestadt Hamburg kann gegen die Beschlüsse noch Beschwerde einlegen.
Quelle: https://freiheitsrechte.org/themen/gleiche-rechte-und-soziale-teilhabe/existenzielle-not
So auch in dem Verfahren SG Hamburg, Beschluss v. 15.04.2025 - S 28 AY 188/25 ER -
Das Sozialgericht Hamburg (S 28 AY 188/25 ER) hat entschieden, dass Einschränkungen der Asylbewerberleistungen auf Überbrückungsleistungen („Bett, Brot und Seife“) nur zulässig sind, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im konkreten Einzelfall festgestellt hat, dass eine Ausreise in den nächsten zwei Wochen rechtlich und tatsächlich möglich ist.
Quelle: SG Hamburg- Pressemitteilung: https://justiz.hamburg.de/gerichte/sozialgericht-hamburg/pressemitteilung-946240
Wir wünschen allen Lesern und Menschen frohe und zufriedene Osterfeiertage!
Wichtiger Hinweis: Nicht veröffentlichte Urteile ( gekennzeichnet durch n. v. ), Anmerkungen bzw. Urteilsbesprechungen von Rechtsanwälten, welche wir von Gerichten, Rechtsanwälten oder Privatkunden erhalten, dürfen zitiert werden, aber nur mit Quellhinweis Verein Tacheles mit Linksetzung, alles andere stellt eine Urheberrechtsverletzung dar. Danke!
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Zitate von Tacheles e. V. sind bitte wie folgt mit dieser Quelle zu benennen, danke sehr.
Beispiel für Quellenangabe zum Rechtsprechungsticker: Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW 14/2025 - Autor: Detlef Brock
Beispiel für Quellenangabe zum Newsletter: Quelle: Thomé Newsletter 12/2025 vom 06.04.2025 - Autor Harald Thomé
Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock