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Jahresarchiv

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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 32/2019

1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

1. 1 Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 29.05.2019 - L 6 AS 361/18 - rechtskräftig

Orientierungssatz ( Redakteur )

1. Der Freibetrag aus § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a SGB II kann nicht als "Familienfreibetrag" angesehen werden, welcher der Bedarfsgemeinschaft unabhängig vom tatsächlichen Vorhandensein von Vermögen auf Seiten des Kindes zu Gute kommt; vielmehr bezieht sich der Freibetrag ausschließlich auf tatsächlich dem Kind zuzurechnendes Vermögen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2009 – B 4 AS 58/08 R ).

2. Ebenso handelte es sich bei dem Freibetrag aus § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II, soweit dieser nach dem 18. Geburtstag der Tochter der Klägerin zum Schutz von deren Vermögen heranzuziehen gewesen wäre, nicht um einen Familienfreibetrag, der unabhängig vom Vorhandensein eigenen Vermögens des Kindes auf in der Familie vorhandenes Vermögen übertragbar wäre. Der in der Vorschrift vorgesehene Schutz für Vermögen eines Dritten beschränkt sich, wie aus dessen Wortlaut hinreichend eindeutig zu entnehmen ist, auf Partner.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=207625&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





1. 2 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 23.05.2019 - L 31 AS 727/19 B - rechtskräftig

Leitsatz ( Juris )

Die Weigerung des Sozialgerichts, einen Vergleich gerichtlich festzustellen, ist eine prozessleitende Verfügung, die nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann. In einem Streit, ob der Rechtsstreit durch einen zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Vergleich beendet ist, ist nicht der Rechtsbehelf der Beschwerde gegeben, sondern es muss ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens beim Sozialgericht gestellt werden.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=207498&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

2. 1 SG Stuttgart, Urt. v. 04.12.2018 - S 8 AS 3575/18

Fingieren einer Bedarfsgemeinschaft bei Festlegung des maßgeblichen Regelbedarfs unzulässig

Das SG Stuttgart hat entschieden, dass bei Ehepartnern, die nicht in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenleben, der Regelbedarf für Alleinstehende und nicht der Regelbedarf für Partner bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu berücksichtigen ist.

Ehegatten seien als dauernd getrennt lebend i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II bereits anzusehen, wenn sie nicht nur vorübergehend keinen gemeinsamen Haushalt führten. Ein Trennungswille sei hierfür nicht erforderlich, so das SG Stuttgart.

Im zugrundeliegenden Fall lebte die seit 2016 verheiratete Klägerin aus verschiedenen nachvollziehbaren Gründen noch nicht mit ihrem Ehepartner, welcher aufstockend Leistungen nach dem SGB XII bezog, zusammen. Das beklagte Jobcenter bewilligte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Regelbedarfes für Partner mit der Begründung, dass es für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft unter Ehegatten darauf ankomme, dass entweder eine häusliche Gemeinschaft bestehe oder falls keine häusliche Gemeinschaft bestehe, dies nicht auf dem Trennungswillen eines der Ehegatten beruhe. Mangels Vorliegens eines Trennungswillens sei von einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen.

Das SG Stuttgart hat der Klage auf Gewährung des Regelbedarfes für Alleinstehende stattgegeben.

Nach Auffassung des Sozialgerichts sind – entgegen der Entscheidung des BSG vom 18.02.2010 (B 4 AS 49/09 R) – bei der Auslegung des Begriffs des "nicht dauernd getrenntlebenden Ehegatten" i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a) SGB II die Grundsätze, die zum familienrechtlichen Begriff des "Getrenntlebens" (vgl. § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB) entwickelt worden sind, nicht heranzuziehen. Aus dem gesetzgeberischen Konzept zur Gestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung des Existenzminimums folge, dass das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft, sofern hieran – wie in § 20 IV SGB II – leistungsrechtliche Konsequenzen geknüpft werden, stets das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft voraussetze. Die Berücksichtigung von nicht haushaltsangehörigen Personen bei der Festlegung des maßgeblichen Regelbedarfs der Leistungsberechtigten, wäre verfassungswidrig (so auch SG Mainz, Urt. v. 26.03.2013 - S 17 AS 1159/12).

weiter: https://www.juris.de/jportal/portal/t/tiz/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA190801940&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp





3. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

3. 1 Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 26.02.2019 - L 2 SO 2529/18

Zu den Voraussetzungen für die Übernahme erforderlicher Bestattungskosten im Rahmen des § 74 SGB XII und der Frage der Zumutbarkeit, inwieweit die Kosten selbst zu tragen sind und gegebenenfalls Miterben in Anspruch zu nehmen sind.

Kurztext:

Zum Einen umfasst die Kostenübernahme nach § 74 SGB XII – wie oben bereits angesprochen – nur die Bestattungskosten selbst. Um die sozialhilferechtliche Belastung der Solidargemeinschaft zu begrenzen, hat der Gesetzgeber bewusst nicht die gesamten, sich aus einem Sterbefall ergebenden Kosten miteinbezogen, sondern die Beihilfe von vornherein auf die "erforderlichen Kosten einer Bestattung" beschränkt. Von der Sozialhilfe zu übernehmen sind nach der Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 24. Februar 2016 – B 8 SO 103/15 B und Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R ) deshalb nur die Kosten, die unmittelbar der Bestattung unter Einschluss der ersten Grabherrichtung dienen oder mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind. Andere Kosten, die anlässlich des Todesfalles entstehen, aber nicht zweckgerichtet auf die eigentliche Bestattung ausgerichtet sind (wie z.B. Todesanzeigen, Danksagungen, Leichenschmaus, Anreisekosten, Bekleidung), sind demgegenüber nicht erstattungsfähig.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=207626&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





3. 2 Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 17.04.2019 - L 2 SO 1477/18

Zu den Voraussetzungen nach dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) sowie für einen berechtigten Aufenthalt nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU bzw. einem Härtefall nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=207627&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=




3. 3 Sozialgericht Frankfurt, Urt. v. 17.06.2019 - S 20 SO 17/17

Orientierungssatz ( Redakteur )

Wohngeld ist anrechenbares Einkommen, denn aus dem Wortlaut von § 83 Abs. 1 SGB XII folgt, dass insoweit das Wohngeld als Einkommen zu berücksichtigen ist. Aus der Vorschrift kann nicht abgeleitet werden, dass es bedarfsmindernd, wie vom Kläger vertreten, Berücksichtigung finden muss. Eine Vorschrift, die eine bedarfsmindernde Anrechnung vorschreibt, besteht im SGB XII nicht.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=207604&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





4. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zum Asylrecht

4. 1 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Az.: L 8 AY 13/19 B vom 25.07.2019

Normen: § 3 AsylbLG, § 2 AsylbLG - Schlagworte: Eilverfahren, Prozesskostenhilfe, Beschwerdewert bei Eilverfahren

Orientierungssatz ( Redakteur )

Bewilligung von Prozesskostenhilfe, denn bezogen auf den Anordnungsanspruch kann offenbleiben, ob die Leistungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllt sind. Sollte dies nicht der Fall sein, stellt sich die Frage, ob die Grundleistungen fortzuschreiben sind (§ 3 Abs. 4 AsylbLG). Es handelt sich hierbei um eine schwierige und ungeklärte Rechtsfrage, die nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu beantworten ist. Im Übrigen tendiert der Senat dazu, dass die Bedarfssätze nach § 3 Abs. 1 Satz 8, Abs. 2 Satz 2 AsylbLG auch ohne Bekanntgabe durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 3 Abs. 4 Satz 3 AsylbLG) fortzuschreiben sind (Senatsurteil vom 23. Mai 2019 - L 8 AY 49/18 -).

Quelle: http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?id=108,1446,0,0,1,0





4. 2 Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 08.07.2019 - L 18 AY 21/19 B ER

Leitsatz ( Juris )

1. An der Verfassungsmäßigkeit des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG bestehen keine grundsätzlichen Bedenken.

2. Zum Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG

3. Zur Auslegung eines Bescheides, der auf Grundlage des AsylbLG ergeht.

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=207559&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



4. 3 SG Oldenburg, Beschluss vom 12.07.2019 - S 26 AY 18/19 ER

Streitigkeiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz [keine Streitsachengebühr]

Bis zu einer Neufestsetzung der Bedarfe durch den Gesetzgeber sind die Leistungen nach § 3 Abs 4 AsylbLG zum 1. Januar eines Jahres entsprechenden Veränderungsrate nach dem SGB XII anzupassen. Es ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz ein Anspruch auf erhöhte/angepasste Leistungen. Die Anpassung für das Jahr 2017 erfolgt entsprechend der Veränderungsrate aus der RBSFV 2016.

Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=JURE190009836&st=null&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint



Hinweis: vgl. (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. Mai 2019 – L 8 AY 49/18; SG Bremen, Beschluss vom 15. April 2019 – S 40 AY 23/19 ER ; SG Stade, Urteil vom 11. April 2019 – S 19 AY 5/19; a.A. Hohm, ZFSH SGB 2/2019, S. 68 ff.; SG Hamburg, Beschluss v. 08.07.2019 - S 28 AY 48/19 ER ).



5. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

5. 1 Hartz IV: Aus Erbschaft kann Vermögen werden, ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt

Bezieht ein Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalles Leistungen nach dem SGB II, fließen ihm die Mittel aus der Erbschaft aber erst nach einer Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit (hier durch Bezug von Arbeitslosengeld I und Wohngeld ) während eines erneuten Leistungsbezuges zu, so ist der aus der Erbschaft zufließende Betrag nicht als Einkommen, sondern als Vermögen anzusehen.

Weiter: https://sozialberatung-kiel.de/2019/08/01/hartz-iv-aus-erbschaft-kann-vermoegen-werden/





5. 2 Anmerkung zu: SG Braunschweig 10. Kammer, Beschluss vom 21.03.2019 - S 10 AS 75/19 ER
Autor: Dr. Jens Blüggel, Vors. RiLSG


Prüfung der Erwerbsfähigkeit i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB II durch das Jobcenter

Orientierungssätze

1. Für das Bestehen geänderter persönlicher Verhältnisse (hier: Wegfall der Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II) ist stets der Grundsicherungsträger beweispflichtig.

2. Der Erwerbsfähigkeitsbegriff des § 8 Abs. 1 SGB II orientiert sich an der Definition der vollen Erwerbsminderung der gesetzlichen Rentenversicherung. Erwerbsfähig ist daher, wer nicht voll erwerbsgemindert i.S.d. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist.

3. Unter „auf nicht absehbare Zeit“ i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II wird in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten verstanden.

Quelle: https://www.juris.de/jportal/portal/t/uj4/page/homerl.psml?nid=jpr-NLSR000008319&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp





5. 3 Auszug der aktuellen Rechtsprechung des Sozialgerichts Stuttgart (Stand: August 2019)

weiter: http://www.sg-stuttgart.de/pb/,Lde/Startseite/Presse/Aktuelle+Rechtsprechung+2019/?LISTPAGE=1211600





Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

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