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Jahresarchiv

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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 18/2021

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung nach dem ( SGB II )

1.1 Bundessozialgericht, Urteil vom 26. November 2020 (B 14 AS 23/20 R):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel

Die von einem Alg II-Empfänger geltend gemachte Übernahme der Kosten einer krankheitsbedingten Kryokonservierung von Samenzellen stellt keinen unter § 21 Abs. 6 SGB II subsumierbaren Bedarf dar.

Bei einer Kryokonservierung von Samenzellen handelt es sich um keine Leistung der Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB V.

Diese Maßnahme dient einzig der Ermöglichung einer späteren künstlichen Befruchtung und nicht der Wiederherstellung der natürlichen Zeugungsfähigkeit.

§ 27a Abs. 4 SGB V findet auf vor dem Inkrafttreten dieser Norm bereits anhängige Leistungsfälle keine Anwendung.

Die Kosten einer Kryokonservierung sind weder in die Ermittlung des maßgeblichen Regelbedarfs (§ 20 SGB II) eingeflossen noch dient diese Maßnahme der Sicherung der physischen Existenz eines Menschen.





2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

2.1 LSG Baden-Württemberg Urteil vom 4.11.2020 - L 2 AS 3911/18

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Kostenerstattung bei Aufenthalt im Frauenhaus - keine zeitliche Begrenzung auf eine bestimmte Dauer - Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung - Erforderlichkeit des Aufenthaltes


Leitsatz ( Juris )

Der Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II ist nicht von vorneherein auf eine bestimmte Dauer begrenzt. Dem Träger am Ort des Frauenhauses sind daher grundsätzlich die Kosten für die (gesamte) Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus zu erstatten.

Quelle: http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=LSG+Baden-W%FCrttemberg&Art=en&Datum=2020-11&Seite=1&nr=34228&pos=15&anz=18





2.2 LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 19.04.2021 - L 2 AS 1032/21 ER-B

Grundsätzlich kein Anspruch auf FFP2-Masken als Hartz IV-Mehrbedarf


Das LSG Stuttgart hat sich mit der Frage befasst, ob das Jobcenter verpflichtet ist, einem Hartz IV-Empfänger bis zu 129 Euro monatlich für den Kauf von FFP2-Masken zu zahlen.

Weiter auf Juris: https://www.juris.de/jportal/portal/t/dmb/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA210401636&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp







3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

3.1 SG Gelsenkirchen, Urt. v. 07.08.2020 - S 44 AS 3425/18

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Taschengeld ist als bedarfsminderndes Einkommen zu berücksichtigen


Monatliche Zahlungen von „Taschengeld“, die ein Empfänger von Leistungen nach dem SGB II erhält, sind als bedarfsminderndes Einkommen anzurechnen.

Weiter auf Juris: https://www.juris.de/jportal/portal/t/13dk/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA210401642&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp



Anmerkung von Willy Voigt:

Geldgeschenke an Kinder im Hartz-IV-Bezug

§ 11a Abs. 5 SGB II:

Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit

1. ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre

2. oder sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.

§ 1 Abs. 1 Nr. 12 Alg II-V stellt klar, dass es auch Kindern hilfebedürftiger Eltern – ebenso wie Kindern nicht hilfebedürftiger Eltern – möglich ist, anlässlich der genannten Feste (Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie Jugendweihe) Geschenke, insbesondere Geldgeschenke, in angemessenem Umfang in Empfang zu nehmen, ohne dass diese als Einkommen zu berücksichtigen wären, vgl. Söhngen in: jurisPK-SGB II 5. Aufl. § 11a SGB II Rn 88.

Geld-Geschenke sind nach Abs. 5 auch ohne Bindung an einen bestimmten Verwendungszweck (s. Zur früheren Rechtslage Sächs LSG 8.4.2010 - L 2 AS 248/09.) anrechnungsfrei, wenn sie ohne sittliche Verpflichtung gegeben werden und sich im üblichen Rahmen halten. Bei sonstigen, freiwilligen Zuwendungen dritter Personen stellt sich die Frage, ob sie mit einer Vor- oder Gegenleistung des HiIfe-Suchenden in Verbindung steht. Ist die Geld-Zuwendung so an einen bestimmten Zweck gebunden,dass sie nicht zum Lebensunterhalt eingesetzt werden kann, scheidet eine Anrechnung als Einkommen schon aus grundsätzlichen Erwägungen aus. (SG Speyer 15.8.2008 - S 14 AS 179/08: Zahlung von Schulgeld durch den getrennt lebenden Vater; LSG Bln-Bbg 27.6.2008 - L 14 B 648/08: Geld zum Kauf eines angemessenen PKW; LSG NRW 17.12.2009 - L 7 B 351/09 AS: Förderung einer Ausbildung; LSG Nds-Bremen 18.12.2012 - L 7 AS 1416/10: unmittelbar an die Kindertagesstätte gezahltes Verpflegungs-/Getränkegeld.) Taschengeld von einem nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Dritten (Großeltern,Tante) bleibt im angemessenem Rahmen unberücksichtigt, (BT-Drs. 17/3404, 95) wobei der Maßstab des§ 1 Abs. I Nr. 1 Alg II-V (10 EUR) nicht einschlägig ist, vgl. Geiger in LPK SGB II (Münder), § 11a Rn 21.

§ 1 Abs. 1 Nr. 12 Alg II-V:Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den in § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Betrag nicht überschreiten,

§ 12 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1a:ein Grundfreibetrag in Höhe von 3.100 Euro für jedes leistungsberechtigte minderjährige Kind.

BSG - B 14 AS 74/10 R [23-08.2011]: Keine Hartz-IV-Kürzung wegen Geburtstagsgeld von Großeltern.https://tinyurl.com/ydc8j6uw

SG Düsseldorf, Urt. v. 07.06.2017 - S 12 AS 3570/15: 50 EUR Taschengeld sind nicht auf Hartz IV anzurechnen. https://tinyurl.com/y9vv9jun

a.A.: SG Gelsenkirchen, Urt. v. 07.08.2020 - S 44 AS 3425/18 - nicht rechtskräftig: Grundsicherung für Arbeitsuchende: Taschengeld ist als bedarfsminderndes Einkommen zu berücksichtigen.Monatliche Zahlungen von „Taschengeld“, die ein Empfänger von Leistungen nach dem SGB II erhält, sind als bedarfsminderndes Einkommen anzurechnen. tinyurl.com/ptbmcrw





4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht ( SGB III )

4.1 LSG Hessen, Beschluss v. 14.04.2021 - L 7 AL 42/21 B ER

Arbeitslosenversicherung


Leitsatz ( Juris )

1. Die Verlängerung der Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs um drei Monate gilt nur für Personen, deren Anspruch sonst in der Zeit vom 1. Mai 2020 bis zum 31. Dezember 2020 ausgelaufen wäre.

2. Die einschlägige Rechtsgrundlage in § 421d Abs. 1 SGB III ist nicht analogiefähig.

3. Die Beschränkung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Sonderregelung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.

Quelle: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE210000705



Hinweis: Pressemitteilung LSG Hessen:

Verlängertes Arbeitslosengeld wegen Corona-Pandemie nur bei Anspruchsende noch in 2020

Das LSG Darmstadt hat entschieden, dass die befristete Sonderregelung zur Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um drei Monate verfassungsgemäß ist, allerdings gilt dies nur für Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 01.05.2020 bis zum 31.12.2020 ansonsten ausgelaufen wäre.

https://www.juris.de/jportal/portal/t/j ... hricht.jsp





5. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

5.1 LSG Baden-Württemberg Urteil vom 2.12.2020 - L 2 SO 219/19

Leitsatz ( Juris )

1. Kein Anspruch eines Pflegeheims als Sonderrechtsnachfolger eines verstorbenen Pflegebedürftigen auf Übernahme der Heimkosten, wenn dieser wegen des Wegfalls einer Testamentsvollstreckung nicht mehr hilfebedürftig war. Denn bei einer Erbschaft, bei der die Testamentsvollstreckung beendet ist, handelt es sich um verfügbare Mittel.

2. Zu den Voraussetzungen für den Wegfall einer Testamentsvollstreckung (Tod des Testamentsvollstrecker und Ablehnung des FamG, einen neuen Testamentsvollstrecker zu benennen, da hierfür kein Bedürfnis mehr bestehe).

Quelle: http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=LSG+Baden-W%FCrttemberg&Art=en&Datum=2020-12&nr=34348&pos=9&anz=11





5.2 LSG NRW, Beschlüsse Az. : L 9 SO 18/21 B ER, L 12 AS 377/21 B ER, L 7 AS 498/21 B ER, L 19 AS 391/21 B ER

SGB II/XII: Kein Mehrbedarf für FFP2-Masken


Bezieher von Grundsicherungsleistungen können im Eilverfahren einen Mehrbedarf für Coronaschutzverordnung konforme Masken nicht erfolgreich geltend machen.

Dies hat das LSG Essen jüngst in vier Beschlüssen entschieden (vom 03.03.2021 - L 9 SO 18/21 B ER -, 29.03.2021 - L 12 AS 377/21 B ER -, 13.04.2021 - L 7 AS 498/21 B ER - und 19.04.2021 - L 19 AS 391/21 B ER ).

Quelle: Pressemitteilung des LSG Essen v. 26.04.2021: https://www.juris.de/jportal/portal/t/13dk/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA210401645&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp





SG Aachen, Urt. v. 19.03.2021 - S 19 SO 59/20

Keine höheren Kosten der Unterkunft und Heizung für Mieter eines privat organisierten betreuten Wohnprojektes


Das SG Aachen hat entschieden, dass Mieter eines privat organisierten betreuten Wohnprojektes in Würselen, die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen, keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung haben.

Kurzfassung:

Das zum 01.01.2020 geänderte Gesetzesrecht sehe zwar die Übernahme um bis zu 25% höherer Kosten der Unterkunft und Heizung vor, wenn in den angemieteten Räumlichkeiten Leistungen der Eingliederungshilfe in Anspruch genommen werden. Weitere Voraussetzung hierfür sei aber, dass zusätzliche Kosten belegt und vertraglich ausgewiesen würden, die gerade durch die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe bedingt werden oder zumindest in engem Zusammenhang hiermit stehen. Derartige zusätzliche, d.h. über die üblichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung hinaus gehenden, Kosten der Klägerin seien indessen nicht ersichtlich und insbesondere im Mietvertrag, den die Klägerin mit dem Träger des Wohnprojektes abgeschlossen hatte, auch nicht ausgewiesen.

Gegen die Entscheidung ist die Berufung zum Landesozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Essen möglich.

Quelle: Pressemitteilung des SG Aachen v. 29.04.2021: https://www.juris.de/jportal/portal/t/m1k/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA210401695&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp





6. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

6.1 Sozialgericht Marburg, Beschluss vom 13.04.2021 – Az.: S 9 AY 1/21 ER

Normen: § 1a Abs. 7 AsylbLG, § 86b Absatz 1 Nr. 2 SGG – Schlagworte: AsylbLG, Zweifel an Verfassungsmäßigkeit des § 1a Abs. 7 AsylbLG


Orientierungshilfe ( Redakteur )

Die Norm des § 1 a Absatz 7 AsylbLG begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ( vgl. dazu LSG Hessen, Beschluss vom 31. März 2020 –L 4 AY 2/20 B ER - Anmerkung Redakteur: wohl möglich falsches Az., muss wohl richtiger weise heißen: L 4 AY 4/20 B ER ).

weiter bei RA Sven Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2021/04/16/sozialgericht-marburg-beschluss-vom-13-04-2021-az-s-9-ay-1-21-er/





7. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

7.1 LSG München, Urteil v. 03.03.2021 – L 13 R 4452/18

Titel:

Voraussetzungen für den Anspruch auf Übergangsgeld bei Bezug von Arbeitslosengeld II während einer stationären Maßnahme der medizinischen Rehabilitation

Leitsatz ( Juris )

1. Bezieht ein Versicherter vor Beginn einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation Arbeitslosengeld II, setzt der Anspruch auf Übergangsgeld voraus, dass jedenfalls innerhalb von zwei Jahren vor Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld II für mindestens 6 Monate entweder beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen wurde, oder entsprechende Sozialleistungen, die ihrerseits beitragsbelastet waren und sich aus dem zuvor bezogenen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen berechneten. (redaktioneller Leitsatz)

2. Eine vorläufige Leistungserbringung im Sinne des § 102 Abs. 1 SGB X setzt voraus, dass der angegangene Träger entweder in Kenntnis von der Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers leistet oder sich noch erkennbar im Ungewissen darüber befindet, welcher andere Leistungsträger zuständig ist bzw. sein könnte und dies nach außen erkennbar wird. Die nachträgliche Umdeutung einer erbrachten Sozialleistung in eine vorläufige Leistung scheidet aus. (redaktioneller Leitsatz)

3. Der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X setzt einen Leistungsanspruch des Versicherten auf die vorrangige Leistung voraus. (redaktioneller Leitsatz)



Quelle: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2021-N-7643?hl=true





7.2 Keine Neuanmietung einer zu teuren Wohnung wegen Corona-Pandemie, ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt

weiter: https://sozialberatung-kiel.de/2021/05/01/kein-neuanmietung-einer-zu-teuren-wohnung-wegen-corona-pandemie/





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Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

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