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Verdi: Aktuelle Forderungen zur Arbeitsmarktpolitik / Wirkung der Hartz-Gesetze auf Frauen

Aktuelle Forderungen zur Arbeitsmarktpolitik / Wirkung der Hartz-Gesetze auf Frauen

Grundaussage: Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und die verschärften Zugangs- und Anrech-nungsvorschriften im Bereich des SGB II führen zu vermehrter wirtschaftlicher und beruflicher Abhängigkeit von Frauen – von ihren Ehemännern und der nicht diskriminierungsfreien Beschäftigungspraxis in den Betrieben.

Frauen werden durch die Streichung ihrer Anspruchsgrundlagen aus der Vermittlung und der Arbeitsförderung ausgegrenzt. Auch Berufsrückkehrerinnen werden lediglich anderen Langzeitarbeitslosen gleichgestellt. Hier findet eine Abkehr von bisheriger Frauenförderung statt.

Die familiären Lasten müssen von den Familien wieder ganz überwiegend allein getragen werden. Auch der gegenseitige Unterhalt erhält wieder Vorrang vor eigenen Rechten, die nicht nur durch Beiträge sondern auch durch Leistungen für die Wirtschaft und die Gesellschaft durch Arbeit und Kindererziehung erbracht worden sind. Hier muss die Politik grundlegend und unverzüglich umdenken und umsteuern.

1. Die Auswirkungen der sog. „Hartz“-Reformen sind, wie zugesagt, einer Genderprüfung zu unterziehen. Klar ist, dass neben vielem anderen die im SGB III vorgenommene Umwandlung des Anspruchs auf Maßnahmen der Arbeitsförderung in eine „Kann-Bestimmung“ alles andere als Erwerbsarbeits- geschweige denn karrierefördernd ist.

Wenn Gender Mainstreaming hier ernst genommen würde, so müssen nicht nur die Auswirkungen auf Frauen festgestellt werden, sondern auch Ausgleichsmaßnahmen (Teil 2 der BA- Doppelstrategie „Gender Mainstreaming und Frauenförderung“) erfolgen, denn Frauen sind immer noch relativ stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Gegenderte Arbeitsmarktpolitik müsste innovativ neue Betätigungsfelder für Frauen eröffnen und nicht mit dem Rasenmäherprinzip Frauenförderung streichen.

2. Wenigstens muss für die auf diese Weise (durch HartzIV) ausgegrenzten Frauen in Arbeitslosigkeit (ohne finanziellen Leistungsanspruch) der Zugang zur Vermittlung und Arbeitsförderung wie-der eröffnet werden.

Bis jetzt sind in der Gestaltung der Jobcenter hierfür keine finanziellen Mittel vorgesehen. Das ist unverzüglich zu bereinigen, damit die Jobcenter diesen arbeitslosen Frauen diese „Kannleistungen“ überhaupt zukommen lassen können.

3. Die niedrigen Grenzen und die Ausgestaltung der Partnereinkommensanrechnung verpflichten Paare, ein traditionelles Familienmodell zu leben. Solange ein Einkommen vorhanden ist (welches aufgrund der üblichen Gehaltskonstellationen meist das Gehalt des Mannes ist), haben Frauen keinen Rechtsanspruch auf Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung.

Familien mit umgekehrter Verdienstkonstellation bekommen die Folgen noch stärker aufgrund der bisherigen Frauen-Beschäftigungspolitik mit den niedrigeren Einkommen und hohem Teilzeitanteil zu spüren: Das Familieneinkommen sinkt noch stärker ab als beim männlichen Hauptverdiener. Weder Arbeitslosigkeit noch Teilzeit sind heute selbstgewählte Alternativen sondern Ergebnis der Beschäftigungs- und Flexibilisierungspolitik. Deshalb müssen die Familien von diesen Konsequenzen entlastet werden.

4. Obwohl die Bedarfsgemeinschaft in § 38 als traditionelles Familienmodell (mit „Vertreter der Bedarfsgemeinschaft“ und seinen Angehörigen) definiert wurde, heben die Arbeitspflicht und die gegenseitige Unterhaltspflicht aller in der Bedarfsgemeinschaft dies in der Realität wieder auf. Diese Art von Gleichstellung führt in Umsetzung des § 1 dazu, dass im Bereich des ALG II die Beibehal-tung des Ein-Verdienst-Modells, das mit der Anrechnung von Partnerschaftseinkommen noch verfolgt wird, nun gesetzeswidrig wird. Diese familienpolitischen Implikationen sind in der Hinsicht zu bereinigen, dass Frauen in jeder Lebenslage und Lebensform ein Recht auf Unabhängigkeit bzw. eigenständige Erwerbstätigkeit erhalten.

5. Der § 15 des SGB II wurde bereits nachgebessert. Der mittelbare Abschluss einer Eingliede-rungsvereinbarung durch den arbeitslos gemeldeten Partner ist gestrichen. Die Frauen werden nun „ mitbehandelt“, d.h. sie müssen bei der Agentur für Arbeit vorstellig werden. Diese neue Regelung des § 15 bedeutet aber auch weiterhin nicht unbedingt , dass Frauen eine eigenständige Behandlung und Eingliederungsvereinbarung erhalten. Hier wird mit unklaren Begriffen gearbeitet, so dass die Ermessungsentscheidung in der Agentur vor Ort voll zur Wirkung kommen kann.

6. Die Zumutbarkeit jeder Arbeit für Arbeitslose wird auch dazu führen, dass Frauen noch mehr als bisher auf geringfügige Beschäftigung verwiesen werden. Die Zumutbarkeitsregeln sind dahingehend zu ändern, dass die Agentur für Arbeit diesem Personenkreis sozialversicherte Beschäftigung vermittelt.

7. Weiterbildung ist ein unerlässlicher Bestandteil der bedarfsgerechten Arbeitsmarktanpassung, insbesondere für Arbeitslose, und ist als solches zu erhalten und wieder zu verbessern.

Für das Jahr 2003 ist leider festzustellen, dass im Vergleich zum Vorjahr alle Weiterbildungsmaßnahmen auf die Hälfte reduziert wurden (von 456.000 auf 246.000). Dies trifft auch für Frauen all-gemein und Berufsrückkehrerinnen im besonderen zu.

8. Wiederherstellung der Frauenförderquote, wie sie ursprünglich im Job-Aktiv-Gesetz festgelegt wurde.

Die neue Frauenförderquote richtet sich nicht mehr nur nach dem Anteil der Frauen an den Arbeitslosen sondern auch nach der Arbeitslosenquote. Hierbei werden einerseits Frauen in der Elternzeit und Minijobberinnen als Beschäftigte mitgezählt, die Stille Reserve wird auf der Seite der Arbeitslosen jedoch ausgelassen. Beides verschlechtert die Anteilsberechnung zu Ungunsten der arbeitslosen Frauen.

9. Wir befürchten, dass aufgrund der Jobcenter-Neugestaltung und der damit verbundenen Lasten für die Kommunen (z.B. Übernahme aller Wohngelder) jetzt erkennbaren weiteren Verschlechterung der finanziellen Situation in den Kommunen noch mehr Konsequenzen dieser Arbeitsmarktpolitik auf den Frauen sozusagen abgeladen werden. Neben den arbeitslosen Frauen werden hiervon auch andere, bisher von den Kommunen erbrachten Sozialleistungen betroffen sein.

10. Abgelehnt wird (auch in Verbindung mit dem vorgenannten Grund) die sogenannte Arbeit im öffentlichen Interesse als flächendeckend einsetzbares Instrument der kommunalen Beschäftigung. Hier ist eine Arbeitslosigkeitsfalle für Frauen vorprogrammiert, denn die im sozialen und kommunalen Bereich noch vorhandenen Stellen werden dadurch in ihrer Existenz als reguläre und tarif-lich entlohnte Stellen bedroht.

11. Verdi hat eine Initiative für eine soziale Reformpolitik gestartet. Unterschriftenlisten erhaltet ihr in jeder Verdi-Bezirksverwaltung oder unter www.verdi.de.

Dresden, 30.August 04
Heike Maser-Festersen
ver.di-Sachsen
Frauen- und Gleichstellungspolitik
Schützenplatz 14, 01067 Dresden

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