Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem SGB II – Bürgergeld
1.1 LSG Hamburg, Urteil vom 26.06.2025 – L 4 AS 135/20
Keine Kostenübernahme vom Jobcenter für eine Schufa-Auskunft
Anmerkung von Detlef Brock
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Keine Kostenübernahme durch das Jobcenter für eine Schufa-Auskunft zwecks Anmietung einer neuen Wohnung.
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Derartige Kosten sind mit dem Regelbedarf abgegolten.
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Leistungsbezieher nach dem SGB II sind darauf zu verweisen, dass die Schufa verpflichtet ist, einmal jährlich eine kostenlose Selbstauskunft zu erteilen.
Quelle: www.landesrecht-hamburg.de
1.2 LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.07.2025 – L 21 AS 650/25 B ER
Rumänische Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Bürgergeld, wenn kein Daueraufenthaltsrecht fortbesteht
Anmerkung von Detlef Brock
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Kein Bürgergeld für eine rumänische Antragstellerin, auch wenn sie seit 20 Jahren mit Unterbrechungen in Deutschland gemeldet war, jedoch zeitweise von 2020 bis 2024 nach Rumänien ausreiste und anschließend zurückkehrte.
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Ein Anspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II besteht nicht.
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Die Rückausnahme zu den Leistungsausschlüssen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II liegt nicht mehr vor, wenn nicht nur unwesentliche Unterbrechungen des dauerhaften Aufenthalts eintreten (BSG, Urteil vom 11.09.2024 – B 4 AS 12/23 R). Bereits eine Abwesenheit von drei Monaten gilt als wesentlich (vgl. LSG NRW, Urteil vom 11.01.2024 – L 19 AS 1849/21).
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
Rechtstipp:
Nach aktueller Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 23.09.2025 – B 4 AS 8/24 R, lediglich Terminbericht) erfordert der Aufenthalt eines EU-Bürgers eine Prognose über die Dauer seines Aufenthalts.
1.3 LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.08.2025 – L 7 AS 706/25 B ER
Jobcenter müssen für „Schrottimmobilien“ keine höheren Mietkosten übernehmen
Anmerkung von Detlef Brock
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Jobcenter müssen keine höheren laufenden Mietkosten übernehmen, wenn die Wohnung der Leistungsbezieher nicht erhaltenswert ist und erhebliche Zweifel an der Entstehung einer weitergehenden Mietzinsverpflichtung (§ 535 Abs. 2 BGB) bestehen.
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Eine Wohnung ist nicht erhaltenswert, wenn sie elementaren Wohnbedürfnissen nicht genügt (z. B. keine funktionierende Heizung, Wasserschäden, nur Kaltwasser in der Küche) oder Kinder unzureichend mit Wohnraum versorgt sind.
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Eine Mietschuldenübernahme war nicht gerechtfertigt, da die Wohnung nicht erhaltenswert war.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
Hinweis von Detlef Brock:
Mietpreis-Deckelung bei Schrottimmobilien
Sozialministerin Bas will für Bürgergeldempfänger, die in Schrottimmobilien wohnen, die Mietkosten deckeln, um Mietwucher vorzubeugen.
https://www.n-tv.de/politik/So-will-Bas-den-Bandenbetrug-beim-Buergergeld-bekaempfen-article26090706.html
1.4 LSG Bayern, Urteil vom 15.02.2024 – L 16 AS 451/22
Eine rechtmäßige Aufrechnungsverfügung des Jobcenters setzt eine Aufrechnungslage (§ 387 BGB) voraus
Anmerkung von Detlef Brock
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Eine Aufrechnungsentscheidung des Jobcenters ist aufzuheben, wenn die Gegenforderung (Erstattungsforderung) nicht bestandskräftig ist und keine vorläufige Vollstreckbarkeit angeordnet wurde.
Leitsätze
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§ 48 SGB X ist auch auf anfänglich rechtswidrige Dauerverwaltungsakte anwendbar, wenn sich die Verhältnisse nachträglich ändern.
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Eine rechtmäßige Aufrechnungsverfügung setzt eine Aufrechnungslage (§ 387 BGB) voraus. Diese liegt nur vor, wenn die Gegenforderung bestandskräftig oder für sofort vollziehbar erklärt wurde.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
1.5 LSG Bayern, Urteil vom 27.11.2024 – L 11 AS 232/22
Pfändbare Beiträge, die zugunsten des Insolvenzverwalters nicht ausgezahlt werden, sind kein anrechenbares Einkommen (§ 11 SGB II)
Leitsatz
Während eines Restschuldbefreiungsverfahrens gemäß § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abgetretene pfändbare Beträge sind kein Einkommen i. S. v. § 11 SGB II, da keine bereiten Mittel vorliegen.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
1.6 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 25.08.2025 – L 11 AS 431/22 u. a.
Festgelegte Mietobergrenzen der Jobcenter für Hannover bestätigt
Anmerkung von Detlef Brock
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Das LSG NSB hat die Festlegung der Mietobergrenzen für das Stadtgebiet Hannover bestätigt und erstinstanzliche Urteile aufgehoben.
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Das Konzept beruht auf repräsentativen Daten eines qualifizierten Mietspiegels; die Angemessenheitsgrenzen wurden zulässig beim höchsten Wert des unteren Drittels der jeweiligen Wohnungsgrößenklasse festgelegt.
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Das Gericht sah ausreichend angemessenen Wohnraum als verfügbar an.
Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen – Pressemitteilung
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zum SGB II / Bürgergeld
2.1 SG Aurich, Beschluss vom 23.09.2025 – S 55 AS 99/25 ER
RA Niklas Sander kommentiert einen Beschluss des SG Aurich vom 23.09.2025 – S 55 AS 99/25 ER.
Das Gericht führt aus:
Werden vom Jobcenter unrealistische KdU-Werte festgesetzt und wird dies im Eilverfahren glaubhaft gemacht, können auch im Eilverfahren höhere Angemessenheitswerte nach dem WoGG berücksichtigt werden.
Die Berechnung hat in der Reihenfolge „Tabellenwert + Klimakomponente + 10 % Sicherheitszuschlag“ zu erfolgen.
Quelle: RA Niklas Sander auf anwalt.de
Rechtstipp:
Vgl. SG Landshut, Beschluss vom 16.07.2024 – S 7 AS 166/24 ER;
SG Stralsund, Beschluss vom 09.09.2025 – S 5 SO 58/25 ER.
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)
Keine Entscheidungen bekannt.
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 LSG Hessen, Urteil vom 27.08.2025 – L 4 SO 38/25
Kosten einer Räumungsklage sind vom Sozialhilfeempfänger selbst zu tragen, wenn die Behörde die Miete vollständig übernommen hat
Anmerkung von Detlef Brock
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Dies gilt zumindest dann, wenn die Kommune für die Kündigung der Wohnung nicht verantwortlich ist.
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Kosten der Räumungsklage sind nur zu übernehmen, wenn die Räumung auf teilweise oder verspätet gezahlte Miete zurückzuführen ist.
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Keine Erstattung, wenn der Antragsteller die Kosten vor Antragstellung selbst beglichen hat.
Quelle: Beck RSW – Meldung
Praxistipp:
Veröffentlicht im Tacheles Rechtsprechungsticker KW 36/2025.
4.2 LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.07.2025 – L 2 SO 1152/25
Therapie-Tandem mit Elektrounterstützung als Leistung zur Teilhabe
Anmerkung von Detlef Brock
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Ein schwerstbehindertes Kind mit Autismus-Spektrum-Störung hat Anspruch auf ein Therapie-Tandem mit Elektrounterstützung als Hilfsmittel der GKV.
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Das Tandem ist erforderlich, um das Grundbedürfnis der persönlichen Mobilität (Art. 20 UN-BRK) zu erfüllen.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
4.3 LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.08.2025 – L 8 SO 31/23
Bestattungskosten im Urnenwahlgrab sind Bestattungskosten i. S. v. § 74 SGB XII
Leitsätze
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Zu den ortsüblichen angemessenen Bestattungskosten zählen auch Aufwendungen für eine ordnungsbehördlich angeordnete Bestattung in einem Urnenwahlgrab.
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Sozialhilfeträger müssen auf die Ordnungsbehörden einwirken, um unangemessene Kosten zu vermeiden.
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Der „Sterbevierteljahr-Bonus“ einer Witwenrente ist keine zweckbestimmte Leistung i. S. v. § 11a SGB II, § 83 SGB XII.
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
5. Entscheidungen zum Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
5.1 LSG Hessen, Beschluss vom 01.10.2025 – L 4 AY 5/25 B ER
Freiwillige selbstinitiierte Ausreisen sind im Dublin-Verfahren in der Regel nicht zugelassen
Leitsätze
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Eine freiwillige selbstinitiierte Ausreisemöglichkeit muss tatsächlich bestehen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG).
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Bei unionsrechtlichen Zweifeln sind die Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts zum Eilrechtsschutz zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 13.08.2024 – 2 BvR 44/24).
Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de
Praxistipp:
Ebenso SG Gießen, Az. S 30 AY 40/25 ER.
5.2 SG Mainz, Beschluss vom 29.09.2025 – S 15 AY 28/25 ER
Bestandsschutzklausel des § 28a Abs. 5 SGB XII gilt auch für Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG
Leitsätze
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Die Bestandsschutzklausel des § 28a Abs. 5 SGB XII findet über den Verweis in § 3a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG auch auf Leistungsberechtigte nach §§ 3, 3a AsylbLG Anwendung.
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Eine gegenteilige Bekanntmachung des BMAS steht dem nicht entgegen.
Rechtstipp:
Ablehnend: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.04.2025 – L 7 AY 918/25 ER-B.
Zustimmend: SG Marburg (23.05.2025 – S 16 AY 8/25 ER; 14.02.2025 – S 16 AY 11/24 ER), SG Speyer (25.03.2025 – S 16 AY 10/25 ER), SG Mainz (10.07.2025 – 1 AY 7/25 ER, unveröffentlicht).
Hinweis zur Zitierweise
Nicht veröffentlichte Urteile, Anmerkungen oder Besprechungen dürfen nur mit Quellenangabe zitiert werden:
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Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW XX/2025 – Autor: Detlef Brock
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Für Newsletter: Thomé Newsletter 12/2025 vom 06.04.2025 – Autor: Harald Thomé
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Verfasser: Detlef Brock, Redakteur Tacheles Rechtsprechungsticker