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Wuppertal Newsletter 14.11.2021

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

der heutige Newsletter zu folgenden Themen:

 

1.  Zu unsere Kritik an der Begrenzung der Unterkunfts- und Heizkosten im Jobcenter Wuppertal
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In unserem vorletzten Newsletter (vom 23.10. 2021) hatten wir die rechtswidrige Verwaltungspraxis des Jobcenters und Sozialamtes Wuppertal zu der Begrenzung von  Heizkosten auf Höchstbeträge kritisiert, und die Verwaltung aufgefordert diese Praxis zu ändern. Die Kritik ist hier im Newsletter unter Punkt 4 nachlesbar t1p.de/43rl

Dazu hatte uns Jobcenterleiter Thomas Lenz eine Erwiderung geschrieben. Aus unserer Sicht stellt sich dies zusammenfassend folgendermaßen dar: Die Tacheles Kritik basiere auf einem fundamentalen Missverständnis, die Begrenzung der Heizkosten auf Maximalbeträge sei lediglich eine Klarstellung und das Jobcenter arbeite wie immer vollständig rechtskonform.

Auch auf diese Antwort haben wir eine Stellungnahme an das Jobcenter Wuppertal gesandt, diese veröffentlichen wir hier: https://t1p.de/unkt
Gleichzeitig hatte uns Thomas Lenz auf einen Fehler in den von uns benutzten Angemessenheitswerten zu den Kosten der Unterkunft hingewiesen. Das möchten wir nicht unerwähnt lassen.


Aber Tacheles bleibt dabei: die von uns kritisierte Verwaltungspraxis ist und bleibt rechtswidrig und bedeutet für die Leistungsbeziehenden, die jetzt mit explodierenden Energiekosten konfrontiert werden, eine Katastrophe.

Das Gesetz unter § 67 SGB II ist eindeutig, derzeit sind zum Schutze aller Leistungsberechtigten Unterkunfts- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Diese Regelung wird vom Jobcenter Wuppertal mit der Weisung umgangen.

Die Stadtverwaltung, so das Jobcenter und das Sozialamt sanieren ihre Kassen auf Kosten der Armen. Die Details bitte aus der Erwiderung von Tacheles an Jobcenter Chef Thomas Lenz entnehmen.



2.     Mit dem Jobcenter zur klassenlosen Gesellschaft – oder die Instrumentalisierung von Friedrich Engels für die Imagekampagne einer Behörde

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Das Jobcenter Wuppertal veranstaltet, offensichtlich in Kooperation mit der Bergischen Universität, am 16. November ein Event unter dem Titel:

Friedrich Engels und die „Arbeitsfrage“ - Kommunale Sozialpolitik, bürgerschaftlicher Sozialraum und die Überwindung von Armut wie Prekariat“.

Auf dem spärlich gehaltenen Flyer nimmt das Jobcenter Bezug auf Friedrich Engels, den kommunistischen Gefährten von Karl Marx, und hält seine „Fragen der Lebensqualität arbeitender Menschen“ für eine wichtige Frage, mit der sich auch das Jobcenter überraschender Weise in Engels Tradition stellen möchte.

Dass die Verbesserung der Lebensqualität der arbeitenden Menschen und derer, die nicht arbeiten können, ein zentrales Anliegen des Jobcenters Wuppertal sein soll, vermögen wir in unserer täglichen Praxis mit dieser Behörde nur schwer erkennen.

Über 1 ½ Jahre war das Jobcenter faktisch hermetisch abgeriegelt, Antragstellende bekamen nur unter großen Schwierigkeiten überhaupt Kontakt zu der Behörde und monatelange Bearbeitungszeit für Erstanträge sind auch derzeit keine Seltenheit.
Drastische und rechtswidrige Kürzungen bei den Unterkunfts- und Heizkosten trotz klarer Sozialschutz-Regelungen sind nach wie vor Jobcenter-Alltag und Leistungen werden eingestellt oder gar nicht erst bewilligt, wenn nicht restlos alle Zweifel an der Hilfebedürftigkeit ausgeräumt sind. Praktizierte Misstrauenskultur des Jobcenters gegenüber Bedürftigen führt oft zu existenziellen Notlagen.
Sich mit solch einem Verhalten in die Tradition eines der bekanntesten Söhne der Stadt zu setzen, der sein Leben lang für soziale Gerechtigkeit gekämpft hat, ist eigentlich nur absurd und zeigt deutlich, dass die Fußstapfen von Engels für das Jobcenter Wuppertal noch einige Nummern zu groß sind.

Aber wir wollen fair bleiben, denn für das menschenunwürdige Hartz-IV-System kann das Jobcenter nichts! Dies ist politisch so gewollt. Allerdings liegt die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen vor Ort klar in den Händen des Jobcenters – und da ist nun auch in Wuppertal einiges im Argen.

In dem Bewerbungsflyer für die Veranstaltung ist von „Emanzipation“ die Rede, doch das ganze Hartz-IV-Regime ist das komplette Gegenteil.

Durch das Hartz IV werden Menschen in die Pflicht zur Annahme einer jeden Arbeit gezwungen, von Zeitarbeit hin zu absolut inakzeptablen Tätigkeiten und prekären Arbeitsverhältnissen! Mit Hartz IV wurde in Deutschland Niedriglohnsektor geschaffen, der unseren europäischen Nachbarn gehörig zusetzt!

Der Abbruch solcher Arbeiten wird mit Sanktionen und in Wuppertal gerne auch mit Kostenersatzansprüchen belegt. Mit künstlich niedrig gerechneten Regelsätzen werden Jobcenter-„Kund*innen“ in die Armut getrieben.

Um es mit Engels zu sagen, ist der Staat und insbesondere das Jobcenter als ausführendes Organ “nur ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisie-Klasse verwaltet.“

Der Staat als Gesamtkapitalist hat nach Engels ein Interesse daran sich ein Heer von Armen zu halten, mit denen die Löhne der Arbeitenden gedrückt werden können.

Und natürlich ist auch die Angst vor dem menschenverachtenden Hartz-IV-System Grund genug jeden noch so miesen Job anzunehmen. Daher ist Frage berechtigt, ob das Engels-Event lediglich der Außendarstellung des Jobcenters dienen soll oder einer selbstkritischen Reflektion der eigenen systemerhaltenden Rolle.

Trotz alledem würden wir als Tacheles e.V. eine Neuausrichtung des Jobcenters Wuppertal in Richtung einer klassenlosen Gesellschaft natürlich begrüßen und möchten alle Engagierten ermuntern, sich anzumelden und dem Jobcenter Wuppertal bei der Umwandlung mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, damit diese klassenlose Gesellschaft vielleicht nicht mit einer Revolution, sondern durch tatkräftige Unterstützung des Jobcenters in seiner neuen Rolle als Engels-Rezipient auch wirklich erreicht wird!

Anmeldung unter: engels@jobcenter.wuppertal.de

16. November 2021 um 9:00 – 17:00
Codeks-ELBA-Fabrik Moritzstr. 14, 42117 Wuppertal

Bewerbung der Veranstaltung auf der Jobcenterseite: https://www1.jobcenter.wuppertal.de/meldungen/meldungen-2021/Was-hat-Engels-mit-dem-Jobcenter-zu-tun.php




3.       Tacheles sucht immer noch Mitstreitende
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Zur Vergrößerung unseres Beratungsteams suchen wir weitere Menschen, die uns im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit unterstützen wollen.

Um was geht es?

Wir beraten zum Thema ALG II (Hartz IV) und Sozialhilfe. Von Hilfestellung beim Ausfüllen von Anträgen bis zur Durchsetzung von Leistungsansprüchen ist hier alles dabei.

Wann findet die Beratung statt?

Wir besprechen im Team jeweils mittwochs und donnerstags am Vormittag die aktuellen Fälle, die vorher telefonisch aufgenommen wurden. Danach findet die eigentliche Beratung flexibel nach individueller Absprache mit den Ratsuchenden statt. Selbstverständlich kann auch nur an einem der beiden Tage mitgearbeitet werden.

Welche Voraussetzungen gibt es zur Mitarbeit bei uns?

Die wichtigste Voraussetzung, um bei uns mit zu machen, ist Zeit und Lust, für die Rechte von Menschen zu streiten. Ein paar Kenntnisse im Umgang mit Computern und die Fähigkeit strukturiert zu arbeiten sind außerdem hilfreich.

Neue Kräfte in unserer Beratung haben die Möglichkeit, zuerst mit erfahrenen Berater*innen zusammen zu arbeiten. Für den Anfang können leichtere Aufgaben übernommen werden.

Wir bieten neben einem tollen Team und einem großen Spektrum an neuen Erfahrungen auch regelmäßige Fortbildungen im Bereich SGB II (Hartz IV) und SGB XII (Sozialhilfe) an.

Selbstverständlich tun wir alles dafür, dass sich bei uns niemand mit Corona ansteckt. Wir testen uns regelmäßig, haben Schutzmaßnahmen wie Raumluftfiltergeräte oder Spuckschutzwände in Gebrauch und achten auf Abstand und darauf, dass sich nicht zu viele Menschen gleichzeitig in unseren Räumen aufhalten.

Lust, mehr zu erfahren? Dann melde dich gerne.

Interessenten bitte an gine@tacheles-sozialhilfe.de wenden.

 

So, das war es für heute.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Harald Thomé / Tacheles e.V.

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