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Jahresarchiv
Verfahren wegen Rechtsberatungsgesetz am 29.03. in Stuttgart / Aufruf zur Unterstützung
Anwaltskammer Stuttgart verklagt Caritas-Verband wegen
Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz
Karl Böhm, Richter des Stuttgarter Verwaltungsgerichts, erstattete letztes Jahr Anzeige gegen den renommierten Sozialrechtler Dr. Manfred Hammel vom Caritas Verband Stuttgart. Grund der Anklage: Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz in ungefähr zwanzig Fällen. Gleichzeitig gab Böhm diesen Vorgang der Anwaltskammer zur Kenntnis.
Mit der Beratung von Sozialhilfeempfängern, Alleinerziehenden, Asylbewerbern und anderen sozial benachteiligten Menschen im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit beim Caritas Verband Stuttgart soll Hammel gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen haben, so der offizielle Grund der Anklage. Am Donnerstag, dem 29. 03. 2001 wird die Klage des Stuttgarter Anwaltsvereins gegen den Caritas Verband Stuttgart vor dem Stuttgarter Landgericht in mündlicher Verhandlung erörtert.
Das der Anklage zugrunde liegende Rechtsberatungsgesetz stammt aus dem Jahr 1935. Das Gesetz befugt ausschließlich Rechtsanwälte oder zugelassene Rechtsbeistände Mitbürgern in rechtlichen Dingen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Laut Rechtsberatungsgesetz ist sogar jegliche entgeltliche oder unentgeltliche "Betätigung von christlicher Nächstenliebe oder sozialem Engagement" so das OLG Stuttgart (NStZ 1989, 274) verboten.
Die Wurzeln dieses Gesetzes liegen im Ermächtigungsgesetz aus dem Jahr 1933. Damals wurde mit diesem Gesetz die "Entjudung" der deutschen Anwaltschaft und gleichzeitige Monopolstellung der Rechtsberatung der deutschen Anwaltschaft erreicht. Die Folge war eine (fast) geschlossene Unterstützung des Nazi-Faschismus durch die deutsche Anwaltschaft.
Im Stuttgarter Fall fühlte sich Richter Böhm offensichtlich durch die hochqualifizierten Schriftsätze verschiedener durch Dr. Hammel unterstützter sozial benachteiligter Menschen in seiner richterlichen und sozialamtlichen Ruhe gestört. Böhm sammelte aus eigenen Aktenbeständen und Akten anderer Kollegen Verdachtsfälle zusammen und leitete diese - unter Verstoß gegen das Datenschutzgesetz - an Staatsanwaltschaft und Anwaltskammer weiter. Die Staatsanwaltschaft nahm die Sache zunächst sehr ernst und beantragte in ihrem Eifer beim Amtsgericht einen Beschluss zur Hausdurchsuchung sowohl der Diensträume des Caritasverbandes als auch der Privaträume ihres Mitarbeiters Dr. Hammel. Ein rechtsstaatlich denkender Amtsrichter lehnte das Hausdurchsuchungsbegehren der Staatsanwaltschaft allerdings ab.
Um einer Grundsatzentscheidung aus dem Wege zu gehen und nicht selbst verstärkt ins Visier öffentlicher Kritik zu kommen hat nun die Staatsanwaltschaft, nach der Zeugenvorladung der zwanzig von dem Verwaltungsrichter Böhm ermittelten Personen, das Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Caritas und Dr. Hammel mit der Begründung eingestellt, das Dr. Hammel vorgeworfene Verhalten sei, sofern überhaupt eine Ordnungswidrigkeit festgestellt werden könne, nicht als schwerwiegend anzusehen, da Dr. Hammel aus altruistischen Motiven und in Erfüllung sozialer Zwecke gehandelt habe.
Nun will es die Stuttgarter Anwaltskammer genau wissen und legt wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz in Verbindung mit Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz eine Klage auf Unterlassung gegen den Caritas Verband Stuttgart und Dr. Hammel ein.
Dabei interessiert die Anwaltskammer ein genau zu dieser Problematik erstelltes Gutachten des "Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge" überhaupt nicht. Ebenso unberührt bleibt sie von einem weiteren, von Prof. Dr. Albrecht Brühl erstellten Rechtsgutachten, das am Beispiel Tacheles e.V. ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass Unterstützung und Beratung von Sozialhilfeempfängern durch Einrichtungen der Wohlfahrtspflege nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen.
Der Anwaltsverein versucht vielmehr unter dem Vorwand "Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz" eine Rechtsstreitigkeit vom Zaun zu brechen, in welcher der Streitwert und damit die gegnerischen Anwaltskosten ruinös in die Höhe getrieben werden. Ziel ist die Unterlassung der charitativen Tätigkeit des Charitas Verbandes und als Folge im Wiederholungsfall ein Ordnungsgeld von bis zu 500.000 DM bzw. Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten für Dr. Hammel. Dies alles spielt sich vor dem Hintergrund der Tatsache ab, dass in den meisten Fällen viele Anwälte überhaupt nicht bereit sind, Sozialhilfeempfänger und ähnliches Klientel, alleine schon aus wirtschaftlichen Gründen, zu vertreten.
Das Verfahren in Stuttgart ist kein Einzelfall. Es werden vielmehr bundesweit immer wieder soziale Einrichtungen und Beratungsstellen, aber auch Einzelpersonen mit Verfahren wegen "Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz" angegangen und sanktioniert. Dieser Vorwurf wird immer dann gerne gegen Einrichtungen erhoben, wenn sie unbequem sind und sich engagiert für die Belange der bei ihnen Rat- und Hilfesuchenden einsetzen.
So sind bundesweit eine Vielzahl von Verfahren nicht nur gegen Sozialberatungsstellen, sondern auch gegen Asyl- und Flüchtlingsberatungen, Arbeitslosenzentren und-Beratungsstellen, Schuldnerberatungsstellen oder auch Senioren-Beratungseinrichtungen bekannt. Des weiteren kommt es zu Unterlassungsklagen gegen die bekannten Verbraucherschutzsendungen von "Wie bitte?!" über "Ein Fall für Escher" bis zu "Ratgeber Recht".
Das Stuttgarter Verfahren ist von grundsätzlicher Bedeutung, da hierbei ein sehr großer und wichtiger Wohlfahrtsverband mit einem renommierten und bundesweit bekannten Sozialrechtlicher direkt angegangen und aus diesem Grunde die zukünftige Arbeit sämtlicher in diesem Bereich tätiger Einrichtungen existenziell bedroht wird.
Sollte der Anwaltsverein mit seiner Klage erfolgreich sein, käme dies einem Frontalschlag gegen die Wohlfahrtsverbände und vieler kleinerer und größerer Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen, die sich engagiert für die Rechte sozial Schwacher und Ausgegrenzter einsetzen, gleich.
Besondern im "Jahr des Ehrenamtes" hat eine Anklage wegen Verstoß gegen das aus dem Nazifaschismus kommende Rechtsberatungsgesetz einen äußerst unangenehmen Beigeschmack!!!
Tacheles will daher auf das Stuttgarter Verfahren aufmerksam machen und ruft alle Interessierten und die Kritische Öffentlichkeit dazu auf, Dr. Manfred Hammel durch zahlreiches Erscheinen zu unterstützen.
Die mündliche Verhandlung beginnt am
29. 3. um 10.00 Uhr
im
Landgericht Stuttgart,
Justizgebäude Archivstr. 15 (neben dem Landgericht)
Saal 230.
Tacheles ruft zu zahlreichen Erscheinen auf !!!
Harald Thome und Julia Niewöhner / Tacheles Online-Redaktion
Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz
Karl Böhm, Richter des Stuttgarter Verwaltungsgerichts, erstattete letztes Jahr Anzeige gegen den renommierten Sozialrechtler Dr. Manfred Hammel vom Caritas Verband Stuttgart. Grund der Anklage: Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz in ungefähr zwanzig Fällen. Gleichzeitig gab Böhm diesen Vorgang der Anwaltskammer zur Kenntnis.
Mit der Beratung von Sozialhilfeempfängern, Alleinerziehenden, Asylbewerbern und anderen sozial benachteiligten Menschen im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit beim Caritas Verband Stuttgart soll Hammel gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen haben, so der offizielle Grund der Anklage. Am Donnerstag, dem 29. 03. 2001 wird die Klage des Stuttgarter Anwaltsvereins gegen den Caritas Verband Stuttgart vor dem Stuttgarter Landgericht in mündlicher Verhandlung erörtert.
Das der Anklage zugrunde liegende Rechtsberatungsgesetz stammt aus dem Jahr 1935. Das Gesetz befugt ausschließlich Rechtsanwälte oder zugelassene Rechtsbeistände Mitbürgern in rechtlichen Dingen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Laut Rechtsberatungsgesetz ist sogar jegliche entgeltliche oder unentgeltliche "Betätigung von christlicher Nächstenliebe oder sozialem Engagement" so das OLG Stuttgart (NStZ 1989, 274) verboten.
Die Wurzeln dieses Gesetzes liegen im Ermächtigungsgesetz aus dem Jahr 1933. Damals wurde mit diesem Gesetz die "Entjudung" der deutschen Anwaltschaft und gleichzeitige Monopolstellung der Rechtsberatung der deutschen Anwaltschaft erreicht. Die Folge war eine (fast) geschlossene Unterstützung des Nazi-Faschismus durch die deutsche Anwaltschaft.
Im Stuttgarter Fall fühlte sich Richter Böhm offensichtlich durch die hochqualifizierten Schriftsätze verschiedener durch Dr. Hammel unterstützter sozial benachteiligter Menschen in seiner richterlichen und sozialamtlichen Ruhe gestört. Böhm sammelte aus eigenen Aktenbeständen und Akten anderer Kollegen Verdachtsfälle zusammen und leitete diese - unter Verstoß gegen das Datenschutzgesetz - an Staatsanwaltschaft und Anwaltskammer weiter. Die Staatsanwaltschaft nahm die Sache zunächst sehr ernst und beantragte in ihrem Eifer beim Amtsgericht einen Beschluss zur Hausdurchsuchung sowohl der Diensträume des Caritasverbandes als auch der Privaträume ihres Mitarbeiters Dr. Hammel. Ein rechtsstaatlich denkender Amtsrichter lehnte das Hausdurchsuchungsbegehren der Staatsanwaltschaft allerdings ab.
Um einer Grundsatzentscheidung aus dem Wege zu gehen und nicht selbst verstärkt ins Visier öffentlicher Kritik zu kommen hat nun die Staatsanwaltschaft, nach der Zeugenvorladung der zwanzig von dem Verwaltungsrichter Böhm ermittelten Personen, das Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Caritas und Dr. Hammel mit der Begründung eingestellt, das Dr. Hammel vorgeworfene Verhalten sei, sofern überhaupt eine Ordnungswidrigkeit festgestellt werden könne, nicht als schwerwiegend anzusehen, da Dr. Hammel aus altruistischen Motiven und in Erfüllung sozialer Zwecke gehandelt habe.
Nun will es die Stuttgarter Anwaltskammer genau wissen und legt wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz in Verbindung mit Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz eine Klage auf Unterlassung gegen den Caritas Verband Stuttgart und Dr. Hammel ein.
Dabei interessiert die Anwaltskammer ein genau zu dieser Problematik erstelltes Gutachten des "Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge" überhaupt nicht. Ebenso unberührt bleibt sie von einem weiteren, von Prof. Dr. Albrecht Brühl erstellten Rechtsgutachten, das am Beispiel Tacheles e.V. ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass Unterstützung und Beratung von Sozialhilfeempfängern durch Einrichtungen der Wohlfahrtspflege nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen.
Der Anwaltsverein versucht vielmehr unter dem Vorwand "Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz" eine Rechtsstreitigkeit vom Zaun zu brechen, in welcher der Streitwert und damit die gegnerischen Anwaltskosten ruinös in die Höhe getrieben werden. Ziel ist die Unterlassung der charitativen Tätigkeit des Charitas Verbandes und als Folge im Wiederholungsfall ein Ordnungsgeld von bis zu 500.000 DM bzw. Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten für Dr. Hammel. Dies alles spielt sich vor dem Hintergrund der Tatsache ab, dass in den meisten Fällen viele Anwälte überhaupt nicht bereit sind, Sozialhilfeempfänger und ähnliches Klientel, alleine schon aus wirtschaftlichen Gründen, zu vertreten.
Das Verfahren in Stuttgart ist kein Einzelfall. Es werden vielmehr bundesweit immer wieder soziale Einrichtungen und Beratungsstellen, aber auch Einzelpersonen mit Verfahren wegen "Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz" angegangen und sanktioniert. Dieser Vorwurf wird immer dann gerne gegen Einrichtungen erhoben, wenn sie unbequem sind und sich engagiert für die Belange der bei ihnen Rat- und Hilfesuchenden einsetzen.
So sind bundesweit eine Vielzahl von Verfahren nicht nur gegen Sozialberatungsstellen, sondern auch gegen Asyl- und Flüchtlingsberatungen, Arbeitslosenzentren und-Beratungsstellen, Schuldnerberatungsstellen oder auch Senioren-Beratungseinrichtungen bekannt. Des weiteren kommt es zu Unterlassungsklagen gegen die bekannten Verbraucherschutzsendungen von "Wie bitte?!" über "Ein Fall für Escher" bis zu "Ratgeber Recht".
Das Stuttgarter Verfahren ist von grundsätzlicher Bedeutung, da hierbei ein sehr großer und wichtiger Wohlfahrtsverband mit einem renommierten und bundesweit bekannten Sozialrechtlicher direkt angegangen und aus diesem Grunde die zukünftige Arbeit sämtlicher in diesem Bereich tätiger Einrichtungen existenziell bedroht wird.
Sollte der Anwaltsverein mit seiner Klage erfolgreich sein, käme dies einem Frontalschlag gegen die Wohlfahrtsverbände und vieler kleinerer und größerer Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen, die sich engagiert für die Rechte sozial Schwacher und Ausgegrenzter einsetzen, gleich.
Besondern im "Jahr des Ehrenamtes" hat eine Anklage wegen Verstoß gegen das aus dem Nazifaschismus kommende Rechtsberatungsgesetz einen äußerst unangenehmen Beigeschmack!!!
Tacheles will daher auf das Stuttgarter Verfahren aufmerksam machen und ruft alle Interessierten und die Kritische Öffentlichkeit dazu auf, Dr. Manfred Hammel durch zahlreiches Erscheinen zu unterstützen.
Die mündliche Verhandlung beginnt am
29. 3. um 10.00 Uhr
im
Landgericht Stuttgart,
Justizgebäude Archivstr. 15 (neben dem Landgericht)
Saal 230.
Tacheles ruft zu zahlreichen Erscheinen auf !!!
Harald Thome und Julia Niewöhner / Tacheles Online-Redaktion