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Jahresarchiv

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Tacheles Wuppertal Newsletter 11.10.2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mal wieder Zeit für einen Wuppertal Newsletter, dieser zu folgenden Punkten:

1. Theaterstück Mittelmeer-Monologe in der Börse am 15. Okt. 2020 in der Börse
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Im Rahmen der Bildungsreihe „Fight Against Racism“, u.a. finanziert aus dem Landesprogramm NRWeltoffen, wird am 15. Oktober 2020 um 19 Uhr das dokumentarische Theaterstück „Die Mittelmeer-Monologe“ in der Börse in Wuppertal aufgeführt. Anschließend gibt es ein Publikumsgespräch.

Die Mittelmeer-Monologe erzählen von den politisch widerständigen Naomie aus Kamerun und Yassin aus Libyen, die sich auf einem Boot nach Europa wiederfinden, von brutalen ‚Küstenwachen‘ und zweifelhaften Seenotrettungsstellen und von Aktivist*innen, die dem Sterben auf dem Mittelmeer etwas entgegensetzen. Diese Aktivist*innen überzeugen bei ‚Alarmphone‘ die Küstenwachen, nach Menschen in Seenot zu suchen, oder bewahren auf der Sea-Watch Menschen vor dem Ertrinken – kurzum: sie tun das eigentlich Selbstverständliche. Das ist im Jahr 2020 jedoch alles andere als selbstverständlich: Menschenleben retten!
Weitere Informationen: www.wort-und-herzschlag.de

Die Bildungsreihe „Fight Against Racism“ ist eine Veranstaltungs-Kooperation von: Aufstehen gegen Rassismus Wuppertal; Bildungs- und Gedenkstätte Max Leven Zentrum Solingen e.V.; Falken Bildungs- und Freizeitwerk Bergisch Land e.V.; Initiative für Demokratie und Toleranz e.V.; Kommunikationszentrum „die Börse“; Seebrücke Wuppertal; SJD - Die Falken Bergisch Land; Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA e.V.)

Weitere Informationen zur Gesamtreihe unter www.fightracism.de

Anmeldung

Die Veranstaltung wird als Präsenz-Veranstaltung durchgeführt. Eine formlose Vorab-Anmeldung mit vollständigem Namen, vollständiger Adresse, Telefonnummer und E-Mailadresse an fightracism@fbf-bl.de ist erforderlich.

Für die Veranstaltungs-Teilnahme gilt folgender Hinweis/Vorbehalt: Die Veranstaltenden behalten sich vor, vom Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen oder rechtspopulistischen Szene zuzuordnen sind oder in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, auszuschließen oder den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren.



2. Sozialberatung im Tacheles in Corona-Zeiten
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Tacheles bietet selbstverständlich weiterhin Sozialberatung an. Diese ist jetzt wie folgt organisiert:

Ratsuchende können uns dienstags und mittwochs in der Zeit zwischen 10:00 und 13:00 Uhr anrufen. Unsere Telefonzentrale nimmt dabei die Kontaktdaten und eine kurze Fallschilderung auf.

Danach meldet sich jemand aus unserem Beratungsteam alsbald zurück. Wenn es erforderlich ist, Unterlagen bei uns einzureichen, können diese per Mail, WhatsApp, Fax oder durch persönliches Vorbeibringen an uns übermittelt werden. Dann werden die Dinge gemacht, die in der Beratung gemacht werden müssen. Persönliche Vorsprachen sind in Fällen, in denen dies notwendig ist, nach Terminvereinbarung und unter Beachtung von Abstandsregeln ebenfalls vereinzelt möglich.  

Dieses Beratungsangebot richtet sich ausschließlich an Menschen aus Wuppertal und Umgebung und ersetzt unser bisheriges Angebot der persönlichen Beratung.

Hier nochmals die Daten:

Telefonische Erreichbarkeit für die Beratung
Dienstag - Mittwoch 
von 10 - 13 Uhr
Telefon: 0202 - 31 84 41

3. EUGH Urteil: Der Leistungsausschluss für EU-Bürger*innen in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c) SGB II ist europarechtswidrig

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Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Menschen mit einem Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 (schulpflichtige Kinder ehemaliger Arbeitnehmer*innen und deren Eltern) in Deutschland nicht pauschal von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden dürfen. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c) SGB II sei europarechtswidrig und somit unanwendbar. à EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020; Rechtssache C‑181/19 („J.D. gegen Jobcenter Krefeld“)

Ein grandioses und wichtiges Urteil, was auch eine Menge EU-BürgerInnen in Wuppertal betrifft. Hier die EUGH Links dazu:

Eine zusammenfassende Presseinformation: https://t1p.de/vwjy
und das Urteil im Wortlaut gibt es hier: https://t1p.de/ledp
Lto zum Urteil: https://t1p.de/v60q
Fachinfo des DPWV dazu: https://t1p.de/5i7y
Mail von Claudius Voigt dazu: https://t1p.de/4fiu
und noch ein Artikel von Stefan Sell dazu: https://t1p.de/q2ib

4. SG Halle: Digitale Endgeräte stellen einen mit Schulbüchern vergleichbaren Bedarf dar und sind damit als erforderliches Lernmittel analog Schulbüchern nach § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen
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Das SG Halle hat in einem rechtskräftigen Urteil entschieden (Urt. v. 25.08.2020 - S 5 AS 2203/18), dass digitale Endgeräte einen mit Schulbüchern vergleichbaren Bedarf darstellen und damit als erforderliches Lernmittel analog den Schulbuchurteilen des BSG  vom 8. Mai 2019 - B 14 AS 13/18 R nach § 21 Abs. 6 SGB II von den Jobcentern zu übernehmen sind.

Das SG Halle dazu: Der Bedarf des Schülers ist nach § 21 Abs. 6 SGB II zu befriedigen, denn soweit sich die schulische Bildung mit einer im Einzelfall für die Schüler bzw. deren Eltern verbindlichen bzw. zwingenden - also auf Vorgabe der Gesamtkonferenz (§§ 27, 28 SchulG LSA) - Nutzung von Notebooks technisch fortentwickelt, stellen sich diese Notebooks oder Tablets bei entsprechender technischer Ausstattung im Hinblick auf den verfolgten Bildungszweck letztlich als mit Schulbüchern vergleichbar und damit als erforderliches Lernmittel dar. Dies bestätigt sich auch durch die vermehrte Verknüpfung schulischer Aufgaben mit entsprechenden Lernplattformen (z.B. moodle, sofatutor, simpleclub), deren Nutzung durch entsprechende internetfähige Notebooks ermöglicht wird und die zunehmend ein nicht nur nebensächlicher Bestandteil schulischer Wissensvermittlung sein werden.

2. Soweit zur Deckung dieses Bedarfs nicht auf den Regelbedarf und die damit verbundene Ansparkonzeption verwiesen werden kann, werden solche Sondersituation zur Bedarfsdeckung bei verfassungskonformer Auslegung dem Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II zugeordnet (so für "klassische" Schulbücher BSG, Urteil vom 8. Mai 2019 - B 14 AS 13/18 R ).
Das Urteil hier zum Download: https://t1p.de/oafg

Kurz Bewertung: das SG Halle ist mit der Gleichsetzung von digitalen Endgeräten und Schulbüchern sehr weit gegangen. Inhaltlich hat das SG damit auf jeden Fall Recht. Da das BSG rausgearbeitet hat, dass zwar Bildungskosten im Regelbedarf vorhanden sind, diese aber für Schüler*innen der Oberstufe  im RB 2020 23 Cent im Monat betragen und dass daher eine eklatante Unterdeckung vorliegt, die durch verfassungskonforme Auslegung geschlossen werden muss. Das SG Halle stellt somit klar, dass der Anspruch besteht und sogar durch BSG Rechtsprechung gedeckt ist.
Wenn der Bedarf im Einzelfall durch kostenlose Zurverfügungstellung von digitalen Endgeräten gedeckt ist, besteht der Bedarf natürlich nicht, wenn diese aber erst nach Monaten gewährt wird, dann besteht er sehr wohl. Nähere Infos dazu hier: https://t1p.de/6i91
Daher wird es sich auch in Wuppertal lohnen, wenn keine digitalen Endgeräte von der Schule zur Verfügung gestellt werden können, hier den Kampf aufzunehmen.

 5. Erreichbarkeit der Jobcenter/Eingangsbestätigungen/digitale Zugänge
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Die zweite Coronawelle hat Deutschland erreicht, verschärfte Kontaktvermeidung bei Sozialbehörden besteht schon/wurde seit Frühjahr gar nicht abgeschafft oder wird zumindest wieder eingeführt werden.
Viele Sozialbehörden sind für die Bürger*innen schwer erreichbar, besonders für Menschen ohne digitalen Zugang, mit Sprachschwierigkeiten und für Obdachlose.
Hier sind jetzt die Behörden gefragt für die Bürger*innen befriedigende barrierefreie Zugänge entsprechend § 17 Abs. 1 SGB I zu schaffen.
Das kann bedeuten:

1. In Sozialbehörden sollen Kopierer frei zugänglich sein, so dass die Menschen, die von den Behörden gewünschten und nach § 60 Abs. 1 SGB I  geforderten Unterlagen zumindest kostenfrei kopieren können.

2. Die Verwaltung ist gefordert, Wege zu schaffen, wie Bürger*innen auf Wunsch eine Eingangsbestätigung für eingereichte Unterlagen bekommen können, so wie die BA das in ihrer Weisung vom 20.06.2018 (Weisung 201806011) bestimmt: „Die BA befürwortet die Ausstellung von Eingangsbestätigungen durch Jobcenter trotz fehlender, gesetzlicher Verpflichtung auf ausdrücklichen Wunsch der Leistungsberechtigten sowie für fristwahrende Schreiben wie Widersprüche und Anträge“. Hier diese Weisung: https://tinyurl.com/ycy9rmue

3. Die Verwaltung ist gefordert, einfache digitale Zugänge zu schaffen. Das Jobcenter Heppenheim stellt Leistungsbezieheden eine App zur Verfügung, über die unproblematisch Anträge gestellt, Unterlagen eingereicht werden können.  Das System heißt NWdigital. Betroffene können sich die kostenlose App zum Jobcenter auf ihr Smartphone, Tablet herunterladen. Über diese können sie ihren Bewilligungszeitraum abrufen und fehlende Unterlagen einfach abfotografiert hochladen. Vorab muss lediglich ein Antrag auf Zugangsname und Passwort beim Jobcenter Heppenheim gestellt werden.
Solche Zugänge müssen jetzt bei allen Sozialbehörden geschaffen werden. Es dürfte zudem eine Leichtigkeit sein, ein solches System in verschiedenen Sprachen anzubieten.

Hier ist auch das Jobcenter und das Sozialamt Wuppertal sehr konkret gefordert, die Zugangshürden abzuschaffen und neue Wege zu eröffnen.

So das war es dann wieder für heute.  

Mit freundlichen Grüßen

Harald Thomé / Tacheles e.V.

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