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Jahresarchiv

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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 48/2020

1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Grundsicherung nach dem ( SGB II ) 

1.1 BSG Urteil v. 26.11.2020 - B 14 AS 23/20 R

Mehrbedarf - Kryokonservierung von Samenzellen

Leitsatz ( Redakteur )


1. Der Hilfebedürftige hat keinen Anspruch auf Übernahme der angefallenen Kosten der Kryokonservierung seiner Samenzellen gegen das JobCenter, auch wenn solche Kosten nicht in den Regelbedarf eingeflossen sind.

2. Die Voraussetzungen eines Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB II sind nicht erfüllt, weil die Kosten kein unabweisbarer, besonderer Bedarf sind. Sie sind nicht Teil des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 iVm dem Sozialstaatsprinzip nach Art 20 Abs 1 GG).



Quelle: https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2020/2020_11_26_B_14_AS_23_20_R.html





1.2 BSG Urteil v. 26.11.2020 - B 14 AS 13/19 R

Leistungsverweigerung - fehlende Mitwirkung - Feststellung der Erwerbsfähigkeit

Gutachten zur Erwerbsunfähigkeit darf nicht zu alt sein


Die Erwerbsunfähigkeit von Hartz-IV-Beziehern darf nicht mit einem bereits vier Jahre alten ärztlichen Gutachten belegt werden. Lehnt eine Arbeitslose ihre Einwilligung zur Verwendung der ärztlichen Unterlagen an die Deutsche Rentenversicherung ab, liegt noch kein Verstoß gegen ihre Mitwirkungspflicht vor.

weiter hier: https://www.evangelisch.de/inhalte/178973/26-11-2020/gutachten-zur-erwerbsunfaehigkeit-darf-nicht-zu-alt-sein





2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ( SGB II )

2.1 Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11.11.2020 - L 10 AS 449/19

Leitsatz ( Juris )

Soweit ein nach dem SGB II hilfebedürftiger Leistungsempfänger Wiederkehrend und in Wiederholungsabsicht gesammelten Schrott verkauft, sind von den erzielten Einnahmen vor deren Anrechnung auf das ALG II die Erwerbstätigenfreibeträge abzusetzen.



Quelle: http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml;jsessionid=0180EBEEE5068565B3DD2649B0965251.jp26?showdoccase=1&doc.id=JURE200016295&st=ent





2.2 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.10.2020 - L 32 AS 1288/15

Leitsatz ( Redakteur )


Erbringung von Sachleistungen nach § 24 Abs 2 SGB II bei unwirtschaftlichem Verhalten auch durch die direkte Zahlung der monatlichen Stromkostenabschläge an die Energieversorgungsunternehmen.



Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=214392&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





2.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 05.11.2020- L 7 AS 1395/20 B ER - rechtskräftig

Darlehensweise Leistungen für Miete und die Krankenversicherung - § 27 Abs. 3 SGB II - Härtefallregelung


Orientierungshilfe ( Redakteur )

Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn - wie hier - wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden ist, der nicht anderweitig gedeckt werden kann und begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde ohne die Zubilligung von Leistungen nicht beendet.



Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=214399&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=







3. Entscheidungen der Landessozialgerichte und Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB XII )

3.1 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.11.2020 - L 8 SO 84/20 ER

Zu den Auswirkungen auf die bis Ende 2019 erfolgte Ablehnung von sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfe durch das Inkrafttreten des Rechts der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX zum 1.1.2020 und den Wegfall der Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe

Leitsatz ( Juris )

1. Die Ablehnung von Eingliederungshilfe durch den Träger der Sozialhilfe erledigt sich durch das Inkrafttreten des Rechts der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX zum 1.1.2020 und den Wegfall seiner Zuständigkeit nicht auf andere Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X.

2. Die Einführung der "neuen Leistung" der Eingliederungshilfe mit einer neuen Trägerschaft berührt grundsätzlich nicht eine bereits nach § 14 SGB IX (in der Zeit bis 31.12.2019) begründete Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers, wenn dieser als Rechtsträger auch ab 1.1.2020 weiterhin Rehabilitationsträger i.S. des § 6 SGB IX ist. § 14 SGB IX bewirkt im Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zugunsten des Menschen mit Behinderung eine Kontinuität (im rechtlichen Sinn) durch die verbindlich festgelegte Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers.

3. Auf die Frage einer Rechts- oder Funktionsnachfolge des Trägers der Eingliederungshilfe anstelle des bis Ende 2019 für die Eingliederungshilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe kommt es im Hinblick auf die Beteiligtenstellung im gerichtlichen Verfahren nicht entscheidend an, wenn der beteiligte Rechtsträger auch für die Zeit ab 1.1.2020 für die beantragten Leistungen örtlich und sachlich zuständig ist.

4. Ein Anspruch auf Übernahme von Kosten einer zusätzlichen Förderung der Gebärdensprache in Form eines Hausgebärdensprachkurses kann sich als Leistung zur Teilhabe an Bildung, konkret als Hilfe zu einer Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht, nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 SGB IX oder als Leistung zur sozialen Teilhabe nach § 113 Abs. 1 und 2 Nr. 6 SGB IX i.V.m. § 82 Satz 1 SGB IX ergeben.

5. Zu der Auswahlentscheidung des Rehabilitationsträgers über einen bestimmten Leistungserbringer, dem Wunsch- und Wahlrecht des Menschen mit Behinderung und dem Kostenvergleich bei vergleichbaren Leistungen (§ 104 SGB IX).



Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=6E3FE31251E40D0AFBFB4C1560EDE68D.jp17?doc.id=JURE200015772&st=null&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint





3.2 Sozialgericht Mannheim, Beschluss vom 30. Oktober 2020 (S 3 SO 2144/20 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel

Zur Verpflichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers zur Übernahme der Kosten für einen Gebärdendolmetscher im Fall eines die Regelgrundschule besuchenden, hörbehinderten Kindes auch in den Unterrichtsstunden, in denen Sonderpädagogen des Bildungszentrums anwesend sind, als eine Leistung zur Teilhabe an Bildung gemäß den §§ 90 ff. SGB IX in Verbindung mit § 99 SGB IX und § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 / Satz 3 SGB IX.

Der Anspruch auf Schulbegleitung auch während der Anwesenheit eines Sonderpädagogen wird nicht bereits dadurch erfüllt, dass diese soziale Fachkraft auch Dolmetscherleistungen erbringt.

Der in § 91 Abs. 1 SGB IX festgeschriebene Nachranggrundsatz gelangt dann nicht zur Anwendung, wenn der behinderte Antragsteller glaubhaft machen kann, im lautsprachlichen Unterricht zusätzlich durchgehend auf einen Dolmetscher mit den Kompetenzen eines in der Deutschen Gebärdensprache zertifizierten Dolmetschers angewiesen zu sein.

Der Sozialpädagoge erbringt Leistungen im pädagogischen Kernbereich. Bei der Tätigkeit eines Dolmetschers handelt es sich um eine wichtige flankierende Maßnahme, die eine soziale Fachkraft nur erbringen kann, sofern eine Kompetenz in der Deutschen Gebärdensprache erwiesenermaßen besteht. Dies stellt eine Voraussetzung dafür dar, dass sich der hörbehinderte Antragsteller in der Schule angemessen verständigen und dem Unterricht barrierefrei sowie insbesondere vollumfänglich folgen kann. Bereits geringe Abweichungen in der Ausführung einer Gebärde können zu völlig anderen inhaltlichen Aussagen führen.





3.3 SG Gießen, Beschluss v. 29.10.2020 - S 18 SO 146/20 ER

Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets


Das SG Gießen hat im Verfahren um Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets entschieden, dass es mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar ist, den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen des Fehlens einer Zielvereinbarung und einer entsprechenden Hilfeplanung abzulehnen.

Weiter auf Juris: https://www.juris.de/jportal/portal/t/pii/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA201104240&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp



Hier zum Volltext: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=214450&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





4. Verschiedenes zu Hartz IV, zur Sozialhilfe, zum Asylrecht, Wohngeldrecht und anderen Gesetzesbücher

4.1 Kein doppeltes Sozialgeld für Kinder getrennt lebender Eltern

Wenn die Kinder geschiedener Eltern mal bei der Mutter und mal beim Vater sind - ein Beitrag zu LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.08.2020 - L 7 AS 535/19 - anhängig BSG B 14 AS 73/20 R

weiter: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1143929.kein-doppeltes-sozialgeld-fuer-kinder-getrennt-lebender-eltern.html





Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.08.2020 - L 7 AS 535/19 - anhängig BSG B 14 AS 73/20 R

Leitsatz ( Redakteur )


Nach der Rechtsprechung des BSG besteht ein Anspruch auf Sozialgeld bei regelmäßigen Aufenthalten in zwei Bedarfsgemeinschaften nur für insgesamt 30 Tage monatlich.

Orientierungshilfe ( Redakteur )

Einem Betroffenen steht auch bei regelmäßigen Aufenthalten in zwei Bedarfsgemeinschaften monatlich insgesamt nur ein Anspruch auf die Regelleistung für 30 Tage (§ 41 Abs. 1 SGB II) zu. Die Regelleistung deckt den Bedarf für den regelmäßigen Lebensunterhalt ab; insgesamt ergeben sich aber auch bei wechselnden Aufenthalten Ansprüche auf Regelleistungen für nicht mehr als 30 Tage. Für die Tage, an denen sich die betroffenen Kinder weniger als zwölf Stunden im Haushalt des einen Elternteils aufhalten, besteht daher dort kein Anspruch auf die Regelleistung (BSG Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 50/12 R; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 24.03.2015 - L 7 AS 1031/13).

Quelle: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=213592&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=





4.2 Änderungen im Freizügigkeitsgesetz zum 13. November 2020, ein Beitrag von Claudius Voigt

weiter: http://ggua.de/fileadmin/downloads/tabellen_und_uebersichten/AEnderungen_FreizuegG.pdf





4.3 Neue Broschüren und Arbeitshilfen

Arbeitshilfe: Anspruch auf SGB-II-Leistungen für Unionsbürger*innen mit Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der EU-Verordnung 492/2011 – Schulkinder mit ehemals erwerbstätigen Eltern (Der Paritätische Gesamtverband / Claudius Voigt, GGUA Münster / November 2020)

weiter: https://www.ggua.de/aktuelles/einzelansicht/063b469be011d5c47ee12658a8a15f01/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=1033&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail





4.4 Urteil des LSG Hessen zu langfristigen Überbrückungsleistungen jetzt rechtskräftig

Seit kurzer Zeit gibt es das erste positive rechtskräftige Urteil eines Landessozialgerichts zur Frage der Überbrückungsleistungen für Unionsbürger*innen, die von regulären Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen sind: Das Landessozialgericht Hessen hatte am 1. Juli 2020 geurteilt, dass die Überbrückungsleistungen regelmäßig auch über einen Monat hinaus während des gesamten tatsächlichen Aufenthalts erbracht werden müssen und dass die Äußerung eines „Ausreisewillens“ hierfür nicht Voraussetzung ist. Der Verweis auf Rückreise und Bedarfsdeckung im Herkunftsland sei kein legitimer Zweck für Kürzung oder Ausschluss des menschenwürdigen Existenzminimums. LSG Hessen, Urteil vom 1. Juli 2020; L 4 SO 120/18

Gegen dieses Urteil hatte das Sozialamt des Landkreises Kassel Revision beim Bundessozialgericht eingelegt. Am 20. Oktober 2020 hat das BSG die Revision als unzulässig verworfen (BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2020; B 8 SO 15/20 R), da das Sozialamt weder eine Revisionsbegründung, noch einen Antrag auf Fristverlängerung fristgerecht eingereicht hatte. Damit ist das Urteil des LSG Hessen nun rechtskräftig.

Hier noch mal einige Ausführungen zu den sehr wichtigen Aspekten der Entscheidung des LSG Hessen:https://www.ggua.de/aktuelles/einzelansicht/3fe056b4416654312944f4338ba6ac32/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=1140&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail





Verfasser des Rechtsprechungstickers: Redakteur von Tacheles Detlef Brock

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