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Thomé Sonder-Newsletter 35/2025 vom 04.11.2025
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Thomé Sonder-Newsletter 34/2025 vom 22.10.2025
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Tacheles Rechtsprechungsticker KW 38/2025
1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung nach dem SGB II – Bürgergeld
1.1 LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.10.2024 – L 3 AS 165/24 B ER – rechtskräftig, unveröffentlicht
Sehr geringe Verbrauchswerte für Wasser, Heizung und Strom können darauf hindeuten, dass der Bürgergeldempfänger seine Wohnung nicht tatsächlich genutzt hat.
Anmerkung von Detlef Brock
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Eine fehlende Nutzung der Wohnung muss vom Jobcenter nachgewiesen werden.
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Trotz unterdurchschnittlicher Verbrauchswerte für Wasser, Heizung und Strom muss das Jobcenter Bedarfe für Unterkunft, Heizung sowie Warmwassererzeugung zahlen, wenn es gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 SGB X) verstößt.
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Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit (§§ 7, 9 SGB II) als Voraussetzung eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Bürgergeld muss das Jobcenter auf die gegenwärtige tatsächliche Situation des Antragstellers abstellen. Umstände aus der Vergangenheit dürfen nur herangezogen werden, soweit sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage ermöglichen.
Rechtstipp:
Keine fehlende Nutzung der Mietwohnung liegt vor, wenn der Hilfebedürftige einen sparsamen Wasserverbrauch vor Gericht auch mittels Zeugen und eidesstattlicher Versicherung glaubhaft machen kann (aktuell LSG NRW, L 21 AS 537/25 B ER).
1.2 LSG Sachsen, Urteil vom 04.11.2024 – L 7 AS 942/19
Anmerkung von RA Dr. Jens-Torsten Lehmann
Verbot des fiktiven Vermögensverbrauchs: zu den Voraussetzungen eines Erlasses nach § 44 SGB II bei freibetragsüberschreitendem Vermögen.
Anmerkung von Detlef Brock
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Auch bei durch den Leistungsbezieher grob fahrlässig herbeigeführter Rückforderung des ALG II wegen freibetragsüberschreitenden Vermögens kommt ein Erlass der Forderung nach § 44 SGB II bei atypischen Härtefällen in Betracht (BSG, Urt. v. 25.04.2018 – B 14 AS 15/17 R).
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Hier bejahend: Jobcenter und Leistungsempfänger haben einen Vergleich geschlossen.
Quelle: RA Dr. Jens-Torsten Lehmann – https://ra-jtlehmann.de/wp-content/uploads/2025/06/20241104-LSG-L_7_AS_942-19_anonymisiert.pdf
1.3 LSG Hessen, Urt. v. 05.06.2024 – L 6 SF 3/23 DS – ablehnend: BSG, Beschluss vom 11.07.2025 – B 4 AS 116/24 BH
Rechtmäßigkeit der Übermittlung von Daten des Klägers an einen Arbeitgeber im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem Bürgergeld.
Anmerkung von Detlef Brock
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Eine Übermittlung von Sozialdaten ist zulässig, soweit sie für die Zwecke erforderlich ist, für die sie erhoben wurden. Name und Anschrift des Leistungsempfängers dienen insbesondere auch der Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis (so auch LSG Bayern, Urt. v. 30.07.2013 – L 10 AL 72/11).
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Der Kontakt zum potentiellen Arbeitgeber dient nicht nur der Ermöglichung der Sanktionierung unterlassener oder unzureichender Bewerbungen, sondern auch der Optimierung der Bewerbungschancen des Leistungsberechtigten sowie der Erfüllung des Suchauftrags des angeschriebenen Arbeitgebers. Systematisch lässt sich dies aus § 51b SGB II herleiten.
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Das Interesse des Jobcenters ist gem. § 69 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X im Rahmen des datenschutzrechtlichen Erforderlichkeits- und Zweckbindungsbegriffs mit dem Grundrecht des Leistungsberechtigten auf informationelle Selbstbestimmung in schonenden Ausgleich zu bringen (vgl. BT-Drs. 15/2997, S. 11, 25). Dabei sind auch die Zwänge einer behördlichen Massenverwaltung zu berücksichtigen.
Quelle: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zum SGB II / Bürgergeld
2.1 SG Altenburg, Urteil vom 18.08.2025 – S 39 AS 570/24
Nur bei klassischen Wohnraummietverträgen zahlt das Jobcenter Bedarfe für Unterkunft und Heizung.
Anmerkung von Detlef Brock
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Keine Mietkostenübernahme durch das Jobcenter bei unklaren und rechtlich nicht verbindlichen Vertragsgestaltungen, da kein klassischer Wohnraummietvertrag vorlag.
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(Miet-)Kaufpreisraten oder Tilgungsraten gehören nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nicht zu den erstattungsfähigen Unterkunftskosten.
Leitsätze: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de
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Für die Bewertung, welcher Art und Rechtsnatur Aufwendungen für eine konkrete Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind (Miete oder Miet-Kaufpreisrate), kommt es auf die zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Zweckrichtung der Zahlung an, nicht auf die rechtliche Wirksamkeit des Vertrags.
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Der Träger der Grundsicherungsleistungen ist nicht verpflichtet, Aufwendungen aus unklaren und ggf. rechtlich nicht verbindlichen Vertragsgestaltungen als Kosten der Unterkunft zu übernehmen.
Praxistipp:
Für die Übernahme sog. Mietkaufraten als Kosten der Unterkunft ist entscheidend, ob es sich der Sache nach um Mietzins oder um der Vermögensbildung bzw. Schuldentilgung dienende Kaufpreisraten handelt (LSG Niedersachsen-Bremen, L 11 AS 415/20 B ER).
2.2 SG Mannheim, Gerichtsbescheid vom 10.08.2023 – S 12 AS 2219/22 – rechtskräftig, unveröffentlicht
Keine Kostenübernahme für Bürgergeldempfänger durch das Jobcenter für Festkleidung und Blumen für einen Tanzkurs-Abschlussball.
Anmerkung von Detlef Brock
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Kosten für Festkleidung und Blumen für einen Tanzkurs-Abschlussball sind mit der Regelleistung abgegolten.
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Für Bezieher von Bürgergeld ist es zumutbar, bei besonderen Anlässen wie einem Abschlussball gebrauchte Kleidung zu kaufen und später wieder zu verkaufen.
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Es handelt sich dabei auch nicht um Leistungen für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (§ 28 Abs. 7 SGB II).
2.3 SG Darmstadt, Beschluss vom 14.08.2025 – S 27 AS 458/25 ER
Anmerkung von Detlef Brock
Vorläufige Leistungen im einstweiligen Rechtsschutz im Rahmen der Folgenabwägung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sowie für die Kosten der Unterkunft und Heizung – auch für den drittstaatsangehörigen Elternteil minderjähriger EU-Bürger.
Leitsatz: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de
SGB-II-Leistungen auch für drittstaatsangehörige Elternteile minderjähriger EU-Bürger.
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht nach dem SGB III
Keine.
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4.1 LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.07.2025 – L 8 SO 47/25 B ER
Weitergewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets; Kündigung wegen mangelnder Mitwirkung bei einer erforderlichen Bedarfsermittlung.
Anmerkung von Detlef Brock
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Die Aufhebung des Budgetbescheides für die Zukunft ist gem. § 29 Abs. 4 Satz 7 SGB IX i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtmäßig.
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§ 48 SGB X gilt ergänzend als weitere gesetzliche Grundlage für die Aufhebung eines Budgetbescheides im Falle einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse wegen der Kündigung der Zielvereinbarung (ebenso Hessisches LSG, Beschl. v. 27.11.2024 – L 4 SO 95/24 B ER; a. A. wohl LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 06.09.2024 – L 8 SO 34/24 B ER).
Amtlicher Leitsatz
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Zur Abgrenzung und zu den Anforderungen der einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGG.
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Zu den Anforderungen an einen wichtigen Grund zur Kündigung einer Zielvereinbarung i. S. d. § 29 Abs. 4 SGB IX, insbesondere zur Kündigung wegen mangelnder Mitwirkung bei einer erforderlichen Bedarfsermittlung nach dem SGB IX.
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Die Aufhebung eines Verwaltungsakts über die Bewilligung eines persönlichen Budgets nach § 29 SGB IX für die Zukunft richtet sich bei einer Kündigung der zugrunde liegenden Zielvereinbarung nach § 29 Abs. 4 S. 7 SGB IX i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X und hat Vorrang gegenüber einer Rücknahme nach § 45 SGB X.
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Die Beschränkung eines persönlichen Budgets bzw. Teilbudgets betreffend Leistungen nach Teil 2 des SGB IX auf Fachleistungen der Eingliederungshilfe kann wegen der nach § 103 Abs. 2 SGB IX (sog. Lebenslagenmodell) in das Budget einzubeziehenden Leistungen der häuslichen Pflege zur Rechtswidrigkeit des Gesamtbudgets führen.
Quelle: https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/8197228d-e75a-4c90-92ed-6407156a671a
4.2 SG Mannheim, Urteil vom 22.05.2024 – S 9 SO 14/24 – rechtskräftig, unveröffentlicht
25-jährige rollstuhlpflichtige Studentin hat Anspruch auf Kfz-Hilfe – Kleinbus mit integrierter Rollstuhlrampe.
Anmerkung von Detlef Brock
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Eine 25-jährige rollstuhlpflichtige Studentin hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines Kleinbusses mit integrierter Rollstuhlrampe zur sozialen Teilhabe in der Gemeinschaft.
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Der Besuch der Hochschule dient auch dem Knüpfen und Vertiefen sozialer Kontakte. Ist der Verweis auf öffentliche Verkehrsmittel wegen behinderungsbedingter Probleme unzumutbar, muss die Behörde die Kfz-Hilfe zahlen.
Praxistipp
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Schwerbehinderte haben Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten für den behindertengerechten Umbau ihres VW T7 Multivan im Rahmen der Eingliederungshilfe (SG Landshut, Urt. v. 14.03.2025 – S 10 SO 48/23).
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Während die §§ 6 und 8 KfzHV die Leistung als Zuschuss vorsehen, der sich am Einkommen des behinderten Menschen orientiert, regelt § 7 S. 1 KfzHV, dass die Kosten für eine wegen der Behinderung erforderliche Zusatzausstattung, deren Einbau, technische Überprüfung und Wiederherstellung ihrer Funktionsfähigkeit in vollem Umfang übernommen werden.
4.3 Sächsisches LSG, Urteil vom 14.11.2024 – L 8 SO 50/22 – unveröffentlicht
Kosten für ein Rollstuhlfahrrad (Tandemfahrrad, bei dem der Fahrende hinten sitzt und vorn ein Rollstuhl arretiert werden kann) als Leistung der sozialen Teilhabe.
Anmerkung von Detlef Brock
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Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein Hilfsmittel in Form eines Rollstuhlfahrrades als soziale Teilhabeleistung zur Eingliederung in die Gesellschaft kann bestehen, wenn es erforderlich ist, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen.
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Dies ist der Fall, wenn das Rollstuhlfahrrad nicht nur als reines Transportmittel zur Erweiterung des Bewegungsradius genutzt wird, sondern durch dessen Nutzung gerade die soziale Interaktion mit Familienmitgliedern, Assistenten oder Freunden auf gemeinsamen Wegstrecken – sowohl zur Erledigung alltäglicher Aufgaben als auch auf Ausflügen – gesteigert wird.
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Eine Schwerbehinderte, die an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Tetraparese und dyskinetischer Bewegungsstörung sowie ausgeprägter Sprechstörung leidet (GdB 100; Merkzeichen „G“, „aG“, „H“) und in einer eigenen Wohnung lebt, hat Anspruch auf die Übernahme der Kosten für ein Rollstuhlfahrrad.
Rechtstipp
Kosten für ein Erwachsenendreirad können als Leistung zur sozialen Teilhabe zu übernehmen sein, da es nicht allein der Mobilität dient, sondern auch der eigenständigen und selbstbestimmten Lebensführung im Rahmen des Teilhabeziels „soziale Teilhabe“ (SG Lüneburg, Urt. v. 10.06.2025 – S 38 SO 96/23).
5. Entscheidungen zum Asylrecht und AsylbLG
5.1 LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12.06.2025 – L 8 AY 24/25 B ER
Anspruchseinschränkung für in einem anderen Mitgliedstaat anerkannte Schutzberechtigte; Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in das schutzgewährende Land aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen.
Anmerkung von Detlef Brock
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Ungekürzte Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG für eine Familie mit minderjährigen Kindern (entgegen BVerwG, Urt. v. 16.04.2025 – 1 C 18.24 und 1 C 19.24 – wonach für nicht-vulnerable anerkannte Flüchtlinge in Griechenland die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nicht wahrscheinlich ist).
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Gewährung ungekürzter Grundleistungen gem. §§ 3, 3a AsylbLG, da die Antragsteller und ihre minderjährigen Kinder – als Kernfamilie – vulnerable Personen sind. In die Abwägung einzubeziehen ist u. a. ein jüngst erforderlicher stationärer Krankenhausaufenthalt des älteren Sohnes bei abnormem Gewichtsverlust und der Bedarf an hinreichender medizinischer Versorgung.
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Bei rechtswidriger Kürzung in der vorgenommenen Höhe droht eine schwerwiegende Beeinträchtigung grundrechtlicher Gewährleistungen (vgl. BVerfG, Urt. v. 05.11.2019 – 1 BvL 7/16); dem steht lediglich ein (ggf. vorübergehender) finanzieller Verlust der Behörde gegenüber.
Leitsatz LSG Niedersachsen-Bremen
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Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 S. 2 AsylbLG setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass der betreffenden Person die Rückkehr in das schutzgewährende Land aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen möglich und zumutbar ist (Festhalten am Senatsbeschluss vom 19.11.2019 – L 8 AY 26/19 B ER).
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Vulnerable Schutzberechtigte sind bei Rückkehr nach Griechenland der ernsthaften Gefahr ausgesetzt, aufgrund der dortigen Lebensumstände eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu erfahren.
Quelle: (VORIS-Dokument) – Link gekürzt in der Vorlage.
Rechtstipp (RA Sven Adam, Tacheles Rechtsprechungsticker KW 24/2025):
§ 1a Abs. 4 AsylbLG enthält ein ungeschriebenes Merkmal der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit der Rückkehr; für vulnerable Gruppen besteht diese Möglichkeit im Fall der Ausreise nach Griechenland nicht (Gefahr i. S. d. Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK).
5.2 Sozialgericht Speyer, Beschluss vom 01.09.2025 – S 16 AY 88/25 ER
Normen: § 1 Abs. 4 AsylbLG, § 193 SGG
Schlagworte: Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 4 AsylbLG, Europarecht, Kostenentscheidung, sofortiges Anerkenntnis, Land Rheinland-Pfalz, Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, Sozialgericht Speyer
Quelle: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/09/...-88-25-er/
5.3 LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.08.2025 – L 7 AY 1344/25 ER-B
Normen: § 6 AsylbLG, § 188 Abs. 4 SGB V
Schlagworte: obligatorische Anschlussversicherung, Leistungen nach dem AsylbLG, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Landratsamt Ludwigsburg
Anmerkung von Detlef Brock
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Das AsylbLG enthält keine der Regelung des § 28a Abs. 5 SGB XII entsprechende Besitzstandsklausel für den Fall, dass die Fortschreibung der Regelbedarfe zu einer Verringerung der Regelbedarfshöhe führt. § 28a Abs. 5 SGB XII ist insbesondere nicht über § 3a Abs. 4 AsylbLG anwendbar.
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Die Übernahme der Beiträge zur obligatorischen Anschlussversicherung ist hier zur Sicherung des Lebensunterhalts i. S. d. § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG unerlässlich. Die Ausnahmeregelung knüpft systematisch an die Bedarfspauschalierung der §§ 3, 3a AsylbLG an und ergänzt diese grundrechtlich geboten.
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Bei den Beiträgen zur obligatorischen Anschlussversicherung handelt es sich um Bedarfe, die nicht von §§ 3, 3a AsylbLG erfasst sind.
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Die für § 6 AsylbLG geforderte Atypik ergibt sich daraus, dass Leistungsberechtigte zwar der obligatorischen Anschlussversicherung unterfallen können, das AsylbLG – anders als SGB II und SGB XII – aber keine Regelung zur Berücksichtigung unvermeidbarer Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung als gesonderte Bedarfe enthält (§ 26 SGB II bzw. §§ 32, 32a SGB XII; vgl. SG Freiburg, Urt. v. 17.03.2025 – S 7 AY 3255/24).
Quelle: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/09/...-1344-25-er-b/
5.4 Sozialgericht Stuttgart, Beschluss vom 09.09.2025 – S 11 AY 3998/25 ER
Normen: §§ 3, 3a AsylbLG, § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
Schlagworte: Regelbedarfsstufe 1, Regelbedarfsstufe 2, Leistungen nach § 3 AsylbLG, Leistungen nach § 3a AsylbLG, Stadt Stuttgart
Anmerkung von Detlef Brock
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Die Behörde wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung Grundleistungen gem. §§ 3, 3a AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.
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Der Anspruch ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts bereits aus dem Beschluss des BVerfG vom 19.10.2022 (1 BvL 3/21).
Quelle: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/09/...-3998-25-er/
5.5 Sozialgericht Magdeburg, Beschluss vom 08.09.2025 – S 31 AY 71/25 ER
Normen: §§ 3, 3a AsylbLG, § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
Schlagworte: Regelbedarfsstufe 1, Regelbedarfsstufe 2, Leistungen nach § 3 AsylbLG, Leistungen nach § 3a AsylbLG, Altmarkkreis Salzwedel
Anmerkung von Detlef Brock
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Gewährung von Leistungen gem. §§ 3, 3a AsylbLG in der Regelbedarfsstufe 1.
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Der Antragsteller lebt in einer Gemeinschaftsunterkunft i. S. v. § 53 Abs. 1 AsylG und bezieht unstreitig Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG. Unter Berücksichtigung des BVerfG-Beschlusses vom 19.10.2022 stehen ihm diese allerdings im Umfang der Regelbedarfsstufe 1 zu.
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Das BVerfG hat mit Beschluss vom 19.10.2022 (veröffentlicht am 23.11.2022, 1 BvL 3/21) entschieden, dass die Sonderbedarfsstufe 2 für eine in einer Sammelunterkunft untergebrachte alleinstehende erwachsene Person nach der Parallelvorschrift des § 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.
Quelle: https://anwaltskanzlei-adam.de/2025/09/...-71-25-er/
5.6 SG Altenburg, Beschluss vom 02.04.2025 – S 21 AY 114/25 ER
Anmerkung von Detlef Brock
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Asylbewerber lehnt Job im Krankenhaus ab – Aufwandsentschädigung 80 Cent je Stunde.
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Nach § 5 Abs. 4 AsylbLG sind arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr schulpflichtig sind, zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet.
Leitsätze: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de
Bestehen bei gerichtlicher Überprüfung der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG) keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Zuweisungsbescheids in eine Arbeitsgelegenheit nach § 5 Abs. 4 AsylbLG, verringern sich im Rahmen der Interessenabwägung die Anforderungen an das öffentliche Vollzugsinteresse.
Die mit den Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG verfolgten Ziele – beginnender Spracherwerb, Vermeidung negativer Auswirkungen von Beschäftigungslosigkeit, sinnstiftende Tagesstruktur – sprechen für eine zeitnahe Umsetzung.
Praxistipp:
Das Thüringer LSG hat die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Altenburg (v. 02.04.2025 – S 21 AY 114/25 ER) mit Beschluss vom 10.04.2025 (L 8 AY 270/25 B ER) zurückgewiesen.
Quelle: LSG Thüringen – https://sozialgerichte.thueringen.de/
5.7 LSG Thüringen, Beschluss vom 16.05.2025 – L 8 AY 222/25 B ER – sowie BVerfG, Beschluss vom 30.06.2025 – 1 BvR 1200/25 (unzulässige Verfassungsbeschwerde wegen unzureichenden Vortrags zur Subsidiarität)
Anmerkung von Detlef Brock
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Einstellung von Asylbewerberleistungen bei ausreisepflichtigem Asylbewerber, da erhebliche Zweifel am tatsächlichen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet bestanden. Die Leistungsberechtigung ist an den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet geknüpft.
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Eine bloße postalische Erreichbarkeit reicht hierfür nicht aus; es bestanden erhebliche Zweifel an einem lückenlosen Aufenthalt.
Anmerkung des LSG Thüringen (aus der Pressemitteilung/Begründung):
Gegenstand des Verfahrens war die Einstellung von Leistungen nach dem AsylbLG mit Wirkung zum 31.12.2024 sowie die Gewährung von Überbrückungsleistungen bis zum 14.01.2025, nicht jedoch Härtefallleistungen nach § 1 Abs. 4 S. 6 AsylbLG. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AsylbLG seien erfüllt (bestandskräftige Dublin-Zuständigkeit Maltas). Verfassungs- und europarechtliche Bedenken seien nicht ersichtlich.
Siehe auch: „Leistungskürzung bei Ausreisepflicht im Dublinverfahren verfassungs- und europarechtskonform“ – https://www.asyl.net/rsdb/m33410
5.8 LSG Hessen, Beschluss vom 17.09.2025 – L 4 AY 9/25 B ER
Anmerkung von RA Sven Adam
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Das Hessische LSG hat offen gelassen, ob die Rückkehr in das schutzgewährende Land (hier: Griechenland) für die Antragsteller (Eltern von vier Kindern) aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist und sich bereits hieraus die Nichtanwendbarkeit des § 1a Abs. 4 AsylbLG ergibt.
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Jedenfalls sei eine Kürzung länger als sechs Monate nicht möglich.
Quelle: https://anwaltskanzlei-adam.de/leistungen-kuerzen-nach-1a-4-asylblg/
Hinweis zur Zitierweise
Nicht veröffentlichte Urteile, Anmerkungen oder Urteilsbesprechungen dürfen nur mit Quellenangabe zitiert werden:
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Quelle: Tacheles Rechtsprechungsticker KW XX/2025 – Autor: Detlef Brock
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Veröffentlichung unter Creative-Commons-Lizenz – CC-BY-SA 3.0.
Zitate ohne Quellenhinweis sind urheberrechtswidrig.
Verfasser: Redakteur von Tacheles, Detlef Brock