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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 18/2014

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 20.02.2014 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)



1.1 BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 10/13 R



Grundsicherung für Arbeitsuchende - Vermögensberücksichtigung - Lebensversicherung - offensichtliche Unwirtschaftlichkeit



Leitsätze (Autor)



Eine einzelfallunabhängige revisionsgerichtliche Bestimmung einer feststehenden unteren Verlustquote, ab der die Verwertung von Lebensversicherungen i.S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt 1 SGB II immer offensichtlich unwirtschaftlich ist, kommt nicht in Betracht (anders noch BSG Urteil vom 23.5.2012 - B 14 AS 100/11 R ).



Zu den in einer Gesamtschau zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls können mit Blick auf die Verwertung von Lebensversicherungen neben der Verlustquote bei ihrer vorzeitigen Auflösung die konkreten Vertragsbedingungen der Versicherung (z.B. versicherte Risiken, Laufzeit, Leistungen vor und nach Ablauf, Prämien, Kündigungsfristen) und die konkrete Vertragssituation (z.B. bisherige Laufzeit und Ansparphase im Verhältnis zur Laufzeitvereinbarung, bereits in Anspruch genommene Leistungen vor Ablauf) ebenso gehören wie der Umstand, ob die Versicherung bereits beliehen ist.



Werden Leistungen nur für kurze Zeit begehrt, kann dies zu einer möglichen besonderen Härte der Verwertung führen ( hier offen gelassen ).



Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2014&nr=13374&pos=2&anz=4



 



2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)



 



2.1 Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 03.04.2014 - L 7 AS 536/11 NZB



Kleinreparaturkosten in Höhe von 73,45 Euro( für einen Spülkasten) sind nicht vom Leistungsträger des SGB II als Unterkunftskosten zu übernehmen.



Leitsätze (Autor)



Im Rahmen der Instandhaltung anfallende Kleinreparaturen gehören nicht zu den Kosten der Unterkunft, zumal das BSG in einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R) nochmals in Abgrenzung zu Kosten einer Einzugsrenovierung ausdrücklich festgehalten hat, dass Kosten für "Reparatur und Instandhaltung der Wohnung" in dem Regelsatz enthalten sind.



Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=169172&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



 



Anmerkung: Gleicher Auffassung - BSG, Urteil vom 19.03.2008 – B 11b AS 31/06 R -  Aufwendungen für auf den Mieter abgewälzte Kleinreparaturen sind in der Regelleistung enthalten.



 



2.2 Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14.04.2014 - L 7 AS 239/14 B ER

Slowakischer Staatsangehöriger hat Anspruch ALG II.


Leitsätze (Autor)
Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist auf den Antragsteller möglicherweise schon wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 unanwendbar.

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne des Art. 70 VO (EG) 883/2004 (BSG, Beschluss vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II eine Einzelfallprüfung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für wirtschaftlich aktive Unionsbürger weder in zeitlicher Hinsicht noch bezüglich der Verbindung zum innerstaatlichen Arbeitsmarkt noch eine Prüfung der Belastungen für das Sozialsystems vorsieht, obwohl der EuGH selbst bei wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgern einen Ausschluss von Sozialleistungen ohne Einzelfallprüfung und ohne Prüfung der Belastungen für das Sozialhilfesystem für nicht europarechtskonform erachtet (ebenso: Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.11.2013 – L 7 AS 753/13 B ER ).



Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=169171&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



Anmerkung: LSG NRW, Beschluss vom 06.05.2013 - L 6 AS 1080/13 B und Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 01.03.2013 - L 6 AS 29/13 B - Slowakische Staatsangehörige hat Anspruch auf Regelleistung nach dem SGB II im Rahmen der Folgenabwägung.



 



2.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.03.2014 - L 9 AS 310/13 - Die Revision wird zugelassen.



Spezifisch auf behinderte Menschen ausgerichtete berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen sind nicht vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II erfasst.



Leitsätze (Autor)



Für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II kommt es nur auf die Art der Maßnahme und nicht darauf an, welche Leistung (Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld) bezogen wird.



Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II erfasst nicht berufsfördernde Bildungsmaßnahmen, die speziell auf behinderte Menschen ausgerichtet sind und die nicht behinderten Menschen nicht offen stehen (zu speziell für behinderte Menschen konzipierte Ausbildungen ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 26.06.2013 - L 34 AS 2690/12 ; Urt. v. 11.12.2013 - L 18 AS 148/11 ; vgl. auch LSG Sachen-Anhalt, Beschl. v. 17.04.2013 - L 2 AS 951/12 B ER ; abweichend insoweit LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 22.01.2014 - L 13 AS 140/11 ).



Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=169201&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



 



Anmerkung: Vgl. dazu das unter dem Az.: B 4 AS 55/13 R anhängige Revisionsverfahren : Führt auch eine Ausbildung, während der Leistungen nach §§ 97 ff SGB 3 (jetzt §§ 112 ff SGB 3) bezogen werden, zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB 2?



 



2.4 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.04.2014 - L 6 AS 239/14 B ER - rechtskräftig

Bulgarische Staatsangehörige hat vorläufigen Anspruch auf ALG II im Wege der Folgenabwägung

Leitsatz  (Autor)
Von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist die Antragstellerin auch dann nicht, wenn man mit dem erkennenden Senat davon ausgeht, dass § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II jedenfalls deshalb nicht greift, weil die Bestimmung mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist (vgl. hierzu zusammenfassend Urteil vom 28.11. 2013 - L 6 AS 130/13; s. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - Rs. C-140/12 ).



Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=169228&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



Anmerkung: Anderer Auffassung LSG NSB, Beschluss vom 26.03.2014 - L 15 AS 16/14 B ER



 



2.5 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.04.2014 - L 19 AS 389/14 B ER und - L 19 AS 390/14 B - rechtskräftig

Vom Jobcenter verfügte vorläufige Zahlungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB III

Leitsätze  (Autor)
Der einstweilige Rechtsschutz gegen die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB III richtet sich nicht nach § 86b Abs. 1 SGG, der gegenüber § 86b Abs. 2 SGG vorrangig ist, sondern nach § 86b Abs. 2 SGG (vgl. zum einstweiligen Rechtsschutz bei vorläufigen Zahlungseinstellungen Beschluss des Senats vom 03.09.2012 - L 19 AS 1603/12 B ER; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 17.09.2012 - L 5 AS 378/10 B ER ).



Der Widerspruch gegen einen Entziehungsbescheid nach § 66 SGB I ist nicht von der Ausnahmereglung des § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II erfasst (vgl. LSG Hessen Beschlüsse vom 21.06.2013 - L 9 AS 103/13 B ER und 16.01.2012 - L 6 AS 570/11 B ER; LSG Sachsen Beschluss vom 15.01.2103 - L 3 AS 1010/12 B PKH; LSG Bayern Beschluss vom 12.04.2012 - L 7 AS 222/12 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 04.07.2012 - L 13 AS 124/12 B ER ).



Der Entziehungsbescheid eines Grundsicherungsträgers wird auch nicht von der Vorschrift des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG erfasst, weil dort nur der Sofortvollzug von Entziehungsbescheiden der Bundesagentur für Arbeit angeordnet wird. Das SGG unterscheidet auch sonst die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit einerseits und die Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende andererseits (vgl. LSG Bayern Beschluss vom 12.04.2012 - L 7 AS 222/12 B ER).



Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=169227&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



 



2.6 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.03.2014 - L 19 AS 2329/13

Der Vermieter begehrt die Übernahme von Betriebskostennachforderungen durch das Jobcenter.

Leitsätze (Autor)
Dem Vermieter steht kein Anspruch auf Übernahme der Betriebskostennachforderungen gegenüber dem Grundsicherungsträger zu.

§ 22 Abs. 4 SGB II a.F. begründet keinen eigenen Anspruch von Vermietern gegenüber dem Leistungsträgern auf Zahlung der Miete, einschließlich etwaiger Nebenkostennachforderungen, sondern nur eine Empfangsberechtigung des Vermieters, falls der Grundsicherungsträger die Direktzahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung an ihn verfügt (vgl. hierzu BSG Urteile vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R und 28.03.2013 - B 4 AS 12/12 R ).



Aus der ab dem 01.01.2011 geltenden Nachfolgevorschrift des § 22 Abs. 7 SGB II lässt sich ein Zahlungsanspruch des Vermieters ebenso wenig herleiten.



Quelle:  http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=169224&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



 



3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)



 



3.1 Sozialgericht Kassel, Beschluss vom 14.04.2014 - S 6 AS 7/14 ER

Leitsatz (Juris)
Die Gewährung von außerschulischer Lernförderung kommt im Einzelfall auch bei Grundschülern in Betracht.



Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=169144&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



 



Anmerkung: Vgl. dazu SG Itzehoe, Beschluss v. 03.04.2012, S 11 AS 50/12 ER - Auch Schüler und Schülerinnen, die eine Sonderschule besuchen, können im Einzelfall einen Anspruch auf eine außerschulische Lernförderung haben.





4. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( GB X II )



4.1 SG Bremen, Beschluss vom 15.04.2014 – S 33 SO 78/14 ER

Bulgarische Staatsangehörige haben Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe)

Leitsatz  (Autor)
§ 21 Abs. 1 S. 1 SGB XII, der lediglich der Systemabgrenzung dient greift bei Hilfebedürftigen, die gem. § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, nicht ein (umstritten, vgl. LSG Hamburg, v.14.1.2013 – L 4 AS 332/12 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2.10.2012, L 19 AS 1393/12 B ER, L 19 AS 1394/12; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.7.2012, L 9 AS 563/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.6.2012, L 14 AS 933/12 B ER ).

Nach der Rechtsprechung des 15. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen, die vorliegend zugrunde gelegt wird, greift ein Ausschluss für Leistungen einer „Notversorgung” (nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII oder nach § 73 SGB XII) nicht (Beschluss v. 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER ).



Quelle: Sozietät Beier & Beier, Rechtsanwälte, Gröpelinger Heerstraße 387, 28239 Bremen , hier kann der Beschluss nachgelesen werden: http://www.kanzleibeier.eu/?p=2679



 



Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock

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