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Wuppertal Newsletter 06.08.2022

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

Unser heutiger Newsletter zu folgenden Themen:

1. Das nächste Schuljahr steht vor der Tür, die Schulbuchkosten auch – Hinweise für die Praxis
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Das nächste Schuljahr steht vor der Tür, die Schulbuchkosten auch. Ab 1/2021 besteht für ALG II/Sozialhilfe und auch AsylbLG  - Beziehende  die Möglichkeit die Schulbuchkosten, auch die selbst zutragenden Eigenanteile in tatsächlicher Höhe, wenn diese aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben angeschafft werden müssen von den jeweiligen Sozialleistungsträgern erstattet zu bekommen (so § 21 Abs. 6a SGB II und § 30 Abs. 9 SGB XII). Für Geflüchtete in den AsylbLG Grundleistungen besteht dieser Anspruch normativ erst einmal nicht, aber er wird sich aus Gründen der Gleichbehandlung aus den „sonstigen Leistungen“ nach § 6 Abs. 1 AsylbLG ableiten lassen.


Was heißt das für die Praxis? Schulbuchkosten können beim Jobcenter/Sozialamt beantragt werden, dafür wird der „Elternbrief“ und Nachweis über den Kauf oder die Zahlung erforderlich sein. Im SGB II können die Beträge ohne Probleme auch nachträglich geltend gemacht werden.

Im SGB XII, zumindest im 3. Kap. des SGB XII (Sozialhilfe) und in den sog.  „Analogleistungen“ des AsylbLG sind diese vorher zu beantragen oder zumindest die Behörde in Kenntnis zu setzen (§ 18 Abs. 1 SGB XII) und in den AsylbLG Grundleistungen ist eine vorherige Beantragung ebenfalls sinnvoll.
Wir bitten um breite Aufklärung und Verbreitung.


2. Heizkosten- und Betriebskostennachzahlungen für SGB II/SGB XII/AsylbLG-Beziehende sind im Regelfall in tatsächlicher Höhe zu übernehmen
Ein solcher Anspruch kann auch in Teilen für Nichtleistungsbeziehende bestehen!

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Menschen, die im SGB II oder SGB XII oder AsylbLG-Leistungsbezug sind, haben im Regelfall einen Übernahmeanspruch der Heizkostenabrechnungen und Betriebskostenjahresabrechnungen. Auch Nichtleistungsbeziehende als Arbeitnehmer*innen oder Rentner*innen können den Anspruch haben, ebenso Menschen, die die Befüllung eines Tanks mit Öl, Gas Pellets oder sonstigen Brennstoffen nicht zahlen können.

Grundsätzlich besteht für die genannten Leistungsbeziehenden nach dem SGB II und SGB XII ein Übernahmeanspruch der Unterkunfts- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe (so § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II iVm § 67 Abs. 3 SGB II/§ 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII iVm § 141 Abs. 3 S. 1 SGB XII). Dieser Übernahmeanspruch ist aber bereits eingeschränkt, wenn die Leistungsbeziehenden zuvor wirksam und rechtmäßig zur Kostensenkung aufgefordert wurden (§ 67 Abs. 3 S. 3 SGB II/§ 141 Abs. 3 S. 3 SGB XII). In dem Fall einer horrenden Abrechnung wird gewiss ein Übernahmeanspruch im Rahmen der Wohnraumsicherung nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II/bzw. § 36 Abs. 1 S. 21 SGB XII) bestehen. Im SGB XII kann der Übernahmeanspruch auch noch wegen restriktivster Anwendung der Begrenzung wegen fehlender Umzugserfordernis nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II bestehen. (Hier wäre aber eine Übernahme im Rahmen der Wohnraumsicherung gerechtfertigt).

Um diesen Anspruch realisieren zu können, müssen SGB XII – Beziehende und analogleistungsbeziehende Geflüchtete im Sinne des § 18 Abs. 1 SGB XII im Monat der Fälligkeit beim Sozialamt einen Antrag stellen. Wird dieser Antrag nicht rechtzeitig gestellt, entfällt der Anspruch auf Übernahme auf Zuschussbasis.

Der Übernahmeanspruch besteht auch für nichtleistungsbeziehende Menschen, wenn sie im Monat der Fälligkeit der Nachzahlung einen SGB II/SGB XII – Antrag stellen. Das BSG sagt dazu, dass  Nachzahlungen aus Neben- und Heizkostenabrechnungen immer Bedarf im Monat der Fälligkeit (BSG 22.3.2010 – B 4 AS 62/09 R) sind und es dabei unerheblich ist, ob die Nachforderung in Zeiten des Nichtleistungsbezuges entstanden ist (BSG 24.11.2011 – B 14 AS 121/10 R).

In dem Fall wäre der „normale sozialrechtliche Bedarf“ (Regelleistungen, Mehrbedarfe, Unterkunfts- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe) zu berücksichtigen und dann der jeweilige fällige Nachzahlungsbetrag in tatsächlicher Höhe. In diesem Fall darf nur das Einkommen im jeweiligen Monat dem Bedarf entgegengestellt werden. Ist der Bedarf nicht durch eigenes Einkommen gedeckt, besteht hier für einen Monat ein SGB II/SGB XII – Leistungsanspruch in Höhe des ungedeckten Bedarfes. Das ist vielen Verdienenden nicht bekannt. Der Anspruch besteht auch für Menschen die Kinderzuschlags- oder Wohngeldleistungen beziehen.

3. Der Entwurf zum Bürgergeldgesetz wird in den nächsten Tagen kommen
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Es wird kommende Woche mit dem Gesetzesentwurf zum Bürgergeld gerechnet. Das ist dann kein neues Gesetz, sondern es werden Änderungen im SGB II sein.
Was uns erwarten wird, hat Arbeitsminister Heil vor zwei Wochen skizziert. Daraus resultierend haben wir eine Zusammenfassung der wesentlichen Punkte gemacht, diese sind auf der Tacheles Website zu finden: https://t1p.de/hgctm

Gleichzeitig hat Arbeitsminister Heil Ende Mai angekündigt, er plane, dass die Regelsätze im Bürgergeld pro Person und Monat in etwa um 40 bis 50 Euro höher sein würden als in der bisherigen Grundsicherung. Das entspricht einer Steigerung von etwa 10 Prozent.

Dazu ist zu sagen: Was Hubertus Heil in Bezug auf die Regelleistungen ankündigt, ist nichts anderes als die Umsetzung der sowieso fälligen Regelleistungserhöhungen durch die explodierenden Preise und die Inflationsrate. Dies jetzt als „Menschen in der Not verlässlich abzusichern“ zu bezeichnen, ist falsch und zynisch.

Herr Heil kündigt seit Monaten den Referentenentwurf an, hier ist nun „liefern“ angesagt. Das BVerfG hat in zwei Entscheidungen sehr deutlich gesagt:

Der Gesetzgeber hat … Vorkehrungen zu treffen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchsteuern, zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen, insbesondere wenn er wie in § 20 Abs. 2 SGB II einen Festbetrag vorsieht“. (BVerfG 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 ua, Rn. 140)

„ a) Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf reagieren. So muss die Entwicklung der Preise für Haushaltsstrom berücksichtigt werden (oben C II 2 e bb). Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten“ (Beschluss des BVerfG vom 23.07.2014 - 1 BvL10/12, Rn. 144, Download: https://t1p.de/oova7)

Diese Situation ist schon längst eingetroffen und hier und jetzt umzusetzen. Eine derartige Preisexplosion wie im Moment ist nicht mit einem Einmalzuschlag von 200 EUR/16,66 EUR im Monat abgegolten.

Notwendig ist kurzfristig eine sofortige monatliche Erhöhung von 100 EUR und einer dauerhaften von rd. 200 EUR.

Und eine sofortige Aussetzung jeder Kürzung in den Unterkunfts- und Heizkosten und Aufrechnung jeglicher Forderungen von Darlehn, Erstattungs- und Ersatzansprüchen („Kürzungsmoratorium“, siehe Thomé NL 19/2021, Nr. 2: https://t1p.de/f6ur9).


4. Tacheles hat neue Weisungen Wuppertaler Sozialleistungsträger veröffentlicht
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Tacheles hat im Rahmen seiner  Kampagne für Behördentransparenz  die aktuellen uns bekannten Dienstanweisungen vom Jobcenter und Sozialamt und zur Wohnraumsicherung und Umgang mit Energieschulden veröffentlicht. Diese Infos sind hier zu finden: https://t1p.de/bqtd9

5. Erhalt des Wuppertal Newsletters
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Wer ebenfalls den Wuppertal Newsletter erhalten möchte, kann sich hier dazu eintragen: https://t1p.de/sfw3


So das war es dann wieder für heute.

Mit freundlichen Grüßen

Harald Thomé / Tacheles e.V.

 

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