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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 34/2021

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung nach dem ( SGB II )

1.1 BSG, Urteil vom 19. Mai 2021 (B 14 AS 57/19 R):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel


Aus § 22 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II folgt neben einer Obliegenheit zur Senkung unangemessen hoher Kosten für Unterkunft und Heizung durch Antragstellerinnen und Antragsteller ebenfalls die Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens durch das Jobcenter, wodurch erwerbsfähige Leistungsberechtigte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) in die Lage versetzt werden, dieser Verpflichtung weisungsgemäß nachzukommen.

Dies gilt sowohl nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als auch nach dem Sinn und Zweck dieser Norm ebenfalls hinsichtlich der Heizkosten.

Der SGB II-Träger hat hier stets deutlich anzugeben, welche Heizkosten er als angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II einschätzt: Eine Bedarfsposition, die die grundlegende Wohn- und Lebenssituation eines Menschen betrifft.

Der Anwendungsfall des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II darf nicht auf die Fälle reduziert werden, in denen unangemessen hohe Heizkosten auf eine unangemessen große Wohnfläche zurückzuführen sind. Hier ist stets die Ursache der Unangemessenheit dieser Aufwendungen von maßgebender Bedeutung.

Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass eine unangemessen große Wohnung bewohnt wird, aber durch ein dort praktiziertes, sparsames Heizverhalten oder aufgrund einer überdurchschnittlichen Energiedifferenz dieser Liegenschaft eine Unterkunft sich dennoch zu als angemessen einzuschätzenden Kosten beheizen lässt.

 

 

2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

2.1 Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urt. v. 23.10.2020 - L 3 AS 133/18 - anhängig beim BSG - B 4 AS 24/21 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - mehrere Vorschuss- bzw Abschlagszahlungen aus einem Beschäftigungsverhältnis und -monat - keine mehrfache Absetzung der Erwerbstätigenfreibeträge

Zur (mehrfachen) Absetzung des Grund- und Erwerbstätigenfreibetrages nach § 11b SGB II, wenn Arbeitseinkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis und -monat durch Vorschuss- beziehungsweise Abschlagszahlungen und Restzahlungen über mehrere Monate verteilt zufließt, hier verneinend, entgegen LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.01.2017 - L 2 AS 3148/16

Leitsatz Redakteur von Tacheles e. V. Detlef Brock


Es ist nicht zu folgen der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 18. Januar 2017 (- L 2 AS 3148/16 -), wonach eine im Monat vor der Fälligkeit in Form eines Nettobetrages zugeflossene Vorschusszahlung auf einen Bruttobetrag hochzurechnen sei und - wenn kein weiteres Einkommen aus dem Beschäftigungsverhältnis in dem Auszahlungsmonat zufließt - um den Grundfreibetrag, jedenfalls aber um den Erwerbstätigenfreibetrag - berechnet auf den Bruttobetrag der Vorschusszahlung - zu bereinigen wäre und die Restzahlung im Fälligkeitsmonat abzüglich der Vorschusszahlung (erzieltes Bruttogehalt abzüglich Bruttovorschuss) um den Grundfreibetrag sowie den Erwerbstätigenfreibetrag zu bereinigen sei.

 

Quelle: https://openjur.de/u/2347587.html

 

 

2.2 LSG Bayern, Beschluss v. 14.07.2021 – L 16 AS 308/21 B ER

Titel:

Zur Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes.

Leitsätze:
1. Einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die nach § 331 SGB III vorläufig eingestellten Leistungen nachträglich zur Auszahlung gebracht wurden.
2. Leistungen nach dem SGB II erhält nicht, wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland hat. Die Darlegungs- und Beweislast für den Umstand des Innehabens eines gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland trägt der Anspruchsteller.
3. Der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I ist im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu prüfen. Die Prognose hat alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände zu berücksichtigen, bei denen es sich um subjektive, objektive, tatsächliche und rechtliche Umstände handeln kann.

 

Quelle: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2021-N-21663?hl=true

 

 

2.3 LSG Bayern, Beschluss v. 21.04.2021 – L 16 AS 129/21 B ER

Titel:

Zur Angemessenheitsfiktion von tatsächlich unangemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen eines Eilverfahrens, wenn im vorangehenden Bewilligungsabschnitt eine bindende Absenkung der Unterkunftskosten auf die Angemessenheitsgrenze im Rahmen einer vorläufigen Bewilligung erfolgt ist.

Leitsätze:
1. Die Vorschrift des § 67 Abs. 3 SGB II findet auch Anwendung, wenn die Hilfebedürftigkeit unabhängig von der Corona-Pandemie eingetreten ist. Sie gilt nicht nur für Erstbewilligungen, sondern umfasst auch die in dem in § 67 Abs. 1 SGB II genannten Zeitraum beginnenden Weiterbewilligungszeiträume.
2. Ein Kostensenkungsverfahren scheidet im Geltungszeitraum des § 67 SGB II nicht generell aus. Nach Ablauf der sechs Monate gilt die allgemeine Regelung des § 22 Abs. 1 SGB II wieder, wobei der Zeitraum nach § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II auf die in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II genannte Frist anzurechnen ist.
3. Die Anwendung des § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II ist nicht durch § 67 Abs. 3 S. 3 SGB II ausgeschlossen, wenn der Hilfebedürftige nach einer bindenden Absenkung der Kosten der Unterkunft auf die Angemessenheitsgrenze für nur einen Monat im vorangegangenen Bewilligungsabschnitt noch eine endgültige Festsetzung nach § 41a SGB II beantragen kann und die Tatbestandsvoraussetzungen eines Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X offenkundig erfüllt sind.

 

Quelle: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2021-N-21537?hl=true

 

 

2.4 LSG Bayern, Beschluss v. 28.07.2021 – L 16 AS 311/21 B ER

Titel:

Zur Angemessenheitsfiktion von Kosten der Unterkunft und Heizung nach einem Umzug im Rahmen eines Eilverfahrens.

Leitsätze:
1. Die Angemessenheitsfiktion des § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II ist auch dann anwendbar, wenn weder die Hilfebedürftigkeit noch der Umzug direkt auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind.

2. Tatsächliche Einnahmen aus einem Untermietverhältnis mindern unmittelbar den Bedarf der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung des Hauptmieters (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II).

3. Nach einem Umzug findet eine Deckelung auf einen früher anerkannten Bedarf an Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II nicht statt, wenn der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II eröffnet ist.

4. Die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit ist in aller Regel gegeben, wenn der Leistungsträger zu Unrecht Leistungen für laufende Kosten der Unterkunft und Heizung versagt und es hierdurch bei dem Hilfebedürftigen zu einer Bedarfsunterdeckung kommt.

 

Quelle: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2021-N-21546?hl=true

 

 

2.5 LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 23.07.2021 - L 3 AS 785/21 B ER

örtliche Zuständigkeit - Weitergewährung - Versagung - Fortsetzung der Leistung

Orientierungshilfe Redakteur von Tacheles e. V.


1. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X hat bei einem örtlichen Zuständigkeitswechsel die bisher zuständige Behörde die Leistungen noch solange zu erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Die Norm gewährt damit dem Leistungsempfänger einen Anspruch gegen den unzuständig gewordenen Leistungsträger.

2. Die Versagung ist, soweit es die hier allein in Rede stehenden Regelleistungen und den Alleinerziehendenmehrbedarf betroffen sind, daher allein durch den Zuständigkeitswechsel und nicht etwa durch etwaige andere (u. U. mit dem Umzug einhergehende) die Leistungsvoraussetzungen betreffende Änderung von Umständen bedingt. Nach vorläufiger Rechtsauffassung des Senats sollen aber durch die in § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X enthaltene Übergangsregelung Leistungsunterbrechungen in solchen umzugsbedingten Konstellationen gerade verhindert werden.

 

Quelle: https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE210012843

 

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3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

3.1 SG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.4.2021 - S 19 AS 302/21 ER

Leitsätze (der Redaktion info also 04.2021):


Die Ablehnung einer geeigneten und notwendigen Lernförderung durch Nachhilfeunterricht aufgrund „laufenden Fehlverhaltens“ eines Schülers ist nur möglich, wenn es im konkreten Fall an einem ernsthaften Bemühen des Schülers fehlt, ein ausreichendes Leistungsniveau zu erreichen.

Bei der Beurteilung des ernsthaften Bemühens ist der alterstypische Entwicklungsstand des Kindes zu berücksichtigen.

 

 

3.2 SG Landshut, Endurteil v. 30.04.2021 – S 16 AS 387/19

Titel:

Einkommensberücksichtigung, Grobe Fahrlässigkeit, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Irrtümliche Kindergeldnachzahlung trotz Erstattungsanspruchs des Grundsicherungsträgers, kein wertmäßiger Zuwachs wegen Rückzahlungsverpflichtung, Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes, Verletzung der Sorgfaltspflicht, Vertrauensschutz

Leitsätze:

1. Als Einkommen i. S. d. § 11 Abs. 1 SGB II sind nur solche Einnahmen anzusehen, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt. Entsteht eine Verpflichtung zur Rückzahlung einer Einnahme erst nach dem Monat des Zuflusses, bleibt es für den Zuflussmonat bei der Berücksichtigung als Einkommen (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 165/10 R).

2. Zahlt die Familienkasse irrtümlich steuerrechtliches Kindergeld an den SGB II-Leistungsbezieher nach, obwohl der Anspruch wegen eines bestehenden Erstattungsanspruchs des Grundsicherungsträgers bereits als erfüllt gilt, handelt es sich hierbei nicht um Einkommen, da die Einnahme unmittelbar mit einer wirksamen Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Dies gilt auch, wenn der Rückforderungsanspruch von der Familienkasse erst nach dem Monat des Zuflusses mit Bescheid geltend gemacht wird.

3. Für die Bösgläubigkeit i. S. d. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ist es ausreichend, wenn der Leistungsempfänger im Rahmen einer sog. Parallelwertung in der Laiensphäre wusste oder wissen musste, dass ihm die zuerkannte Leistung so nicht zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2020 - B 4 AS 10/20 R).

4. Die Rechtswidrigkeit eines Bewilligungsbescheids, in dem der Grundsicherungsträger entgegen der gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II Kindergeld nicht als Einkommen des Kindes, sondern des Kindergeldberechtigten berücksichtigt hat, muss ein Leistungsbezieher jedenfalls ohne einen vorherigen, eindeutigen Hinweis zur Rechtslage nicht erkennen.

 

Quelle: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2021-N-21036?hl=true

 

 

3.3 Sozialgericht Berlin, Urteil vom 27.07.2021 – S 204 AS 6271/18


Keine Anwendung der AV Wohnen; was nun? Ein Beitrag von RA Kay Füßlein


Nach den Urteilen des Bundessozialgerichtes aus September 2020 ist in Berlin die AV Wohnen zur Bestimmung der angemessenen Mieten bei ALG II-Empfänger nicht anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass höhere Mieten übernommen werden bzw. übernommen werden müss(t)en.

Hintergrund ist, dass die JobCenter nicht ermittelt haben, ob für die angegebenen Mietpreise tatsächlich Wohnungen hinreichend anmietbar sind.

Zwar behauptet die Senatsverwaltung für Soziales, dass einem Kostensenkungsverfahren drei freie Wohnungen gegenüberstehen. Dies ist jedoch dahingehend problematisch, als das die Rechtsprechung die Beweislast für die Nicht-Verfürbarkeit von Wohnungen bislang praktisch allein auf den Kläger abwälzte- wenn man 20 erfolglose Wohnungssuchen vorlegte, konnte es passieren, dass ein Gericht der Meinung war, das dies zu wenig seinen.

Zu der Auffassung der JobCenter, Wohnraum sei ausreichend aufgrund der eigenen Ermittlungen der JobCenter verfügbar, hat jedoch nun jüngst das Sozialgericht Berlin ( Urt. v. 06.07.2021 – S 179 AS 1083/19) folgendes nachvollziehbar und ziemlich einleuchtend festgestellt:

Insbesondere sind die vom Beklagten vorgetragenen Berechnung des Landes Berlin ungeeignet, die Verfügbarkeit von Wohnraum zu belegen.

Zum einen stützt sich die Berechnung auf die im sog. Marktmonitor des Verbandes der Berlin-Brandenburger Wohnungsunternahmen e.V. (im Folgenden BBU) angegebene Leerstandsquote von 1,7 Prozent (vgl. BBU-Marktmonitor 2019, S. 56, https://bbu.de/publikationen?type=36; Abruf Juni 2021). Dabei lässt die Berechnung jedoch unberücksichtigt, dass von diesem Wert bereits nach den Angaben des BBU nicht auf eine Verfügbarkeit von Wohnraum geschlossen werden kann. Denn der BBU führt im Marktmonitor aus (BBU-Marktmonitor 2019, Seite 61, a.a.O.)

„Die Aufschlüsselung nach Leerstandsgründen zeigt, dass das Gros der Wohnungen nur kurzfristig leer steht. Der Anteil der Wohnungen, die wegen laufender Modernisierungsmaßnahmen, Mieterwechsel oder sonstiger Gründe leer stehen, macht gut 84 Prozent der leer stehenden Wohnungen aus. Allein gut ein Drittel der leer stehenden Wohnungen war zum Jahresende 2018 aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen nicht bewohnt. Lediglich 222 der 12.380 leerstehenden Wohnungen standen Ende 2018 aufgrund von Vermietungsschwierigkeiten längerfristig leer.“

Wohnungen, in denen Modernisierungsmaßnahmen ausgeführt werden, stehen dem Wohnungsmarkt ebenso nicht zur Verfügung wie Wohnungen, die bereits an einen Mieter für Folgemonate vergeben wurden.

Zum anderen lässt die Betrachtung des Beklagten außer Betracht, dass auch andere Personen als die im Vergleichsjahr zur Kostensenkung aufgeforderten SGB II-Empfänger nach Wohnungen suchten. Denn die aus der Leerstandsquote hochgerecht als verfügbar angesehenen Wohnungen werden vom Beklagten allein mit dem Bedarf derjenigen Leistungsberechtigten vergleichen, die im gleichen Zeitraum zur Kostensenkung neu aufgefordert wurden. Dies lässt zum einen die Nachfrage der Leistungsberechtigten außer Betracht, die in Vorzeiträumen zur Kostensenkung aufgefordert wurden und nun eine neue Wohnung suchen. Dies lässt darüber hinaus die Nachfrage andere Bezieher von Sozialleistungen, wie Sozialhilfe, BAföG, Wohngeld, und die Nachfrage von Haushalten mit einem geringen Einkommen, ohne Fürsorgeleistungen zu beziehen, außer Betracht.

Stellt sich nun aber die Anschlussfrage, was zu tun ist.

In dem oben benannten Urteil holte das Gericht zu den Kosten einer Drei-Raum-Wohnung ein Gutachten ein und kam so auf einen Wert von 655,00 EUR bruttokalt zzgl. Heizkosten .

Mit Urteil vom 27.07.2021 hat das SG Berlin (S 204 AS 6271/18) in einem hier vertretenden Fall die Tabellenwerte zzgl. eines Sicherheitszuschlages von 10 % angewendet:

In Ermangelung eines schlüssigen Konzepts sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) plus Zuschlag von 10 % (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, Rn. 30 mwN, zitiert nach juris).

Dies ist gleichfalls vertretbar: nach hiesigen Erkenntnissen und Marktbeoachtungen dürfte sich zumindest bei Ein-Personen-Haushalten kaum ein Unterschied zwischen dem Tabellenbetrag nach dem WoGG und einer tatsächlichen Marktbeobachtung ergeben: der Betrag dürfte sich um die 475-485 € bruttokalt (also + Heizkosten ) für die vergangenen Jahre und – bei Anwendung des WoGG- aktuell 525,78 € bruttokalt zzgl. Heizkosten liegen).

Kurzum: die von den JobCentern anerkannten und als angemessen betrachteten Mieten sind so nicht anzuwenden: hierfür ist kein Wohnraum tatsächlich in Berlin in der notwendigen Breite verfügbar.

Urteil des Sozialgericht Berlin Urteil vom 27.07.2021 – S 204 AS 6271/18: http://www.ra-fuesslein.de/wordpress/?p=1085

 

 

4. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht ( SGB III )

4.1 LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16.4.2021, L 8 AL 1129/20

Leitsätze


Bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes aus einer Beschäftigung in Deutschland kann eine zuvor in der Schweiz als Grenzgängerin ausgeübte besser entlohnte Tätigkeit nicht berücksichtigt werden, wenn hierzu der Bemessungsrahmen des § 150 Abs. 1 SGB III erweitert werden müsste; eine unbillige Härte nach Absatz 3 dieser Vorschrift liegt in einem solchen Fall nicht vor.

 

Quelle: http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Sozialgerichte&Datum=2021&Seite=4&nr=35506&pos=48&anz=103

 

 

 

5. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Kinderzuschlag

5.1 LSG Hamburg, Urt. v. 10.05.2021 - L 4 BK 3/20 BK

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Kinderzuschlag unter Berücksichtigung des maßgeblichen Einkommens

Orientierungssatz

Der Anspruch auf Kinderzuschlag setzt nach der ab 1. 7. 2019 geltenden Fassung voraus, dass neben Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag Einkommen i. S. des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2 in Höhe von mindestens 900.- €. erzielt wird. Entscheidend ist, ob mit dem Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Als Berechnungsgrundlage ist maßgeblich der Zeitraum vor der Antragstellung.(Rn.8)

 

Quelle: https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE210008102

 

 

6. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG

6.1 Keine Verlängerung der Dublin-Überstellungsfrist wegen bloßer Nichtbefolgung einer Selbstgestellungsaufforderung

Befolgt ein Asylantragsteller eine Aufforderung nicht, sich zu einem bestimmten Termin zur zwangsweisen Überstellung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen EU-Mitgliedstaat einzufinden (Selbstgestellung), folgt allein hieraus kein "Flüchtigsein“ im Sinne der Dublin III-VO, so dass eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate nicht gerechtfertigt ist.

Dies hat das BVerwG entschieden.  Az. vom 17.08.2021 1 C 26.20, 1 C 38.20, 1 C 51.20, 1 C 55.20, 1 C 1.21

 

Weiter auf juris: https://www.juris.de/jportal/portal/t/bf9/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA210803008&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp

 

 

7. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

 

 

7.1 LSG Bayern, Beschluss v. 04.08.2021 – L 1 SV 21/21 B

Titel:

Corona-Pandemie, Gerichtsgebäude, Gerichtspräsident*in, Hausrecht, Hausverbot, Maskenschutzkonzept, Mund-Nasen-Schutz, öffentlich-rechtliche Streitigkeit, Rechtsweg, Streitgegenstand, Verwaltungsrechtsweg, Zugangsbeschränkung, Zulässigkeit des Sozialrechtswegs

Leitsätze:
1. Maßnahmen der Zugangsbeschränkung zu einem Gerichtsgebäude der Sozialgerichtsbarkeit aus Anlass der Corona-Pandemie in Gestalt einer Anordnung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes haben im Fall der Verfügung durch Gerichtspräsidenten ihre Rechtsgrundlage in deren Hausrecht.

2. Für Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit derartiger Zugangsbeschränkungen ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (Abgrenzung zu BSG, Beschluss vom 01.04.2009, B 14 SF 1/08 R, SozR 4-1500 § 51 Nr. 6, juris und BSG, Beschluss vom 21.07.2014, B 14 SF 1/14 R, SozR 4-1500 § 51 Nr. 12, juris).

 

Quelle: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2021-N-22211?hl=true

 

 

 

Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

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