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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 32/2022

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Sozialhilfe ( SGB XII )

 1.1 BSG, Urteil vom 16. Februar 2022 (B 8 SO 14/20 R):

 Leitsatz Dr. Manfred Hammel

Ein Anspruch auf eine Wohnungserstausstattung gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII kann von einer entsprechend § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 41 Abs. 3 SGB XII wegen einer dauerhaft vollen Erwerbsminderung leistungsberechtigten Person auch für einen erneuten Bedarfsanfall (Ersatzbeschaffung) geltend gemacht werden, z. B. bei einer erneuten, erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweichenden, speziellen Bedarfslage nach dem Verlust der gesamten Wohnungseinrichtung aufgrund „von außen“ einwirkender, außergewöhnlicher Umstände.

Dies liegt bei einer seelisch wesentlich behinderten Person, die einen erheblichen Krankheitsschub mit wahnhaften und halluzinatorischen Vorstellungen erlitten hat, der den Untergang bzw. die Unbrauchbarkeit wohnraumbezogener Gegenstände bewirkte, vor.

Es handelt sich hier nicht um den üblichen Verschleiß von Gebrauchsgegenständen über einen längeren Zeitraum hinweg. Diese Sozialhilfeempfängerin stand nach dem infolge ihres schweren Krankheitsschubs sich einstellenden, überwiegenden Untergang ihrer bis dahin noch funktionsfähigen Wohnungseinrichtung in gleicher Weise vor dem „Nichts“ wie dies z. B. nach einem Wohnungsbrand oder bei einer Haftentlassung der Fall gewesen wäre.

 

1.2 Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2022 (B 8 SO 3/20.R):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel


Aus § 47 SGB I („Auszahlung von Geldleistungen“) geht ein Wahlrecht z. B. eines Empfängers von Leistungen der Grundsicherung nach den §§ 41 ff. SGB XII hervor, ob das Sozialamt die von ihm im Einzelnen bewilligten Mittel seinem Konto anweisen oder ob die Übermittlung der Geldleistung auf eine andere Weise erfolgen soll.

Der Begriff des „Wohnsitzes“ im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB I ist nicht mit dem der Wohnung der leistungsberechtigten Person gleichzusetzen. Gemeint ist hier der Wohnort im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I in Verbindung mit § 7 BGB. Einem Sozialleistungsträger obliegt hier grundsätzlich nur die Übermittlung von Leistungen an die „kleinste politische Einheit“ und gerade nicht an die Wohnung der anspruchsberechtigten Person.

Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung entsprechend § 47 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB I in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII sind seitens eines Sozialleistungsträgers weniger Aspekte, die eine Entstehung unverhältnismäßiger Mehrkosten (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII) bei der öffentlichen Hand bewirken, zu berücksichtigen, sondern ein Sozialamt hat hier grundsätzlich als Alternative zur Überweisung auf ein Bankkonto verstärkt die Möglichkeit der Auszahlung per Kassenautomat in der Dienststelle vorzuhalten.

Bestehen im Einzelfall – wie z. B. bei einem wegen Gehbehinderung schwerbehinderten Bezieher von Leistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII (Grad der Behinderung: 60; Zuerkennung des Merkzeichens „G“) – Zweifel an der Fähigkeit zur zweckgerechten Einlösung eines vom Sozialhilfeträger ausgestellten Schecks oder einer Anweisung zur Verrechnung, dann müssten diese Aspekte in Berücksichtigung des § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I („Ausführung der Sozialleistungen“) als gegen diese Zahlungsform sprechende Gesichtspunkte amtlicherseits angemessen beachtet werden.

 

 

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

 

2.1 LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 26.06.2022 - L 1 AS 382/22 B ER

Zuschussweise Gewährung von ALG II statt Darlehen - Sicherung nach § 24 Abs. 5 SGB II - Verwertung eines selbst bewohnten Grundstücks

Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V.

1. Hilfebedürftige hat Anspruch auf ALG II, denn die Hilfebedürftigkeit ist nicht bereits durch ein vom JobCenter angebotenes Darlehen abgewendet, dessen Bedingungen sich die Antragstellerin jedoch ohne Not verweigeit und dies zu Recht, denn

2. Nach dem Gesetz kommt eine Darlehensgewährung gegen die Einräumung dinglicher Sicherheiten nur in Betracht, wenn die Hilfebedürftigkeit zwar nicht sofort, jedoch innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne autonom durch eigenes Handeln des Berechtigten (zumutbar) wieder beseitigt werden kann (BSG v. 6. Dezember 2007 – B 14/7b AS 46/06 R). Daran fehlt es aber.

3. Wenn der Einsatz dieses Vermögenswertes ( hier das selbst bewohnte Hausgrundstück ) zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit nicht verlangt werden darf, kann sein Vorhandensein die Gewährung eines Darlehens statt eines Zuschusses zur Abwendung einer akuten Notlage nicht rechtfertigen und ist erst recht ausgeschlossen, die Gewährung eines Darlehens von dem Einsatz dieses Grundstücks als Sicherheit abhängig zu machen.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171625

 

 

2.2 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 04.05.2022 - L 1 AS 846/18

In Fällen wie hier, in denen dem Leistungsberechtigten eine Verletzung der Obliegenheit nach § 22 Abs. 4 SGB II nicht vorgeworfen werden kann, gebietet die Verfassung selbst die Übernahme der tatsächlichen Kosten, soweit eine Aufforderung zur Kostensenkung nicht erfolgt ist ( Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V. ).

Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V.


1. Das Jobcenter muss in diesem Einzelfall die tatsächlichen Kosten der Unterkunft gewähren und nicht die nur die angemessenen KdU, denn auch wenn die Hilfesuchenden ohne Zusicherung des JobCenters umgezogen sind, hat sich das JobCenter hier zu viel Zeit mit seiner Entscheidung gelassen.

2. Eine vorherige Zusicherung ist nicht erforderlich, wenn eine fristgerecht mögliche Entscheidung vom Verwaltungsträger treuwidrig verzögert worden ist (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 14 AS 7/ 09 R; Bayerisches LSG, Urteil vom 24. September 2014 – L 8 SO 95/14 zum SGB XII ).

3. Erforderlich ist ein Umzug bereits dann, wenn notwendigerweise die bisherige Wohnung verlassen werden muss (BSG, Urt. v. 24. November 2011 – B 14 AS 107/10 R). Bei einem drohendem Verlust der Wohnung, etwa wegen eines rechtskräftigen Räumungsurteils wie im vorliegenden Fall, ist ein Umzug deshalb erforderlich.

 

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171627

 

 

2.3 LSG NRW, Beschluss v. 19.05.2022 - L 2 AS 662/22 B ER

Einstweiliger Rechtsschutz für eine Mietkaution, hier verneinend - Nichtanwendung des Kopfteilprinzips - Elternteil als Mietvertragspartei und Schuldner der Mietkaution

Auf die Gewährung von Leistungen für eine Mietkaution findet das sog Kopfteilprinzip keine Anwendung. Leistungsberechtigt ist grundsätzlich nur derjenige, der nach dem Mietvertrag Schuldner der Mietsicherheit ist ( Orientierungshilfe Redakteur von Tacheles e. V. )

Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V.


1. Der Anspruch steht den beiden minderjährigen Kindern schon deshalb nicht zu, weil sie nach dem Mietvertrag nicht zivilrechtlich zur Zahlung der Kaution verpflichtet sind. Das Kopfteil-Prinzip ist auf Leistungen für eine Mietkaution nicht anzuwenden, weil eine mit der Rückzahlungsverpflichtung nach § 42a Abs. 1 S. 3 SGB II einhergehende faktische Mithaftung der nicht am Mietvertrag Beteiligten, insbesondere auch der Kinder einer Bedarfsgemeinschaft, für unerfüllte Mietvertragsforderungen verhindert werden soll (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 10.06.2020, L 6 AS 718/20 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.10.2018, L 5 AS 295/18).

2. Vorliegend kann offen bleiben, ob der Auszug aus der bisherigen Wohnunterkunft notwendig oder aus sonstigen Gründen erforderlich war, da sich die Kosten der von der Antragstellerin zu 1) gewählten neuen Wohnung jedenfalls nicht als angemessen darstellen.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171648

 

 

2.4 LSG NRW, Beschluss v. 13.05.2022 - L 6 AS 150/22 B ER, L 6 AS 151/22 B

Berücksichtigung des Pflegegeldes beim Anordnungsgrund

Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V.


Das einem Angehörigen zugewandte bzw. zur Verfügung stehende Pflegegeld ist ebenso wie andere geschützte aber dennoch bereite Mittel im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes zu berücksichtigen.

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171651

 

 

2.5 Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 7. Juli 2022 - L 9 AS 7/22 B

Leitsätze Rechtsanwältin Claudia Zimmermann


1. Ein Widerspruch kann auch gegen einen Verwaltungsakt erhoben werden, der mangels Bekanntgabe nicht wirksam geworden ist, wenn sich die Behörde darauf beruft, einen Verwaltungsakt eines bestimmten Inhalts erlassen zu haben.

2. Beruft sich die Behörde nicht auf die fehlende Bekanntgabe und damit auch nicht auf die Wirksamkeit des Bescheides, so ist der Widerspruch gleichwohl erfolgreich i.S.d. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn die Behörde eine Rechtslage hergestellt hat, welche jedenfalls objektiv dem Interesse des Widerspruchsführers entspricht.

3 Hier: Widerspruch gegen einen nicht bekannt gegebenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, der allerdings bereits Außenwirkung erzielt hatte, weil die Einziehung der Forderungen betrieben wurde; auf den Widerspruch hat die Behörde auf sämtliche Forderungen aus dem Bescheid verzichtet bzw. diese nicht mehr geltend gemacht.

 

Quelle: http://www.razimmermann.de/sozialrecht/

 

 

 

3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

3.1 SG Berlin, Urt. v. 04.07.2022 - S 123 AS 8864/20

Grundsicherung für Arbeitsuchende; Einkommensermittlung; Selbstständige Tätigkeit; Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben; Corona-Soforthilfe; Maßgeblicher Zeitraum; Zuflussprinzip

Leitsatz


1. Die Corona-Soforthilfe stellt keine Betriebseinnahme dar, sondern ist lediglich von tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben im maßgeblichen Zeitraum in Abzug zu bringen.

2. Das im SGB II grundsätzlich geltende Zuflussprinzip findet auf die Corona-Soforthilfe keine Anwendung. Vielmehr gebietet ihre starke Zweckbindung eine strikte monatsweise Betrachtung, die allein zur Deckung der Betriebsausgaben in dem Zeitraum führt, für den die Hilfen im Einzelfall bestimmt sind.

 

Quelle: https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE220030506

 

Hinweis Redakteur:

Die Corona-Soforthilfe bezweckte die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz und die Überbrückung von Liquiditätsengpässen, nicht aber die Kosten des privaten Lebensunterhalts. Angesichts dieses eindeutigen Leistungszwecks scheidet eine Berücksichtigung als Betriebseinnahme aus (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.09.2021 – L 18 AS 884/21; Sächsisches LSG, Beschluss v. 26.01.2021 – L 8 AS 748/20 B ER; SG Hamburg, Beschluss v. 19.10.2020 – S 13 AS 2583/20 ER; SG Leipzig, Beschluss v. 27.05.2020 – S 24 AS 817/20 ER ).

 

 

3.2 SG Berlin, Beschluss v. 01.06.2022 - S 123 AS 2394/22 ER

Leitsätze


1. Zeiten der Verbüßung einer Freiheitsstrafe sind im Rahmen der Rückausnahme vom Leistungsausschluss für arbeitsuchende Ausländer gemäß § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II zu berücksichtigen. Der unbestimmte Rechtsbegriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" ist rein tatsächlich und unabhängig von einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung zu betrachten.

2. Eine fortwährende ordnungsgemäße Anmeldung während der gesamten Dauer der Fünfjahresfrist des § 7 Abs. 1 S. 4 SG II ist nicht erforderlich.

3. Kosten der Unterkunft und Heizung sind in Höhe des auf die Haushaltsenergie entfallenden Anteils auch im Rahmen einer Inklusivmiete zu kürzen, soweit eine begründete Herleitung des Kürzungsbetrages möglich ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Mietvertrag eine klare Aufschlüsselung der Kostenpositionen enthält.

Quelle: https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE220030545

 

 

3.3 Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 02.02.2022, S 43 AS 5/22 ER

Arbeit lohnt sich auch für Rentner mit Ehefrau im ALG II-Bezug – ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt

Lebt von zwei Ehepartnern der eine von ALG II und der andere von einer Rente und zusätzlichem Erwerbseinkommen, so ist von den Erwerbseinkommen ein Freibetrag entsprechend § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in Höhe von 30 % (höchstens jedoch 50 % der Regelbedarfsstufe 1 von derzeit 449 €) abzusetzen.

In dem vom Gericht entschiedenen Fall lebte der Ehemann von seiner Altersrente und zusätzlichem Erwerbseinkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung. Seine etwas jüngere Ehefrau war arbeitslos und bezog ALG II beim Jobcenter Kiel. Das Jobcenter gewährte auf das Erwerbseinkommen des Ehemannes lediglich einen Freibetrag von 30,00 € (die sog. Versicherungspauschale) und rechnete das sog. überschießende Einkommen des Ehemannes – also den Teil seiner Rente und seines Arbeitseinkommens, der über seinen eigenen existenzsicherungsrechtlichen Bedarf hinausgeht – auf den ALG II-Anspruch seiner Ehefrau an.

Rechtswidrig, entschied das Sozialgericht Kiel. Zwar scheide eine Bereinigung des Einkommens der Ehemannes nach den Grundsätzen des SGB II aus, weil dieser aufgrund des Überschreitens der Altersgrenze nach dem SGB II nicht (mehr) „leistungsberechtigt“ im Sinne von § 11b Abs. 2 und 3 SGB II sei. Auch eine Einkommensbereinigung nach den Regeln der Altersgrundsicherung (§ 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII) scheide in direkter Anwendung aus, weil der Ehemann selbst nicht hilfebedürftig sei und deswegen keinen Anspruch auf Altersgrundsicherung habe. Diese vom Gesetzgeber nicht gewollte sog. „planwidrige Regelungslücke“ sei indessen mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Grundgesetz nicht vereinbar und deswegen durch eine analoge Anwendung der Freibetragsregelung des § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zu schließen.

Durch den höheren Freibetrag des Ehemannes – hier waren es rund 100 € – waren bei der Ehefrau 100 € weniger auf ihren ALG II-Anspruch anzurechnen, sie erhielt also 100 € mehr ALG II.

Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 02.02.2022, S 43 AS 5/22 ER

Erstveröffentlichung in HEMPELS 7/2022

 

Quelle: https://sozialberatung-kiel.de/2022/08/01/arbeit-lohnt-sich-auch-fur-rentner-mit-ehefrau-im-alg-ii-bezug/

 

Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 2. Februar 2022 (S 43 AS 5/22 ER)

Leitsatz Dr. Manfred Hammel


Wenn bei einem in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehepaar (§ 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II) die Gattin Leistungen gemäß den §§ 19 ff. SGB II bezieht, der Gatte aber entsprechend § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II wegen des Bezugs einer Altersrente von einer Beanspruchung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist und monatliche Rentenleistungen in einer Höhe von EUR 588,81 zuzüglich eines im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung erzielten Einkommens bezieht, dann darf das Jobcenter dieses Einkommen zwar nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei der Bemessung von Leistungen entsprechend den §§ 19 ff. SGB II für die Gattin berücksichtigen, hat hier aber beim Gatten ebenfalls analog § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII den dort näher geregelten Freibetrag anzusetzen.

Jede andere Entscheidung, eine Benachteiligung der Angehörigen der Personengruppe „Bedarfsgemeinschaften, die sich aus einer erwerbsfähigen, aber nicht erwerbstätigen Leistungsberechtigten nach dem SGB II und einem nicht leistungsberechtigten Partner, der jedoch über die Horizontalberechnung in das Leistungssystem des SGB II hineingezogen wird, zusammensetzen“, ist mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG hervorgehenden allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar.

Diese Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zu schließen.

 

 

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

4.1 LSG NRW, Beschluss v. 28.06.2022 - L 9 SO 140/22 B ER

Vermögensprüfung in Pandemie nur für sechs Monate ausgesetz t - dies gilt auch für nur darlehensweise erbrachte Leistungen

Der Vermögensschutz für Sozialhilfebezieher gilt während der Pandemie nur für 6 Monate ( entgegen LSG NRW Beschluss vom 11.02.2022 – L 21 AS 66/22 B ER, Leitsatz Redakteur ).

Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V.


1. Ablehnung der einstweiligen Anordnung, denn die Vorschrift in § 141 Abs. 2 SGB XII ist nicht anwendbar, weil die Nichtberücksichtigung von Vermögen (nur) für die Dauer von sechs Monaten gilt.

2. Wenn dieser Zeitraum abgelaufen ist, kommt der erweiterte Vermögensschutz nicht mehr zum Tragen. Der Senat folgt damit nicht der Ansicht, dass die Aussetzung der Vermögensberücksichtigung jeweils für die ersten sechs Monate eines Bewilligungszeitraums sowohl für Erst- als auch für Weiterbewilligungsanträge und auch für mehrere Anträge hintereinander gilt (so LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.02.2022 – L 21 AS 66/22 B ER).

Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171663

 

 

 

5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

5.1 LSG Bayern, Beschluss vom 4. Mai 2022 (L 8 AY 35/22.B.ER)

Leitsatz Dr. Manfred Hammel

§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG ist nicht in Fällen, in denen eine Duldung wegen ungeklärter Identität entsprechend § 60b AufenthG ausgesprochen wurde, anwendbar.

Zwar stellt die Duldung nach § 60b AsylbLG lediglich einen Unterfall der in § 60a AsylbLG geregelten „allgemeinen Duldung“ dar. Die nach einer bestandskräftigen Ablehnung eines Asylantrags gemäß § 60b AsylbLG ausgesprochene Duldung bezweckt aber, die Legalisierungswirkung der Duldung nach § 60a AufenthG zu verhindern.

Hier kann lediglich eine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG bejaht werden.

Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG liegt vor, wenn antragstellerseitig in der Vergangenheit nur unzureichend an der Beschaffung notwendiger Heimreisedokumente mitgewirkt wurde, und behördlicherseits ein deutlicher Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung der Kürzung bewilligter Sozialleistungen bei mangelhafter Mitwirkung erging.

Hier liegt ein Verstoß gegen die aus § 48 Abs. 3 AufenthG folgende Pflicht zur Mitwirkung an der Beschaffung notwendiger Identitätspapiere vor.

§ 1a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG („Anspruchseinschränkung“) steht einem Anspruch auf Grundleistungen gemäß den §§ 3 und 3a AsylbLG nicht entgegen. Eine allein erziehende Antragstellerin kann hier einen Anspruch auf Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG) geltend machen, auch wenn sie in einer „vergleichbaren sonstigen Unterkunft“ im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 2b) AsylbLG untergebracht ist, dort aber einzig mit ihrem Sohn, nicht aber mit einem Partner oder einer sonstigen Person, mit der ein wechselseitiges „Füreinandereinstehen“ praktiziert wird, zusammenlebt.

 

 

 

6. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbüchern

6.1 EuGH und BVerfG: Ausschlüsse vom Kindergeld für bestimmte nicht-deutsche Staatsangehörige sind unzulässig - ein Beitrag von Claudius Voigt

weiter: https://ggua.de/fileadmin/downloads/tabellen_und_uebersichten/Kindergeld_Urteile.pdf

 

 

6.2 Newsletter- 12 - 2022 von RA Volker Gerloff

hier: https://www.ra-gerloff.de/newsletter/Newsletter-12-2022.pdf

 

 

6.3 Bundesverfassungsgericht: Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger mit humanitären Aufenthaltstiteln vom Kindergeld verfassungswidrig

Pressemitteilung Nr. 67/2022 vom 3. August 2022

hier: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-067.html

 

 

6.4 Die Bürgerbeauftragte informiert: Rechte der Bürger*innen bei steigenden Heizkosten, ein Beitrag von RA Helge Hildebrandt

weiter: https://sozialberatung-kiel.de/2022/08/04/die-burgerbeauftragte-informiert-rechte-der-burgerinnen-bei-steigenden-heizkosten/

 

Hinweis: s. a. Dazu: Thomé Newsletter 29/2022 vom 31.07.2022

https://www.tacheles-sozialhilfe.de/newsticker/thome-newsletter-29-2022-vom-31-07-2022.html

und

Zum Übernahmeanspruch auf Heizkosten- und Betriebskostenjahresabrechnungen für SGB II/SGB XII/AsylbLG Beziehende und Nicht-Leistungsbeziehende, von Harald Thomé / Tacheles - Online Redaktion

https://tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/archiv/zum-uebernahmeanspruch-auf.html

 

 

 

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock




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